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Kreis Lindau
28.11.2017

Krebs und keiner hilft: Wie ein junger Allgäuer durch alle Raster fiel

Inzwischen blickt Tobias Blankenburg wieder optimistischer in die Zukunft. Doch der 23-Jährige hat schwere Zeiten hinter sich.
Foto: Ralf Lienert

Tobias Blankenburg weiß, was er im Leben will. Dafür ist der Scheidegger bereit, seinen Job zu kündigen. Ein großer Fehler: Denn plötzlich lässt ihn das Sozialsystem im Stich.

Lotto gespielt hat er schon öfter. Vielleicht, sagt er sich immer wieder, vielleicht hat er ja genauso viel Glück, wie er Pech gehabt hat. Die Chancen, mit sechs Richtigen samt Zusatzzahl zu gewinnen, stehen eins zu 140 Millionen. Die Chancen, an Langerhans-Zell-Histiozytose zu erkranken, ungefähr eins zu zwei Millionen. Beides ziemlich unwahrscheinlich. Tobias Blankenburg aber ist dieser eine unter zwei Millionen jungen Menschen, bei dem die Krankheit ausgebrochen ist – gutartige, aber aggressive Tumore im Körper, die Knochen und Organe angreifen. Ein Schicksalsschlag, der dem damals 22-Jährigen nicht nur eine Odyssee durch Arztpraxen und Krankenhäuser bescherte. Er führte ihn auch von einem Amt ins nächste, ein Irrweg durch Behörden, der zeigt: Das Sozialsystem fängt nicht jeden auf.

Es war vor etwas mehr als einem Jahr. Tobias Blankenburg, Abitur, abgeschlossene Ausbildung, aus Scheidegg im Kreis Lindau, hatte einen Plan fürs Leben. Nach seiner Banklehre wollte er sich zum Barkeeper ausbilden lassen, bevor es weiter an die Uni gehen sollte. Drinks mixen statt Bilanzen prüfen. New York statt Landleben. Und dafür schuftete er. Für einen Trip in die US-Metropole und einen Kurs an einer Barkeeperschule sollte erst einmal der Geldbeutel gefüllt sein. So jobbte Blankenburg an einer Tankstelle unweit seines Wohnorts. Dann nahm alles seinen Lauf.

Das Brennen im Bein spürt er immer häufiger

„Immer häufiger merkte ich, dass ich unter extremen Schmerzen litt, von der Hüfte an durch das ganze linke Bein“, erzählt der schlanke Mann, streicht mit der linken Hand über die Jeans, den Oberschenkel entlang. Nicht, um seine Worte zu bestärken. Er kann nicht anders. Jedes Mal, wenn er an dieses Jahr denkt, kommt die Erinnerung an die Schmerzen. Ein Brennen, unerträglich, immer wieder, immer öfter.

Zunächst dachte er an nichts Schlimmes: Er war jung, fit, hatte nie große Beschwerden. Vielleicht stand er falsch, vielleicht hatte er sich etwas gezerrt, vermutete er. Doch Schmerzmittel halfen nichts. Die Sorge wuchs. Der Hausarzt prüfte zunächst das Naheliegende: ein eingeklemmter Muskel oder Nerv. Er schickte den Scheidegger zur Physiotherapie. „Aber das verschlimmerte das Ganze noch.“

Tobias Blankenburg vor seinem Elternhaus in Scheidegg.
Foto: Ralf Lienert

Noch heute verzieht Blankenburg das Gesicht, wenn er an diese Zeit denkt. Seine Augen hinter der schwarzen Brille folgen den Linien der Holzmaserung auf dem Tisch. In Gedanken sitzt er nicht mehr in dem alten Bauernhaus, dessen Decke gerade so hoch ist, dass er aufrecht stehen kann. Er sieht sich wieder auf einer Untersuchungsliege, der Geruch von Desinfektionsmittel in der Luft, das Rascheln der Papierauflage unter seinem Rücken, das in Rechtecke aufgeteilte Licht der Röntgenmaschine auf seinem Körper. Kurz umklammern seine Finger die Tasse vor ihm. Dann atmet der heute 23-Jährige durch, blickt auf, lächelt entschuldigend, erzählt weiter.

Die Schmerzen waren kaum mehr auszuhalten. Kaum eine Nacht konnte er durchschlafen, kaum einen Tag blieb er verschont. Der Hausarzt schickte ihn ins Krankenhaus. Es folgte ein Röntgenbild, ein Diagnoseverfahren, ein Facharzt nach dem anderen. „Ich mache den Ärzten keine Vorwürfe. Meine Krankheit ist so selten, dass die Erfahrungswerte fehlten. Wer dachte schon daran, was da alles rauskommen sollte?“ Blankenburg ahnte allerdings nicht, was noch folgen würde: unzählige Behördengänge, gefühlte tausend Telefonate – neben Klinikbesuchen, Operation, Bestrahlung, Reha.

Dann passiert das, was viele später seinen großen Fehler nennen

Sein Ziel aber blieb bestehen, trotz all der Schmerzen. Die Bewerbung zum Barkeeperkurs war erfolgreich, der Flug nach New York gebucht, das Geld für den großen Traum beisammen. Und dann machte Blankenburg das, was in der Rückschau viele als großen Fehler bezeichnen: Er kündigte seinen Job an der Tankstelle. „Klar, die Arbeit machte mir Freude. Aber ich hatte doch meinen Plan.“ Sein Chef hatte Verständnis für den Schritt. Blankenburg zuckt mit den Schultern: „Es wär mir nie in den Sinn gekommen, mich krankschreiben zu lassen und weiter angestellt zu bleiben.“

Zwei Wochen vor dem geplanten Trip 2016 zeigte sich, dass daraus nichts wird. Die Schmerzen zu groß, die Schmerztherapie erfolglos. Gleich nach der Kündigung hatte er sich arbeitslos gemeldet. Wie jeder Bundesbürger war er dazu verpflichtet, hielt sich an die Vorschriften. Wie jeder junge Mann brauchte er aber auch Geld. Er wohnte zwar noch daheim, die Familie stand ihm zur Seite. „Aber man will doch nicht immer den Eltern auf der Tasche liegen.“ Weil er selbst gekündigt hatte, musste Blankenburg drei Monate warten, bis er Anspruch auf Arbeitslosengeld hatte. Doch das kam nie.

„Tobias Blankenburg war krankgeschrieben. Er stand dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung“, erklärt Reinhold Huber, Pressesprecher des zuständigen Arbeitsamts. Für die Behörde war die Sachlage klar: arbeitsunfähig, kein Jahr lang beitragspflichtig gearbeitet, kein Anspruch. Im Nachhinein sagt Huber, dass es für Blankenburg „alles andere als gut gelaufen ist“. Doch das Amt musste nach den Fakten entscheiden. Weil Blankenburg arbeitsunfähig war, schickte man ihn zur Krankenkasse. „Man sagte mir, dass nicht das Arbeitsamt, sondern die DAK für mich zuständig sei.“

Die Krankenkasse sagt, er sei die „Ausnahme, die sehr, sehr selten vorkommt“

Nur: Um Krankengeld beziehen zu können, muss man auch berechtigt sein. „Tobias Blankenburg war zu dieser Zeit nicht angemeldet“, sagt DAK-Sprecher Stefan Wandel. Der Scheidegger hat zwar regulär seine Beiträge gezahlt, als er noch arbeitete. Als er aber kündigte und dann arbeitsunfähig wurde, konnte ihn das Arbeitsamt nicht bei der Krankenkasse melden, weil er nicht als arbeitssuchend galt. Wandel bezeichnet das als eine „Ausnahme, die sehr, sehr selten vorkommt“, als „Lücke“, in die Blankenburg fiel.

Weil er jünger als 23 war, konnte er zurück in die Familienversicherung. So waren zumindest die Arztkosten gedeckt. „Er hat eigentlich alles richtig gemacht. Aber als mitversichertes Familienmitglied hatte er keinen Anspruch auf Krankengeld“, erklärt DAK-Sprecher Wandel. Der Fall zeige, dass man unverschuldet durch die Raster fallen kann. Alles richtig gemacht? Heute schüttelt Blankenburg darüber den Kopf. „Ich habe mich gefragt, was ich falsch gemacht hatte, um nicht einfach das Leben genießen zu können.“ Eine glückliche Beziehung oder einen Job haben, einkaufen gehen oder einen Urlaub planen – was für seine Freunde ganz normal war, das konnte er nicht.

Neben all den Untersuchungen und der Krebstherapie nahmen die Behördengänge für Blankenburg kein Ende. Während seine Ersparnisse für New York schrumpften, konnte er nur noch auf das Jobcenter hoffen, darauf, dass er Hartz IV bekommt. „Sofort wurde mir auch hier mitgeteilt, dass ich keine Hilfe zu erwarten habe“, erzählt er. Keine 25, wohnhaft im Elternhaus: Da müssen die Eltern aufkommen – egal, warum er arbeitslos ist.

Auch das Jobcenter fühlt sich nicht zuständig

„Die Krankheit spielte hier keine Rolle“, bestätigt Michael Preisendanz, Leiter des zuständigen Jobcenters in Lindau. So sehr das Schicksal des jungen Mannes auch anrühre, das Jobcenter sei an geltendes Recht gebunden. Da Blankenburg in einer „Bedarfsgemeinschaft“ lebt, wie es im Amtsdeutsch heißt, musste das Jobcenter auch das Einkommen aller Personen in dieser Gemeinschaft beleuchten. „Wir sind erst zuständig, wenn kein anderer Sozialleistungsträger zahlen kann“, macht Preisendanz deutlich. Und da Blankenburgs Eltern gut verdienen, sei die Sachlage klar gewesen. Die Krankheit spielte hier keine Rolle, sondern, wer für den jungen Mann aufkommen kann.

Blankenburg legt auch heute noch die Stirn in Falten: Für die Behörden zählt nur, was auf Lohnzetteln und der Haben-Seite steht, moniert er. Seine Mutter ist Krankenschwester. Wenn sie nicht im Krankenhaus Dienst hatte, kümmerte sie sich um ihren kranken Sohn. Der Vater arbeitet im Schichtdienst für einen Automobil-Zulieferer. „Dass wir aber noch einen Kredit am Laufen haben und ich seit Monaten auf Hilfe wartete, interessierte bei den Ämtern keinen.“ Kleine Lebensversicherungen der Eltern hätte man bei günstigem Rückkaufwert abstoßen können, riet man der Familie. „Aber das ist die Altersvorsorge meiner Eltern.“ Hinzu kam: Immer wieder musste Tobias Blankenburg von vorne beginnen, jedes Mal seine Geschichte neu erzählen – um dann an den nächsten Mitarbeiter, das nächste Amt verwiesen zu werden. Durch die vielen Untersuchungen, die Strahlentherapie und den Stress geschwächt, wollte der Scheidegger am Ende nur noch eines: gehört werden.

„Ich bin ein junger Mann, habe immer alle Sachen zu vollster Zufriedenheit erfüllt, meine Ausbildung und mein Abitur mit Belobigung gemeistert“, sagt er. Doch plötzlich musste er zusehen, wie seine Freunde ihr Leben leben, musste seine Eltern um Geld fragen, wenn er ins Kino gehen wollte. „Ich weiß, dass ich noch nicht viel in die Kassen eingezahlt habe, aber habe ich mir das ausgesucht? Wie kann es sein, dass so viel Geld in unserem Land verschwendet wird, aber einen jungen Mann lässt man einfach sitzen?“

Die Krankheit hat ihm einen neuen Weg gezeigt

Tobias Blankenburg hat gekämpft. Mittlerweile sind die Schmerzen weniger geworden. Es scheint, als hätte sich die Krankheit zurückgezogen. Nach der Reha hat er wieder angefangen zu arbeiten. Teilzeit. Als Barkeeper. So habe er wenigstens das nächste Mal Anspruch auf finanzielle Unterstützung, sollte die Krankheit zurückkommen. Blankenburg will sich nicht unterkriegen lassen, er will leben. „Es wird schon alles“, sagt er mit einem Schulterzucken. Drei- bis viermal die Woche trainiert er im Fitnessstudio, um seine Muskeln wieder aufzubauen. Er trifft sich mit Freunden, hat einen neuen Plan.

Erst einmal habe er mit der ganzen Sache abgeschlossen. Freilich, die Tumore könnten wiederkommen. „Aber ich bin noch nicht so weit, dass ich mir Gedanken mache, ob ich davor Angst haben soll.“ Jetzt wolle er durchstarten, sagt er. Ironischerweise hat ihm die Krankheit einen neuen beruflichen Weg gezeigt. Er will in der Klinik, in der er zur Reha war, ein duales Studium machen. Gesundheitsmanagement, eine Kombination aus Betriebswirtschafts- und Gesundheitslehre. „Ich bin dankbar, dass ich mich auf meine Familie und meine Freunde stützen konnte“, sagt Blankenburg. Auf das Sozialsystem will er sich nicht mehr verlassen. Und er überlegt, spaßeshalber noch einen Lottoschein auszufüllen. Vielleicht hat er ja doch einmal Glück.

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28.11.2017

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