Was taugen Elektroautos aus zweiter Hand?
Das Angebot an gebrauchten Stromern steigt. Doch längst nicht jeder ist ein Schnäppchen. Tipps für Käufer – und für Verkäufer.
Jahr für Jahr werden immer mehr neue Autos mit elektrischem Antrieb zugelassen, entsprechend nimmt auch das Angebot auf dem Gebrauchtwagenmarkt zu. „Allein in den zurückliegenden zwölf Monaten ist die Zahl der auf der Plattform angebotenen E-Autos um mehr als 100 Prozent gestiegen“, sagt Pierre Du Bois von mobile.de. Auch bei den Angebotspreisen haben die Stromer zugelegt.
„Der durchschnittliche Inseratspreis ist seit Januar 2017 um 17,5 Prozent gestiegen, im Vergleich zu 2020 haben wir noch eine leichte Preissteigerung um 1,3 Prozent beobachtet“, so Du Bois. Bei den tatsächlichen Verkaufspreisen jedoch haben es gebrauchte Stromer derzeit schwer. „Die Verlängerung der großzügigen Förderprämie für E-Autos sorgt für eine ziemliche Verzerrung am Markt. Die Preise für junge gebrauchte E-Autos liegen fast auf dem Niveau eines geförderten Neuwagens“, sagt Holger Ippen von der Auto Zeitung. Denn die Prämie wurde im Sommer 2020 auch erhöht. So werden die aufgerufenen Gebrauchtpreise seither quasi von hinten aufgerollt und müssen mit den geförderten Neupreisen konkurrieren.
Förderprämien wirken sich auch auf Gebrauchte aus
Bis zu 9000 Euro erhalten Käufer eines vollelektrischen Neuwagens vom Staat und Autohersteller dazu. Bei jungen Gebrauchten, die nicht älter als zwölf Monate sind und maximal 15 000 Kilometer gelaufen sind, gibt es noch bis zu 7500 Euro Prämie. Voraussetzungen in beiden Fällen ist, dass der Wagen auf der Förderliste der BAFA steht. Noch bis 2025 wird diese sogenannte Innovationsprämie ausgezahlt.
„Die aktuell geltenden hohen Förderprämien sorgen in der Tat dafür, dass sich das Preisgefüge vor allem bei kleineren und damit günstigeren E-Autos verschiebt und die bereits am Markt befindlichen Fahrzeuge zusätzlich unter Druck setzt“, sagt Martin Weiss von der Deutschen Automobil Treuhand (DAT). Eine DAT-Analyse bestätigt den Preisverfall. Hier liegt der Restwert eines drei Jahren alten E-Autos aktuell nur noch bei 50,7 Prozent des Neupreises, während Diesel und Benziner weiterhin auf stabile 53,1 beziehungsweise 55,8 Prozent kommen. Weiss rät verkaufswilligen E-Auto-Besitzern, ihren Wagen im Zweifel doch noch etwas länger zu fahren oder aber einen harten Schnitt zu machen und gegen einen geförderten Neuwagen zu tauschen.
Die technische Entwicklung schreitet sehr schnell voran
Ein weiterer Grund, warum ältere Stromer schwer zu verkaufen sind, betrifft die Technik. „Gerade bei E-Autos geht die technische Entwicklung enorm schnell voran“, sagt Stefan Bratzel vom Auto-Institut CAM. Das betreffe vor allem die Batterie- und Ladetechnik. So dauere es bei älteren Modellen oft deutlich länger, den Akku aufzuladen. Kaufinteressenten sollten beispielsweise darauf achten, dass ein Fahrzeug mehrphasig laden könne und möglichst auch über eine Schnelllademöglichkeit verfüge.
Als Beispiel nennt Bratzel den allersten Jaguar I-Pace, der zwar mit einer großen 90-kW-Batterie ausgestattet war, jedoch an der heimischen Wallbox nur bis maximal 7 kW geladen werden konnte. Es sei daher wichtig, sich vorab gut über das gewünschte Fahrzeugmodell zu informieren. Die Batterie gilt als Herzstück eines E-Autos. Hierin sieht Bratzel bei gebrauchten E-Fahrzeugen generell aber keine größeren Fallstricke. Ein großer Vorteil sei, dass viele Hersteller lange Garantien von bis zu acht Jahren auf die Batterie geben.
„Für diesen Zeitraum ist der Käufer also abgesichert und kann darauf pochen, dass die Batterie noch die zugesagte Mindestkapazität erreicht“, sagt er. Andere Komponenten eines E-Autos, wie etwa die Elektromotoren, seien sehr robuste Bauteile mit einer langen Lebensdauer. „Insgesamt gesehen ist ein E-Auto ein Fahrzeug mit sehr übersichtlichen Komponenten“, sagt Bratzel.
Die Kapazität der Batterie entscheidet
Mit der Kapazität der Batterie allerdings steht und fällt die Reichweite. Hier müssten Kaufinteressenten gerade bei älteren E-Autos Abstriche machen, meint Holger Ippen: „Die Lebensdauer einer Batterie liegt deutlich unter der eines Verbrennermotors. Auf mindestens 250 000 km ist ein Benziner oder Diesel ausgelegt, bei einem E-Auto-Akku kalkulieren die Hersteller mit rund 150 000 km.“
In etwa diese Laufleistung werde bei den Garantieversprechen als Grundlage für die errechneten 80-85 Prozent Restkapazität angenommen. „Wer beispielsweise über einen gebrauchten Smart nachdenkt, der mit einem neuen Akku eine Reichweite von 130 Kilometern hat, der muss damit rechnen, dass er nur noch knapp 100 Kilometer weit kommt – und im Winter noch weniger“, sagt Ippen. Fehle es dann noch an geeigneten Auflademöglichkeiten, bleibe so ein Auto ein Ladenhüter.
Martin Weiss von der DAT rät indes bei der Diskussion über die Batterie zu etwas mehr Gelassenheit. „Nach anfänglicher Skepsis hat sich in der Praxis gezeigt, dass Akkus bei sachgemäßem Umgang sehr robust sind und sich Ängste über die schnelle Zustandsverschlechterung als unbegründet erweisen.“ Bei normalem Einsatz sinke die Kapazität nur sehr langsam. Lediglich sehr schnelle Be- und Entladevorgänge würden den Akku belasten.
Kleine Stromer als Geheimtipp
Profitieren können von der aktuellen Marktsituation Kaufinteressenten für kleinere Stromer. „Das betrifft beispielsweise Modelle wie Renault Zoe, BMW i3 und Nissan Leaf“, so Weiss. Dies seien auch Fahrzeuge, die in den vergangenen Jahren deutlich weiterentwickelt und mit stärkeren Motoren und leistungsfähigeren Akkus ausgestattet wurden. Interessant sind laut Ippen Kleinwagen wie Renault Zeo oder Nissan Leaf vor allem auch, weil der Kunde die Batterie nur mietet: „Hier ist der Besitzer in einer komfortablen Situation, weil die Verantwortung für den Akku beim Hersteller liegt. Wird die Batterie zu schwach, muss sie ausgetauscht werden.“ (dpa)
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