Flügel für die Fantasie
Das Symphonieorchester Stadtbergen bietet in seinem Frühlingskonzert mit vielen musikalischen Raritäten ein Erlebnis. Viel Applaus für Dirigentin und Orchester am Schluss.
Der April zeigte sich wieder von der kühlen Seite, doch das Symphonieorchester Stadtbergen erwärmte mit seinem Frühjahrskonzert unter der Leitung von Irene Anda umso mehr das Publikum. Auf dem Programm standen vorwiegend Raritäten und Kostbarkeiten selten gehörter Musik – ein mutiges Programm, das im Bürgersaal bestens ankam. Die Moderation von Bratschist Norbert Schwarzer sorgte mit Informationen und teils skurril-humorvollen Anekdoten über Komponisten und Entstehung der Werke für einen lebendigen Rahmen.
Eingeleitet wurde der Abend von zwei Großen der Wiener Klassik. Franz Schuberts Militärmarsch Nr. 1 geht ins Ohr mit seiner gar nicht so martialischen Pose, schafft eher gemütliches Heurigen-Feeling. Über die flotte Darbietung freute sich das Publikum. Es folgte Beethovens Egmont-Ouvertüre. Das Stück ist Teil einer Bühnenmusik zu Goethes Trauerspiel, die damals nicht rechtzeitig fertig wurde. Doch es lebt trotzdem und wurde so auch vom Orchester in seinen Kontrasten attraktiv aufgeführt.
Das Symphonieorchester Stadtbergen reist musikalisch nach Norden
Die musikalische Reise – Motto: „Flügel für die Fantasie“ – nahm nun Fahrt auf in andere geografische Räume, zuerst nach Norden. Der finnische Meister Jean Sibelius, bekannt durch sein Violinkonzert, seine Symphonien, war mit einem „Frühlingslied“ zu hören. Die Orchesterfassung ist nicht einspuriges romantisch-freundliches Lauschen, sondern beschreibt einen von spannenden Harmoniewechseln gefärbten dramatischen Weg, der den eigenen nationalen Musikausdruck sucht. Auch Edvard Grieg, der norwegische Landsmann von Irene Anda, verbindet Quellen der Volksmusik mit symphonischem Anspruch, den er, wie Sibelius, in Deutschland studierte. Sein „Hochzeitstag auf Troldhaugen“ (Hügel der Trolle) ist aber eine köstlich-frische Szene und wurde so auch dargeboten.
Nach der Pause ging es in wieder andere Gefilde, England, Frankreich waren angesagt. Auch diesem Programmteil ging die Wiener Klassik voran, doch im Mantel einer kecken neuen Sichtweise. Der Russe Sergej Prokofiev zitiert in der „Klassischen Sinfonie“ die Bewegungs- und Themenmuster hauptsächlich Joseph Haydns, nicht ohne Humor, doch mit Respekt. Das große Tempo, mit dem dieses Brauvor-Stück auf den Tonträgern zu hören ist, bringt das Stadtberger Orchester nicht auf die Bühne, doch erstaunlicherweise wird in der langsameren Weise mehr vom Sarkasmus Prokofievs hörbar.
Rätselhafte Enigma-Variationen auf der Bühne
Edward Elgar, der autodidakte Engländer, hat mit „Pomp and Circumstance“ nationales Kulturgut geschaffen, doch lohnen auch die stimmungsvollen Naturbilder („Chanson de nuit“ und „Chanson de matin“) das Zuhören ebenso wie „Nimrod“ aus den rätselhaften Enigma-Variationen. Und Fritz Delius, deutschstämmiger Brite aus York, imponierte sogar Richard Strauss mit seinen impressionistischen Szenen „On hearing the 1st Cookoo in Sping“ und „Summer Night on the River“. Zum Schluss wurde er köstlich drastisch: „March and Procession of Bacchus“ des französischen Ballettmusik-Genies Léo Delibes war der fetzig musizierte „Rausschmeißer“. Irene Anda und ihr Orchester wurden zu Recht heftig applaudiert.
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