Corona: Bayerische Brauereien leiden unter Umsatzeinbußen
Die Corona-Krise bedeutet für die mehr als 600 bayerischen Brauer erhebliche Umsatzeinbußen. Besonders kleine Brauereien mit eigenem Ausschank sind bedroht.
Werner Scharpf sitzt mutterseelenallein in seinem Gasthof im fränkischen Seßlach. Dort wo sich normalerweise Dorfbewohner auf ein Feierabendbier treffen, herrscht jetzt gähnende Leere. Scharpf ist gleich dreifach von der Corona-Krise getroffen. Seine Kleinbrauerei stellt ihr Fassbier zum großen Teil für den Ausschank in der Gaststätte her - und die ist zu. Partys finden genauso wenig statt wie öffentliche Feste.
Scharpf betreibt eine von 626 Brauereien in Bayern, 90 Prozent davon kleine Familienbetriebe mit einem Jahresausstoß von weniger als 30.000 Hektolitern. Seit 105 Jahren ist die Brauerei Scharpf im Besitz seiner Familie - eine jener Braustätten mit gerade einmal 1000 Hektolitern Ausstoß pro Jahr, die jahrzehntelang ein Schattendasein fristeten, inzwischen aber vom allgemeinen Landbierboom profitieren.
Corona: Kleine Brauereien leiden unter Einbruch beim Fassbier
Normalerweise kommen die Arbeiter zur Mittagspause oder nach Feierabend in seinen Gasthof, machen Brotzeit und trinken ein Bier dazu. Junge Leute holen sich die Partyfässer, auf dem Tanzboden wird das Bier genauso getrunken wie zur Kirchweih. In den nahen Städten Coburg und Lichtenfels beliefert Scharpf drei weitere Gaststätten mit seinem bernsteinfarbenen Märzen - normalerweise.
"Der Hauptumsatz ist weggebrochen", sagt der 52-Jährige. Seine Ehefrau, die - eigentlich - in Gaststube und Brauerei mitarbeitet, hat er in Kurzarbeit geschickt. Sie ist jetzt Hilfs-Lehrerin für die drei Kinder.
Scharpf macht 80 bis 90 Prozent Bier vom Fass. Damit ist er besonders von der Corona-Krise getroffen. Wer Flaschenbier verkauft, hat wenigstens noch den Supermarkt als Absatzquelle. Ein kleiner Trost: Seit einiger Zeit bietet die Brauerei so genannte "Maurerflaschen" an - Fassbier in Ein-Liter-Flaschen mit Schnappverschluss. "Die Leute kommen und holen ihren Sechser-Träger bei uns ab" - eine Art aus der Not geborenes Walk-In-System im 450-Seelen-Dorf.
"Wir leben gegenwärtig von der Substanz", sagt Scharpf. Entscheidend sei, wie lange die Krise andauere. "Vier bis sechs Wochen hält ein gesunder Betrieb schon durch - dann ist es nicht schlimmer als lange Betriebsferien", sagt der Brauer. Doch ab Mai steht das Biergartengeschäft an, viele Dorf- und Sportfeste in der Gegend bauen normalerweise auf sein Bier.
Brauerverband empfiehlt Umstellung auf Flaschenabfüllung
Das Schicksal verbindet ihn mit anderen regionalen Brauereien, der Bamberger Mahrs-Bräu zum Beispiel: Die Traditionsbrauerei - mit einem Jahresausstoß von 23.000 Hektolitern noch immer eine der Kleinen, wenn auch ungleich größer als Scharpf - sollte eigentlich unter anderem die Erlanger Bergkirchweih versorgen. Ein rauschendes Volksfest, bei dem der Gerstensaft in Strömen erst in die steinernen Maßkrüge und dann in die Kehlen von Einheimischen, Studierenden und Besuchern fließt.
"Wenn die Feste ausfallen, wird das ein Loch reißen", sagt Georg Rittmayer, Präsident des Verbandes der privaten Brauereien in Bayern. Jetzt sei Kreativität gefragt - etwa das Umstellen auf Flaschenabfüllung. Doch das ist nicht unbedingt ein Allheilmittel.
Der Bayerische Brauerbund, Standesvertretung eher für die größeren und mittelständischen Brauereien, hat in einer Schnellumfrage ermittelt, dass auch der Flaschenverkauf rückläufig ist. "Wir befürchten, dass in den kommenden Wochen Gastronomen, aber auch Brauereien den Kampf ums Überleben verlieren werden", erklärt Lothar Ebbertz, Hauptgeschäftsführer des Bayerischen Brauerbundes.
Für Stefan Krug in Strullendorf trifft das nicht zu. "Die Brauerei war eigentlich schon zu, weil ein Pächter abgesprungen ist." Krug hat die Geschicke rasch wieder in die eigenen Hände genommen und das restliche Bier im Keller in Flaschen gefüllt - alles ist verkauft, die Kunden rissen es ihm förmlich aus den Händen. Den Sudkessel in seiner Dorfbrauerei schürft er wieder an, wenn die Krise vorbei ist.
Überwiegende Zahl der Privatbrauereien rechnen mit Kurzarbeit
Der Deutsche Brauer-Bund hat unlängst eine Befragung unter seinen Mitgliedern gestartet. 87 Prozent der Betriebe rechnen damit, dass sie ihre Mitarbeiter in Kurzarbeit schicken müssen, 18 Prozent gehen sogar von Entlassungen aus. Dass die Krise für Umsatzlöcher sorgen wird, darüber sind sich fast 100 Prozent der Brauereien einig.
Bayerns Kleinbrauer-Präsident Rittmayer hält die Situation dennoch für nicht existenzbedrohend für die meisten seiner über 500 Betriebe. "Eine gesunde Brauerei kann das ein paar Wochen durchstehen", sagt er. Rittmayer kommt aus der Gemeinde Hallerndorf bei Forchheim - in dem 4000-Einwohner-Ort betreibt er eine von sieben Brauereien.
Wichtig wäre es, dass die Biergartensaison starten und zumindest ein Teil des Umsatzverlustes wieder aufgegangen werden kann. Rittmayer ist sich sicher, dass die bayerischen Zecher einen gewissen Nachholbedarf haben werden. "Wenn die Biergärten aufmachen, dann müssen wir Platzkarten vergeben", sagt er scherzhaft. (dpa/lby)
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