Erst der A8-Ausbau, jetzt eine Brücke für die Tiere
Die sechsspurig ausgebaute A8 können Rehe, Sauen und die Wildkatze wegen des Schutzzaunes nicht mehr überqueren. Zwei neue Bauwerke sollen ihnen nun den Weg weisen.
Vielleicht wird auch einmal die scheue Wildkatze die neue Grünbrücke über die A8 bei Adelsried (Kreis Augsburg) nutzen. Das mehrere Millionen teure Bauwerk ist nämlich speziell für wild lebende Tiere gedacht. Denn ohne Überquerungshilfe ist die sechsspurig ausgebaute Autobahn, die Ende September offiziell für den Verkehr freigegeben wird, für sie unüberwindbar. Die ganze Strecke säumen massive Wildschutzzäune. Sie dienen der Verkehrssicherheit und sollen Unfälle mit Rehen und Wildschweinen verhindern.
2014 waren es nach Angaben der Autobahnpolizei von Augsburg bis Jettingen-Scheppach (Kreis Günzburg) 14 Zusammenstöße, bis Juli dieses Jahres sechs. Auf der seit einiger Zeit fertigen Neubaustrecke Richtung München gibt es dagegen fast keine Wildunfälle mehr, sagt Hubert Droste, Leiter des Betriebs Zusmarshausen des Waldunternehmens Bayerische Staatsforsten. In seinem Zuständigkeitsbereich gibt es noch eine weitere Brücke im Scheppacher Forst.
Die Grünbrücke ist an der schmalsten Stelle über der A8 etwa 50 Meter breit und 100 Meter lang. Flache Rampen führen über in den Wald und dehnen sich in der Fläche aus. Die Brücke verbindet zwei Staatswaldbereiche, die seit Jahrzehnten durch die Autobahn zerschnitten sind. Es gab schon bislang eine Betonbrücke, die aber nur für den forstlichen Verkehr, Spaziergänger und Radler frei war. Auch künftig wird es einen Forstweg geben. Er wird wie üblich bis zu vier Meter breit sein. Der Rest gehört den Tieren.
Droste ist gespannt, wer alles die Passage nutzen wird. Vermutlich nicht nur Rehe und Wildschweine, sondern auch Füchse, Dachse, Marder und eben auch die Wildkatze, die in der Region wieder aufgetaucht ist. Er fände es interessant, wenn das Projekt „Grünbrücke“ vom Landesamt für Umwelt in Augsburg mit Fotofallen wissenschaftlich begleitet würde. Zu erwarten ist seiner Meinung nach auch, dass durch die Wanderaktivitäten ein genetischer Austausch zwischen isolierten Populationen stattfindet. Nordrhein-Westfalen hat Erfahrungen damit.
Jagdfreie Zone
Zur Autobahn hin wird auf beiden Seiten der Grünbrücke ein zwei Meter hoher sogenannter Irritationsschutzzaun aus Holz errichtet. Beim nächtlichen Wildwechsel sollen die Tiere vom Scheinwerferlicht der Fahrzeuge abgeschirmt sein. Dahinter wird eine dornenreiche Hecke gepflanzt. In der Kombination Forstweg und Wildwechsel sieht Georg Dinger, Landschaftsarchitekt beim Augsburger Büro Eger & Partner, kein Problem. In der Nacht gibt es keinen forstlichen Verkehr, auch sind keine Radler unterwegs. Große Säugetiere und Amphibien können im Dunkeln also ungestört die Brücke überqueren. Und Droste stellt klar: Sie ist eine jagdfreie Zone.
Bevor die Brücke begrünt wird, muss eine spezielle Erde auf dem Beton aufgebracht werden. Humus, Schotter und Sand müssen die richtige Mischung haben. „Es ist ein Extremstandort“, sagt Dinger. Heiß und trocken. Das vorgesehene Vegetationsspektrum ist groß. Es wird ein Landschaftsrasen gesät für magere Gras- und Krautflächen, die pflegeleicht sind. Dazu kommen Samenmischungen für Wiesenflächen und den Waldsaum. Es gibt Gehölze. Ein Feuchtbiotop ist bereits angelegt und eingewachsen.
Der Ausbau als Chance für den Artenschutz
Der Ausbau der Autobahn ist auch eine Chance für den Artenschutz, sagt Dinger. Vor Jahrzehnten zerschnittene Lebensräume und zerstörte Wanderstrukturen werden wieder vernetzt, wenn man die entsprechenden Strukturen schafft. „Man kann das ansatzweise korrigieren.“ Dazu will auch Droste einen Beitrag leisten. Über das Graben- und Bachsystem im Staatswald – ergänzt durch Feuchtbiotope – sollen Biotopachsen entstehen oder reaktiviert werden. An ihnen können sich die Tiere orientieren und zur Grünbrücke finden.
Der Forstbetrieb hat durch die Verbreiterung der A8 rund 40 Hektar Wald verloren, zehn bis 20 Meter breite Streifen mussten gerodet werden. Aus der Not macht er eine Tugend. „Auf der 15 Kilometer langen Strecke forcieren wir den Waldumbau“, sagt Droste. Es wurde viel in die Waldrandgestaltung investiert. Es wurden Laubbaumarten wie Flatterulme, Elsbeere, Hainbuche, Berg- und Spitzahorn gepflanzt, aber auch Sträucher wie Weißdorn und Schneeball. Wo früher das Bild von der Fichte geprägt war, wird es ein Farbenspiel geben.
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