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Region
26.03.2017

Ein Unfallgutachter auf der Suche nach der Wahrheit

„Genau das ist es, was mich an Unfallstellen reizt: herauszufinden, was wirklich passiert ist.“ Karl Gäßler ist Sachverständiger für Verkehrsunfallanalyse bei der Dekra in Ulm.
Foto: Alexander Kaya

Wenn es auf der Straße kracht und die Schuldfrage ist ungeklärt, schlägt die Stunde von Karl Gäßler. Als Gutachter analysiert er selbst kleinste Spuren, um eine Antwort zu finden.

Auf dem Pannenstreifen steht ein roter Fiat. Die linke Seite ist schwer demoliert. Ein Reifen ist abmontiert und liegt neben dem Wagenheber. Rund 50 Meter weiter steht ein weißer Lastwagen. Der Fahrer hat einen Schock, das Führerhaus ist am rechten Scheinwerfer leicht beschädigt. Und wenige Meter entfernt liegen mitten auf der Autobahn zwei tote Menschen.

Für die einen ist es ein grauenhafter Anblick, der sich ihnen an diesem Montagmorgen Anfang März auf der A 8 bei Leipheim im Kreis Günzburg bietet. Für die anderen ein Ärgernis, weil der Unfall zu kilometer- und stundenlangen Staus führt. Und für Karl Gäßler ist das Szenario vor allem eines: ein Rätsel.

Was ist hier passiert? Warum mussten zwei Menschen sterben? Raste der Lastwagen auf den Standstreifen und erfasste dort die 31-jährige Frau und ihren 28 Jahre alten Begleiter? Oder stand das Pärchen beim Reifenwechsel zu weit auf der Fahrbahn? Wer trägt also die Schuld an dem Unfall? Seit 35 Jahren geht Karl Gäßler genau solchen Fragen nach. Als Sachverständiger für Verkehrsunfallanalyse bei der Dekra in Ulm wird er immer dann gerufen, wenn eben nicht ganz klar ist, warum und wie etwas passiert ist.

Am 6. März erfasste auf der A 8 bei Leipheim ein Lkw zwei Menschen, die auf dem Pannenstreifen einen Reifen wechselten. Ein Fall für Karl Gäßler.
Foto: Peter Wieser (Archiv)

Ausgestattet mit Fotoapparat, Diktier- und Lasermessgerät macht sich Gäßler dann auf den Weg, um den Unfallort detektivisch genau unter die Lupe zu nehmen. Fahrzeuge, Opfer, Bremsspuren – alles wird vermessen, fotografiert und archiviert. „Ich muss mir ein möglichst genaues Bild machen, um den Unfall später am Computer exakt berechnen und rekonstruieren zu können“, sagt er. So wie an diesem Montagmorgen Anfang März, als der 60-Jährige einen Anruf von der Staatsanwaltschaft in Memmingen erhält und zu dem tödlichen Crash auf der A 8 fahren soll.

Wann der Sachverständige zum Einsatz kommt

„Wir schalten in der Regel einen Sachverständigen ein, wenn Menschen schwer oder sogar tödlich verletzt wurden und wenn Dritte an dem Unfall beteiligt waren“, erklärt Oberstaatsanwalt Christoph Ebert. Bei reinen Sachschäden spiele die Schuldfrage für die staatlichen Ermittler zumeist keine Rolle – wohl aber für die Beteiligten und ihre Versicherungen, die oft um jeden Euro streiten. „Da zeigt sich schon die Neigung, in entsprechenden Verfahren schneller einen Gutachter einzubeziehen. Deswegen kommt es öfter mal zu gewissen Unstimmigkeiten“, sagt Ebert. Denn: Bestellt der Staatsanwalt den Sachverständigen, zahlt dessen Honorar auch der Staat. Wenn nicht, bleiben die Beteiligten auf den Kosten sitzen.

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Beim Unfall auf der A 8 ist die Frage, ob ein Experte zu Rate gezogen werden soll, schnell beantwortet. Zwei Tote, großer Schaden, unklare Ursache – Karl Gäßler macht sich sofort auf den Weg. Was ihn an der Unglücksstelle erwartet, weiß er nur im Groben. Dass ein Lkw ein Auto auf dem Pannenstreifen gerammt hat und zwei Menschen tot sind, wurde ihm am Telefon mitgeteilt. Dass Teile der Körper über die Fahrbahn verstreut liegen, sieht er erst, als er aus dem Auto aussteigt.

Würden andere bei diesem Anblick erschaudern, versucht Gäßler das auszublenden. Für ihn sei es nichts Ungewöhnliches, sagt er. Das gehöre zum Geschäft eines Unfallgutachters: „Auch wenn es hart klingt, so etwas darf ich nicht an mich heranlassen. Sonst hätte ich ein Problem.“

Die notwendige Distanz ist in seinem Beruf wichtig

In seinen ersten Berufsjahren fiel ihm diese Distanz noch nicht so leicht. Da habe er sich regelmäßig geweigert, Leichen zu nahe zu kommen und sie zu fotografieren. Das überließ er lieber den Polizisten am Unfallort. Doch irgendwann habe er sich nicht mehr davor drücken können – und gewöhnte sich an die Bilder. Menschliche Opfer sind für Gäßler seither ein Teil eines Unfalls, so wie ein kaputtes Auto oder Bremsspuren auf der Fahrbahn. Meist gelinge ihm diese Betrachtungsweise ganz gut, sagt er. Aber nicht immer.

Vor gut drei Jahren beispielsweise kam auch der erfahrene Unfallexperte an seine Grenzen. In einer Samstagnacht prallte in Dietenheim in Baden-Württemberg ein Auto gegen eine Hauswand. Vier Menschen im Alter zwischen 20 und 26 Jahren starben. Als Gäßler, der im benachbarten Illertissen wohnt, an der Unglücksstelle ankommt, sind die Leichen mit Tüchern abgedeckt. Unter den Opfern sind drei Männer und eine Frau. Da fährt dem Familienvater plötzlich der Schreck in die Glieder. Seine Tochter ist zu dieser Zeit auch regelmäßig im Nachtleben der Region unterwegs. „Ich habe einen Polizisten gebeten, nachzusehen, ob meine Tochter da unter dem Tuch liegt. Das konnte ich in dem Moment beim besten Willen nicht selbst tun“, erinnert sich Gäßler. Der Polizist gab Entwarnung – und der Sachverständige nahm erleichtert seine Arbeit auf.

Am Ende stellte sich heraus, dass der 22-jährige Fahrer betrunken und deutlich zu schnell durch eine gefährliche Kurve gerast war. War anfangs noch von einem illegalen Autorennen die Rede und der Tacho bei Tempo 150 stehen geblieben, fand Gutachter Gäßler dafür keine Spuren und errechnete auch eine deutlich geringere Geschwindigkeit. „Genau das ist es, was mich an Unfallstellen reizt: herauszufinden, was wirklich passiert ist.“

Seine Leidenschaft wurde bei einem persönlichen Erlebnis geweckt

Diese Leidenschaft wurde bei einem anderen persönlichen Erlebnis vor fast vier Jahrzehnten geweckt. Ein Lastwagen fuhr seine Schwester an, die auf dem Fahrrad unterwegs war. Sie wurde schwer verletzt. Ein Gutachter sollte den Fall klären – und machte dabei gravierende Fehler, wie der damalige Maschinenbaustudent Karl Gäßler befand. „Da war für mich klar, dass ich diesen Job machen möchte. Und zwar richtig. Heute weiß ich, dass der Kollege damals keinen Fehler gemacht hat.“

Die Suche nach der Wahrheit dauert für einen Unfallsachverständigen mal wenige Stunden, mal mehrere Wochen. Dann inspiziert er vor Ort oder sitzt am Rechner und tüftelt. Zu Hause oder wie jetzt in seinem Büro in einem tristen dreistöckigen Gebäude im Ulmer Westen. Im dunklen Gang mit den dunklen Holztüren und dem dunklen Boden spiegelt sich der innenarchitektonische Charme der 80er Jahre wider. In Gäßlers Büro, das er sich mit einem Kollegen teilt, stapeln sich die Akten. Für Ordnungssinn auf seinem Schreibtisch ist der Ingenieur bei der Dekra nicht unbedingt bekannt. Aber für seine akribische Detailarbeit, die manchmal einem Puzzlespiel ähnelt – im wahrsten Sinne des Wortes.

Nach einer Massenkarambolage auf der B 30 bei Ulm an Neujahr 2013, bei der drei Menschen starben und 13 verletzt wurden, spielte Gäßler „Auto-Tetris“. Mehrere Tage lang schob und hob er auf einem Schrottplatz mit Hilfe eines Krans die zwölf am Unfall beteiligten Fahrzeuge hin und her. Bis schließlich sämtliche Schäden zueinander passten und er nachweisen konnte, wer wie, wann und wo miteinander kollidiert war. Unter anderem seine Expertise führte schließlich dazu, dass ein Unternehmer aus dem Kreis Neu-Ulm wegen fahrlässiger Tötung zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt wurde.

Für Karl Gäßler ist es eine Frage der Berufsehre, stets ein objektives und auf Fakten beruhendes Gutachten zu erstellen. Nicht ohne Grund ist er einer von nur vier öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen für Straßenverkehrsunfälle im Großraum Ulm. In Bayerisch-Schwaben gibt es laut Industrie- und Handelskammer derer acht. Nichtsdestotrotz muss sich auch Gäßler regelmäßig für seine Expertisen rechtfertigen. Gerichtlich, wenn ein Angeklagter für seine Unschuld kämpft und ein Gegengutachten vorlegt, das zu einem anderen Schluss kommt. Aber auch privat.

Gäßler wurde mehrere Jahre lang bedroht

Mehrere Jahre lang, erzählt er, sei er von einem Mann verfolgt, bedroht und angeschwärzt worden, nachdem er den Fall eines Mädchens begutachtet hatte. Es war auf dem Fahrrad von einem Lastwagen erfasst und tödlich verletzt worden. Gäßler kam in seinem Gutachten zu dem Schluss, dass dem Brummifahrer keine Schuld nachzuweisen war. Der Vater des Mädchens sah das anders und ließ seine Wut über Jahre hinweg an dem Sachverständigen aus. „Das zehrt dann schon an den Nerven“, gibt Gäßler zu und ist froh, dass dieses Kapitel mittlerweile abgeschlossen ist.

Überhaupt ist der Sachverständige froh, dass sein Job nicht nur aus Leid und Tod besteht und die „Spürnase“ des Maschinenbau-Ingenieurs auch in anderen Bereichen gefragt ist. Als vor einigen Wochen das ehemalige Passagierschiff „MS Donau“ in Ulm in Schieflage geriet und in einer aufwendigen Rettungsaktion geborgen werden musste, war auch Gäßler im Einsatz. Oder als im Sommer vor zwei Jahren starker Regen eine Straßenbahn entgleisen ließ. „Für mich spielt es keine Rolle, ob sich ein Unfall auf der Straße, auf dem Gleis oder im Wasser ereignet. Zu analysieren gibt es überall etwas.“

Besonders gerne erinnert sich der 60-Jährige an einen Fall Ende der 90er Jahre. Auf der A 8 war gerade eine neuartige Geschwindigkeitsmessanlage namens „Esomat 2000“ aufgestellt worden. Als sich eines Tages ein geblitzter Brummifahrer gegen ein Bußgeld in Höhe von 80 Mark auflehnte und standhaft bestritt, zu schnell gefahren zu sein, kam Karl Gäßler ins Spiel. Seine Aufgabe war, herauszufinden, ob der neue Blitzer, der mit in der Fahrbahn verlegten Sensoren arbeitete, tatsächlich fehlerhaft ist.

Zu Testzwecken ließ Gäßler Teile einer Autobahn sperren

Zu diesem Zweck ließ der Mann unter anderem Teile der Autobahn sperren und Fahrzeuge in unterschiedlichen Geschwindigkeiten, Abständen und Reihenfolgen durch die Anlage fahren. Auch ein Schneeräumfahrzeug ließ er zu Testzwecken blitzen. Gäßler kam zu dem Schluss: Der „Esomat 2000“ hat unter gewissen Bedingungen zwar durchaus ein paar Macken – der Lastwagenfahrer war aber trotzdem zu schnell. Er musste die damals 80 Mark bezahlen. Ob dieser Betrag in einem gesunden Verhältnis zu den Gutachterkosten von rund 20 000 Mark stand, konnte Karl Gäßler egal sein: „Mir hat die Arbeit jedenfalls viel Spaß gemacht.“

Im Fall des tödlichen Unfalls auf der A 8 Anfang März kann von Spaß keine Rede sein. Doch auch hier hat sich der Gutachter auf die Suche nach sämtlichen sichtbaren Spuren gemacht – und auch den unsichtbaren. Als er auf der gesperrten Autobahn gerade im Gespräch mit einem Polizisten ist, entdeckt er auf der Fahrbahn plötzlich Bremsspuren. „Erst unter einer bestimmten Sonneneinstrahlung und aus einem bestimmten Winkel waren sie zu erkennen.“ Diese Spuren sind ein wichtiges Puzzleteil in seinem Gutachten. Darüber sprechen darf er auch drei Wochen später noch nicht. Laufende Ermittlungen. Doch Karl Gäßler ist zuversichtlich, dass er auch dieses Rätsel lösen wird.

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