Vogelwild
In einer denkwürdigen Partie besiegt der ERC Ingolstadt Tabellenschlusslicht Schwenningen mit 6:5 nach Verlängerung. Erstes Fünf-Punkte-Wochenende der Saison.
ERC Ingolstadts Trainer Tommy Samuelsson nahm es am Ende mit Humor: „Wenn man vorher keine grauen Haare hatte, dann sicherlich nach diesem Drittel.“ Was der Schwede – selbst mit mattem Haupthaar und grauen Schläfen – im zweiten Abschnitt gegen die Schwenninger Wild Wings gesehen hatte, war (Vorsicht: Wortwitz) vogelwild: Vier Gegentore, davon drei in nicht einmal anderthalb Minuten, ein desolates Unterzahl, den kompletten Verlust der Spielkontrolle.
„Ich habe zur Mannschaft gesagt: ’Das haben wir uns selbst zuzuschreiben, jetzt müssen wir da auch selbst wieder raus.’“ Seine Worte fanden Gehör. Gegen das DEL-Schlusslicht hatten die Panther am Ende mit 6:5 (3:1, 1:4, 1:0, 1:0) nach Verlängerung knapp die Nase vorn.
Ob beide Abwehrreihen sich vor der Partie auf drei, vier, fünf Glühwein am Christkindlmarkt getroffen oder aber den 600 Fans aus Schwenningen im bierseligen Sonderzug Gesellschaft geleistet haben? Eigentlich lässt sich die beschwipste Defensivleistung gar nicht anders erklären. 2:04 Minuten gespielt, 2:1 ERCI, abwehrtechnisches „Vorfahrt gewähren!“ statt Stoppschild: Innerhalb eines Wechsels hatten die Schwarzwälder erst Thomas Greilinger, dann Reihenkollege Petr Pohl mutterseelenalleine gelassen; eine Zwei-Tore-Heimführung in nur 23 Sekunden unter gütiger Mithilfe der Wild Wings (2.).
Die wehrte nicht lange, weil auch Ingolstadts Abwehrverbund quasi nicht existent war, Benedikt Schopper auf die Strafbank musste, Fabio Wagner ausrutschte und Schwenningens Kalle Kaijomaa aus dem Rückraum platziert abzog (3.). Nachdem Gästestürmer Jérôme Samson erst alleine vor ERCI-Keeper Timo Pielmeier vergab und den anschließenden Abpraller neben das leere Tor setzte (13.), war es dann eine Mischung aus Fußball und Baseball der beiden Petrs, die für den nächsten Treffer sorgte: Der eine, Petr Pohl, legte dem anderen, Petr Taticek, die Scheibe aus der Luft auf. Der wiederum nahm sie mit der Hacke mit, zog aus gut zwölf Metern ab – 3:1 (14.).
Benefizspielcharakter dann auch im zweiten Drittel: Wieder setzten die Panther (ohne den nach drei Disziplinarstrafen gesperrten Darryl Boyce) früh den ersten Stich. Nach einem Katastrophenpass der Gäste hinter dem eigenen Tor markierte Brandon Buck per Rückhand und im Fallen das 4:1 (21.). Defensives Hallodri-Hockey konnten aber auch die Panther: Andreé Hult wurde es im Powerplay zweimal zu leicht gemacht (24./37., gestrige ERCI-Unterzahlquote: null Prozent). Zwischenzeitlich überlistete Simon Danner Pielmeier nach einem Blackout von John Laliberte (25.). Samson traf nach Bullygewinn per Schlagschuss (26.). Innerhalb kürzester Zeit ließ sich der ERCI vom statistisch schlechtesten Sturm der Liga düpieren.
„Wir sind zweimal sehr stark aus der Kabine gekommen, dachten dann, es geht von alleine und waren komplett von der Rolle“, analysierte Greilinger, dem es zu verdanken war, dass sein Team letztlich dennoch zum ersten Mal ein Wochenende mit zwei Siegen abschließen konnte. Im letzten Drittel nämlich glänzte Schwenningen – nicht nur spielerisch, sondern auch im Boxkampf zwischen Schopper und Samson – nurmehr durch Passivität. 20 Sekunden vor Schluss, Pielmeier hatte das Eis schon verlassen, wusste das Laliberte im Nachsetzen auszunutzen, ehe Greilinger in der Verlängerung per Konter einer denkwürdigen Partie ein versöhnliches Ende bereitete.
ERC Ingolstadt Ti. Pielmeier – Kohl, McNeill; Friesen, Salcido; Köppchen, Schopper; Wagner – Irmen, Buck, Laliberte; Pohl, Taticek, Greilinger; Oppenheimer, Buchwieser; Elsner, Th. Pielmeier, Jacques – Tore 1:0 Greilinger (2.), 2:0 Pohl (2.), 2:1 Kaijomaa (3./PP), 3:1 Taticek (14.), 4:1 Buck (21.), 4:2 Hult (24./PP), 4:3 Danner (25.), 4:4 Samson (26.), 4:5 Hult (37./PP), 5:5 Laliberte (60.), 6:5 Greilinger (63.) – Zuschauer 3895
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