Dreizehn Mütter versorgen ein Dorf
Dreizehn Mütter betreiben in ihrem Dorf einen Gemeinschaftsladen. Damit haben die Wolferstädter ihre Versorgung selbst in die Hand genommen.
Ungeduldig wartet Sieglinde K. vor dem Laden. Der leere Korb hängt über ihrem Arm, das dicke Portemonnaie hält sie in der Hand. Ihre blau gepunktete Kittelschürze hat sie nicht gewechselt, schließlich geht es nach dem Einkaufen gleich wieder an die Hausarbeit. Die Rollos werden hochgezogen, die Türe öffnet sich automatisch, die Einkaufswagen stehen in Reih und Glied, alles wie in einem normalen Supermarkt. Doch hier im Dorfladen Wolferstadt (Landkreis Donau-Ries) läuft alles anders.
Es gibt keinen Chef, dafür aber 271 Gesellschafter und der Jahresbericht liegt zum Mitnehmen an der Kasse aus. Ingrid Schneid flitzt in ihrem weißen Kittel zwischen Obststand, Kasse und Lager hin und her. Wir arbeiten hier zu Dreizehnt. Nur zwei Frauen sind gelernte Verkäuferinnen, die anderen sind Mütter, die zu Hause sind, so wie ich.
150 mutige Wolferstädter wurden vor elf Jahren Unternehmer. Schneid kennt fast jeden Kunden. Auch Sieglinde K. ist ein bekanntes Gesicht. Hier gibt es alles, was ich brauche. Brot und Wurst will ich immer frisch zu Hause haben.
Schulhefte, Wäscheklammern, Fertigpizza, Mausefallen, Kaffee, Spagetti: Die Regale sind prall gefüllt. Nirgends eine Lücke, denn jeder soll das bekommen, was sein Herz begehrt. Das ausliegende Wunschheft ist der Schlüssel zu den Kundebegehren. Mascarpone fehlte Inge Baumann für ihren Kuchen. Mittlerweile hat der Käse seinen festen Platz im Kühlregal. Fremde Supermärkte betritt Baumann nur, wenn sie sowieso zu einem Bummel in der 30 Kilometer entfernten Stadt ist. Der Dorfladen ist mehr als ein Geschäft, er ist ein Gemeinschaftsprojekt. Das nimmt bisweilen bizarre Züge an. Wenn ich woanders etwas einkaufe, habe ich ein schlechtes Gewissen, erzählt Baumann.
Der Dorfladen ist die Wolferstädter Erfolgsstory. Vor zwölf Jahren schloss das letzte Geschäft seine Pforten, den Bewohnern wurde der Verlust schmerzlich bewusst. Ein Jahr später machten sich 150 mutige Wolferstädter auf, um Unternehmer zu werden, Teilnahmebedingung: 250 Mark. Dieses Geld war gut angelegt, der Laden schreibt seit damals schwarze Zahlen. Jährliche Einkaufsgutscheine versüßen den Gesellschaftern die Teilhabe und kurbeln das Geschäft weiter an. Mein Geld ist gut angelegt, besser als im Aktiendepot, sagt Schneid.
Und das ist nicht der einzige Vorteil. In ihrem 1100-Seelen-Dorf haben sie neue Jobs geschaffen. Inge Stark weiß es zu schätzen, im Heimatort zu arbeiten. Vorher waren die Unkosten fast höher als das, was ich am Monatsende nach Hause brachte. Nun radelt sie zur Arbeit und hat für ihre Kinder auch mehr Zeit. Alle Frauen arbeiten auf 400-Euro-Basis - Auch ein Teil des Erfolgs, wie Geschäftsführer Andreas Eigenmann meint. So können die Personalkosten niedrig gehalten werden und die Preise auch. Unsere Preise sind wie bei Edeka. Zucker, Mehl und Milch kosten so viel wie im Discounter.
Dennoch kann der Dorfladen mit Discountern, die von 8 bis 20 Uhr öffnen, nicht konkurrieren. Das ist auch nicht nötig. Das Zusammengehöriggefühl treibt die Kunden in den Laden, ihre Selbstversorgung wollen sie nicht mehr aus der Hand geben.
Die Eingangstür schwingt auf und zu. André und Anna-Lena stürmen zur Tür hinein, hinter ihnen schlendert ein älterer Mann in Feinrippunterhemd und Sandalen. Vor dem Süßigkeitenregal scharwenzeln die Schleckermäuler. Sonst kommen wir immer mit der Oma, erzählt die 8-Jährige. Dieses Mal hat die Oma Taschengeld spendiert. Das wollen sie nun gut angelegen. Schon die Jüngsten schätzen den Dorfladen, denn dort können sie gefahrlos selbst einkaufen.
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