Bühne frei für die Maiwichtel in Baiershofen
„Das ganze Dorf ein Theater“ lautet diesmal das Motto des aufwendigen Freinachtscherzes in Baiershofen. Mehr als 40 Schilder und Installationen zieren den Ort.
Autos, die im Schritttempo durchs Dorf fahren, Menschen, die mit einer Handvoll DIN-A4-Blätter in der einen und dem Smartphone in der anderen Hand durchs Dorf streifen und immer wieder Gartenzäune fotografieren: Das ist alle Jahre im Mai ein vertrautes Bild in Baiershofen, denn seit mehr als einem Jahrzehnt treiben in der Freinacht die Maiwichtel ihr Unwesen. Statt Rasierschaum auf Straßenschilder zu sprühen und Autos mit Toilettenpapier einzuwickeln, lassen sie sich aber traditionell etwas ganz Besonderes einfallen, um ihre Mitbürger ein wenig auf die Schippe zu nehmen.
Das Thema für die Maischerze in Baiershofen steht schon lange fest
Schon Anfang des Jahres wird ein Thema festgelegt, zu dem die Maiwichtel Tafeln mit beziehungsreichen Texten gestalten, die sie in der Nacht zum 1. Mai an Zäunen anbringen oder im Boden verankern. Zusätzlich gibt es stets einige Installationen auf dem Dorfanger. Mal wurde Baiershofen zum gallischen Dorf von Asterix und Obelix, mal zum Eurovisionsort oder zu einem Zentrum für Film und Fernsehen.
In diesem Jahr bezieht sich die anonyme Gruppe unter dem Motto „Das ganze Dorf ein Theater“ auf Stücke, die das Ensemble des SV Baiershofen in den vergangenen Jahrzehnten aufgeführt hat oder in Zukunft noch inszenieren könnte, und verarbeitet die echten und fiktiven Titel zu allerlei Anspielungen auf Eigenheiten der Verulkten. Manche davon dürften sich nur den Dorfbewohnern selbst erschließen.
Die Maiwichtel greifen tief ins Archiv der Theatergruppe
Dabei greift die Gruppe ganz tief ins Archiv: „Ferien auf dem Bauernhof“, Titel einer Komödie aus dem Jahr 1987, bietet gemäß Schild ein Haus am Dorfanger an. Auf den Informationsblättern der Maiwichtel, die stets am Ortseingang zum Mitnehmen bereitliegen, wird das Urlaubsangebot erläutert: „Wer sein eigenes Ich sucht, darf mit dem Schneebesen Gülle rühren. Wer seine Schnelligkeit beweisen will, kann jeden Abend Hühner fangen und in den Stall bringen.“ Ein Mitbürger bekommt nach dem Stück von 1992 den Titel „Der Saisongockel“. Vor anderen Häusern hängen Schilder mit der Aufschrift „A Äffle für da Franz“ (Theaterstück von 1993), „Onkel rebelliert im Pflegeheim“ (2014), „Klosterfrau Narzissengeist“ (2012) oder „Pension Hollywood“ (2008).
Weitere Idee für Inszenierungen in Baiershofen gibt es auch schon
Aber auch für künftige Inszenierungen haben die Maiwichtel allerlei Vorschläge. Direkt neben dem großen Dorfmaibaum haben die Kinder des Ortes einen kleinen Maibaum geschmückt, neben dem nun zum Thema „Kasperle und die 120 Gartenzwerge“ ein Kasperltheater und ein Wagen mit laminierten Gartenzwergbildern samt einer Fototafel stehen, an der man sich selbst als Gartenzwerg fotografieren lassen kann. Auf dem Schild „D‘r Sperrmüll-Baron“ erklären die Christbäume von 1909 und 1981 sowie die Ausgaben der Augsburger Allgemeinen von 1900 bis 2024 den Titel. Am Weg nach Violau lockt „Der geheime Garten Eden“, während an der Durchfahrtsstraße „Das deutsche Kettensägenmassaker“ droht.
Einige der Schilder sind liebevoll mit kleinen Details verziert: Keramikschweinchen bei „Schweinekram und Bio-Wahn“ und Zuckerratten beim „Rattenfänger von Baiershofen“ zum Beispiel.
Auch Pfarrer Thomas Pfefferer wird nicht verschont
Auch Pfarrer Thomas Pfefferer bleibt nicht vom Mai-Ulk verschont: Um mehr Menschen in die Gottesdienste zu locken, verspricht ein Wegweiser neben der Kirche den siebten Himmel. Ein weiteres Schild „Ein heißes Jubiläum – 50 Jahre Passion“ kündigt das Ereignis des Jahres an: das 50-Jahr-Jubiläum des SV Baiershofen Ende Juli. Im Infoblatt heißt es dazu: „Dabei werden keine Männer mit Bärten gesucht, sondern durchtrainierte Hochleistungssportler, die sich voll und ganz für den Verein ins Zeug legen.“
In der St.-Leonhard-Straße haben sich einige Nachbarn unter einem eigenen Siedlungsmaibaum bei kühlen Getränken hinter dem Schild „Das Haus der 1000 Türen“ versammelt. Warum eigentlich tausend Türen? „Na, der Hausherr heißt Tausend“, erklären die Feiernden, und zitieren das Infoblatt: „Seine Lieblingstür ist die Kühlschranktür in seiner Garage. Dahinter verbergen sich tausend kühle Hopfenkaltschalen.“ Leo Schmid war im vergangenen Jahr ein Erotikmuseum angedichtet worden. Auch in diesem Jahr widmen ihm die Maiwichtel eine leicht frivole Installation unter dem Titel „Der Saunagockel und Aufguss in der Witwensauna“. Wer hinter dem Maischerz steckt, bleibt wie immer höchst geheim. Nur die Identität eines Maiwichtels wird gelüftet: In ihrem Infoblatt gedenkt die Gruppe ihres 2023 verstorbenen Mitstreiters Roland Rolle.
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