Herbstkonzert in Dießen: Das Publikum bejubelt nicht nur Tenor Konstantin Igl
Im Marienmünster in Dießen genießen die Zuhörerinnen und Zuhörer das große Herbstkonzert. Dabei spielen auch die aktuellen Kriegsgeschehnisse in der Welt eine Rolle.
Im mit herbstlichen Sonnenstrahlen geküssten Marienmünster saß die humorvolle Begrüßung von Annette Rießner: „500 Musiker, das verfehlen wir heute nur knapp“, sagte die Sprecherin der Freunde der Dießener Münsterkonzerte. Denn so viele Mitwirkende habe die Uraufführung von Mendelssohn-Bartholdys „Lobgesang“ anno 1840 in Leipzig gehabt. Für die Darbietung der „sinfonischen Kantate“ am Ammersee konnte man immerhin rund 100 Aktive überschlagen: etwa 30 im Klangkörper, dazu rund 70 Sänger aus zwei Chören nebst drei Gesangssolisten.
Nicht umsonst wies Rießner auf den Zwittercharakter zwischen Chor- und Orchesterwerk hin, denn gleich bekamen die Instrumentalisten weiten Raum für ihr Vorspiel, das gut ein Drittel der Aufführungszeit in Beschlag nahm – und dies überaus sorgsam und lebendig, denn das „Ensemble Lodron“ fand mit seiner exakten Ausführung zu einer mustergültigen Anmut in der fast 30-minütigen Passage, die auch den Titel „Ouvertüre“ hätte tragen können. Während der feierlich-sakrale Charakter, getragen auch von Bläsern und Pauke, teils deutlich war, überraschte doch auch eine Passage mit einer leichten Anmutung von Walzer, die aus schmeichelnden Holzbläsern und feinen Streicher-Pizzicati entstieg.
Gelungene Kombination des Dießener Münster-Projektchors mit dem Kirchenchor Schondorf
Nach diesem ob seiner Frische überraschend kurz wirkenden Instrumental-Vorspiel war der Einstieg der Sänger genauso gelungen. Klar und dynamisch modulierten die kombinierten Ensembles aus Münster-Projektchor und Kirchenchor Schondorf. Deutlich und unaufgeregt artikulierte hierzu Tenor Konstantin Igl, während unter den Sopranistinnen Bettina Gfeller und Danielle Zuber der anfangs übergroße Abstand der Stimmhöhen etwas irritierte. Überdies waren die recht weit hinten zugewiesenen Positionen mindestens ein optischer Nachteil für die Solo-Sänger, die man kaum noch aus dem Chor heraus kannte.
Zu einem Höhepunkt wurde der dringlich wiederholte Ruf des Tenors „Hüter, ist die Nacht bald hin?“, was Konstantin Igl mit jeder Zeile in neue Abstufungen von Verzweiflung kleidete, bis der Chor den aufgehenden Tag bejubeln konnte: Ein Klangbad, dessen Schönheit vom Orchester mit strahlenden Fanfaren assistiert wurde.
Zugabe beim Herbstkonzert im Marienmünster in Dießen nimmt Bezug auf die Kriegslage
Somit entfaltete sich vor den gut besetzten, jedoch nicht übervollen Reihen – gleichzeitig konkurrierte die Musikschule um Zuhörer – ein etwas entschlacktes Kirchenmusikstück, das durchaus leichte Opernbezüge aufwies, wobei in der bejammerten Nacht ein mystischer Beiklang aufschien, der den 25 Jahre später erfundenen Tristan-Akkord Wagners beinahe schon vorwegnahm. Solche Feinheiten hörbar zu machen war ein Verdienst vom „Ensemble Lodron“.
Reich differenzierte Staffelungen im dynamisch-agilen Schlusschor, dazu die nunmehr sehr umgängliche Paarung der Solistenstimmen – „so ruf’ ich deinen Namen an“ – da wollte sich schon brausender Applaus erheben, als der musikalische Gesamtleiter Stephan Ronkov zur Ruhe mahnte. Wegen der vielen Kriegsakte dieser Tage hätten sich die Musiker einvernehmlich zu einer anlassbezogenen Zugabe entschieden, und so erklang – originär im Stile eines schlichten Kirchenliedes – „Verleih uns Frieden gnädiglich“. Auch dieses Orchesterwerk stamme von Mendelssohn, gehe aber zurück auf eine frühere Fassung aus dem 30-jährigen Krieg, sagte Ronkov nachdenklich. Mit einiger Ergriffenheit lauschte das Publikum der leisen Gestimmtheit, die fein von Instrumenten und Vokalisten her hinaufwuchs, ohne jemals in die Üppigkeit des vorigen Stücks zurückzukehren. Ein sehr rundes Konzert, und viel Beifall.
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