Die unbeschrankte Gefahr: Immer wieder Unfälle an ungesicherten Bahnübergängen
In Bayern gibt es immer noch mehr als 1500 ungesicherte Übergänge. Häufig kommt es dort zu schweren Unfällen. Die erschreckenden Zahlen sinken nur langsam.
Gestern Vormittag ist es schon wieder passiert: ein schwerer Unfall an einem Bahnübergang. Beim Zusammenstoß eines Lastwagens mit einem Regionalzug ist in Mindelheim im Unterallgäu der Lkw-Fahrer glücklicherweise nur leicht verletzt worden. Durch den Aufprall sprang der Triebwagen aus den Schienen, blieb aber auf den Gleisen stehen. Der Lokführer blieb unverletzt.
Der 41-jährige Fahrer eines unbeladenen Kieslasters wollte auf einem unbeschrankten Bahnübergang die Gleise überqueren und übersah den nahenden Zug. Der Lkw wurde von dem Triebwagen erfasst und etwa 100 Meter weit mitgeschleift. Der betroffene Abschnitt der Bahnstrecke Mindelheim–Krumbach wird voraussichtlich bis Freitag gesperrt bleiben.
Bahn: An 95 Prozent der Unfälle sind Autofahrer schuld
Die gestrige Karambolage ist kein Einzelfall. Auch in der Region kam es in den vergangenen Jahren immer wieder zu schweren Unfällen an Bahnübergängen. Die Bahn beobachtet dabei immer öfter leichtsinniges Verhalten an den etwa 19 200 Schienen-Straßen-Kreuzungen in Deutschland. 95 Prozent aller Unfälle dort gehen nach Angaben von Bahnsprecher Franz Lindemair auf falsches Verhalten von Autofahrern zurück, nur in fünf Prozent der Fälle liege der Fehler bei Bahnmitarbeitern.
Das hängt auch damit zusammen, dass der Schienenverkehr gegenüber Autos immer Vorfahrt hat. Aus gutem Grund: Ein Zug benötigt bis zu einem Kilometer, bis er zum Stehen kommt, erklärt man beim ADAC, der mit der Bahn schon seit Jahren das Thema „Sicherheit an Bahnübergängen“ vorantreibt.
In Bayern gibt es bundesweit die meisten unbeschrankten Übergänge
Weil viele Fußgänger, Rad- und Autofahrer die Gefahr insbesondere am unbeschrankten Bahnübergang aber trotz aller Kampagnen nicht ernst genug nehmen, kommt es im Jahr zu mehr als 800 Unfällen in Deutschland – jeder vierte mit tödlichem Ausgang. Bayern führt diese traurige Statistik an – nicht zuletzt, weil es hier 3500 dieser Gefahrenstellen und immer noch bundesweit die meisten unbeschrankten Übergänge gibt. Es sind weit über 1500.
Unfallzahlen rückläufig
Immerhin, die Unfallzahlen gehen langsam zurück, ebenso die Zahl der Bahnübergänge. 150 Millionen Euro steckt die Bahn laut Lindemair allein im Freistaat in eine bessere Sicherung, Unterführungen oder Brücken. In den vergangenen 25 Jahren habe man die Zahl der Übergänge auf die Hälfte reduzieren können.
Es klingt wie eine Erfolgsmeldung. Doch angesichts der fast wöchentlichen Unfälle fordert Errol Yazgac, Vorsitzender der Pro-Bahn-Bezirksgruppe Schwaben: Gefährliche Bahnübergänge sollten schnellstmöglich sicherer werden. Denn jeder Unfall sei einer zu viel. Doch mit dem Tempo ist das so eine Sache, denn die Mühlen der Behörden mahlen langsam, und Bahnübergänge zu beschranken, ist teuer. Rund eine halbe Million Euro kostet die einfache Ausführung.
In Kellmünz (siehe Bericht nebenan), wo es im Juli gekracht hat, soll der Umbau trotz hoher Dringlichkeit offenbar erst 2017 erfolgen. Das sorgt vor Ort für Unverständnis und Kopfschütteln. Immerhin wird dort die Gefahr entschärft, das kann man von vielen anderen problematischen Stellen noch nicht sagen.
Beschrankter Bahnübergang erst ab 2500 Autos pro Tag
Denn grundsätzlich gilt laut „Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung“: Erst bei über 2500 querenden Kraftfahrzeugen pro Tag wird ein Bahnübergang beschrankt. Doch es gibt auch andere Vorsichtsmaßnahmen: An schlecht einsehbaren Stellen darf der Zug beispielsweise nur Tempo 20 fahren. „Wir tun unser Möglichstes, um maximale Sicherheit zu gewährleisten“, sagt Lindemair. Zumindest Andreaskreuze stünden an jedem Übergang. Doch die werden oft ignoriert. ProBahn-Mann Errol Yazgac vermutet: Wenn Verkehrsteilnehmer an Bahnübergängen vorsichtiger wären, dann könnten die allermeisten Unfälle vermieden werden.
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