Raumschiff Surprise: Die Mercedes-Benz S-Klasse 2020 im Test
Wer Mercedes oder gar die ganze deutsche Autoindustrie schon abgeschrieben hat, sollte sich von der neuen S-Klasse überraschen lassen. Wir haben den Mercedes schon getestet.
Die S-Klasse ist das wichtigste Auto des Jahres. Für Daimler sowieso, aber auch für alle anderen deutschen Hersteller. Der traditionell technisch hochgerüstete Luxusliner muss nämlich die Frage beantworten: Was hat die deutsche Autobranche in Zeiten von Digitalisierung und Konkurrenzdruck durch Tesla, Silicon Valley und Co. wirklich noch drauf?
Optisch bleibt die S-Klasse konservativ
Technologieträger S-Klasse. Von außen würde man das nicht vermuten. Hier gilt: S-Klasse bleibt S-Klasse fürs konservative Publikum aus der Führungsetage. Selbst die Türgriffe aus Chrom kann man noch bestellen, obwohl die Limousine eigentlich mit versenkbaren Griffen ausgestattet ist. Dass das Interieur mit schwelgerischem Luxus von dezent bis protzig aufwartet – nicht verwunderlich.
Die S-Klasse ist mit drei Displays ausgerüstet
Sobald aber der Startknopf gedrückt wird, zeigt die S-Klasse, was sie wirklich ist. Raumschiff Surprise: Ein Cockpit wie in einem George-Lucas-Sternenkreuzer. Informationen gibt es gleich auf drei Displays. Einmal auf der digitalen 12,3 Zoll großen Tacholandschaft hinter dem Lenkrad, die sich entweder mit den zwei bekannten silberfarbenen Rundinstrumente bestücken lässt oder mit einem tiefroten Science-Fiction-Layout aufwartet. Alles in 3 -D Optik, die ganz ohne Spezial-Brille funktioniert.
Die Mercedes S-Klasse beherrscht Augmented Reality
Wer sich auf die Straße konzentrieren will, benützt das neue und riesige Head-Up-Display. Es liegt tiefer als sonst, so als ob es über der Straße direkt vor dem Auto schweben würde. Über das HUD erfährt man alle wichtigen Fahr-Daten, außerdem jagt ein kleiner blauer Pfeil über die Scheibe und zeigt einem exakt an, wo man abbiegen muss. Augmented Reality (AR) heißt das.
Und dann gibt es noch den zentralen Bildschirm, der brettlbreit auf der Mittelkonsole thront. Optional 12,8 Zoll groß und mit hochauflösender OLED-Technik. Hier kann man seiner S-Klasse beim Einparken zusehen. Nicht nur von oben, sondern sogar von schräg seitlich, so als ob eine Drohne darüber schweben würde. Schont die Felgen. Beim Abbiegen hilft ebenfalls die AR. Nur, dass die blauen Pfeile dieses Mal über das Livebild der Frontkameras flitzen, um Orientierung zu geben. So praktisch und gut das auch sein mag: Wer alle Systeme gleichzeitig in Betrieb hat, fühlt sich von der farbigen Digitalwelt leicht überfordert.
Autonomes Fahren der Stufe 3 in der S-Klasse
Verblüffend sind die Fähigkeiten der S-Klasse beim automatischen Fahren. Denn Daimler bietet ab Mitte des nächsten Jahres Stufe 3 an. Bis Tempo 60 macht das Auto dann auf geeigneten Autobahnabschnitten alles selbst. Erstmalig gibt der Fahrer damit seine Verantwortung ab. Jetzt bewegt Daimler die S-Klasse mit allen Konsequenzen und der Fahrer kann sich anderen Dingen widmen, wie zum Beispiel dem Checken und Schreiben von E-Mails.
Mercedes-Benz S-Klasse 2020: technische Daten
- Spezifikation: Mercedes Benz S 350d 4matic (kurzer Radstand)
- Hubraum: 2925 ccm
- Leistung: 286 PS bei 3.400 – 4,600 U/min
- Drehmoment: 600 Nm bei 1.200 – 3.200 U/min
- Länge/B./H.: 5,18/2,11/1,50 m
- Radstand: 3,11 m
- Kofferraum: 550 l
- 0 – 100 km/h: 6,2 s
- Spitze: 250 km/h
- Normverbrauch: 6,6 – 8,0 l Diesel
- CO2-Ausstoß: 172 – 211 g/km
- Energieeffizienzklasse: B
- Leergewicht/Zuladung: 2.070 / 700 kg
- Anhängelast (gebremst) 2.100 kg
- Preis: ab 93.438 Euro
Wie gut der Drive Pilot funktioniert, zeigte Mercedes auf dem konzerneignen Testgelände in Immendingen. Die S-Klasse bewegte sich in einem Pulk von Autos nicht nur sicher mit oder leitete die nötige Notbremsung am Stauende ein, sondern bildete sogar eine Rettungsgasse.
Mit an Bord: ein neuartiges Laser-Radar
Möglich ist das nur, weil neue Techniken an Bord sind. Mit dem Laser-Radar Lidar lässt ich die Gegend viel genauer anschauen aber auch hochauflösenden Karten spielen eine Rolle. Ab Level 3 müssen die Werte bis auf den Zentimeter genau stimmen – sogar die Kontinentaldrift wird mit berechnet.
Zum Start zwei Sechszylinder in der S-Klasse
Bewegt wird die S-Klasse konventionell. Noch. Am Start stehen vorerst die beiden Reihensechszylinder. Als Benziner leistet die Maschine 367 respektive 435 PS, zusätzlich wird sie von einem Starter-Generator angeschoben. Das Diesel-Aggregat verfügt über 286 oder 330 PS. Das Drehmoment steigt beim Selbstzünder um 100 auf 600 Nm.
Plug-in-Hybrid und Stromer folgen
Spannend wird es bei den alternativen Antrieben. Die elektrische S-Klasse lässt zwar noch auf sich warten. Aber in greifbare Nähe rückt der Plug-In-Hybrid, der im Frühjahr kommt. Wir fuhren schon den S 580e – und haben dadurch einen ersten Eindruck bekommen, wie sich der elektrische Bruder anfühlen wird. Denn der Plug-In-Hybrid kommt mit seiner 143 PS großen E-Maschine rund 100 Kilometer weit.
Sie ist so stark, dass selbst bei dynamischer Testfahrt über Landstraßen der 367-PS-Benziner nie eingreifen musste. Trotz 200 Kilogramm mehr war der Fahrspaß groß, dank des tieferen Schwerpunkts.
Mercedes S-Klasse 2020: Unser Fazit
Unser Fazit: Mercedes hat verstanden. Wer in Premiumklasse ganz oben mitmischen will, muss die digitale Welt beherrschen. Mit Level 3 bietet Mercedes jetzt das erste Serienauto in Deutschland an, das hoch automatisiert fahren kann. Ein Luxus, der wertvoller ist als Lack und Leder.
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