
Heute süß, morgen peinlich: Vorsicht bei Kinderfotos im Netz

Das erste Lachen, die ersten Schritte, der Kindergeburtstag – stolze Eltern teilen Fotos oft mit aller Welt. Das birgt Gefahren. Was Eltern beachten sollten.
Eine grüne Schüssel mit orangefarbenem Babybrei steht bereit. Davor sitzt der oberkörperfreie Schauspieler Wilson Gonzalez Ochsenknecht in einem Kinderhochstuhl mit einem gelben Löffel in der Hand und einem pink gepunkteten Lätzchen mit einer Katze darauf. Die Katze trägt eine rosa Schleife und hält rosarote Blumen in der Hand. Wilsons Haare liegen unordentlich auf seinen Schultern. Rund um den Mund sowie auf dem Tisch und dem Lätzchen sammelt sich der orangefarbene Babybrei. Dabei wirkt er müde und sein Blick geht ins Leere. Solche oder ähnliche Kinderfotos tauchen jeden Tag ungezählte Male in sozialen Medien auf.
Laut dem Statistischen Bundesamt leben in Deutschland derzeit circa elf Millionen Kinder im Alter zwischen null und 14 Jahren. Von ihnen sind Millionen Fotos online. Früher haben Eltern Fotoalben mit peinlichen Bildern bei Verwandten oder Familienfeiern gezeigt. Heute, in Zeiten der Digitalisierung, sind viele Eltern selbst mit dem Internet und den sozialen Medien aufgewachsen und nutzen diese, um andere am Familienalltag teilhaben zu lassen. Doch bevor Eltern Kinderfotos ins Netz stellen, sollten sie sich einige Fragen stellen: Warum veröffentliche ich mein Kind? Habe ich mein Kind um Erlaubnis gebeten? Würde ich dieses Bild auch selbst von mir im Internet sehen wollen?
Kinderfotos im Internet können Jahre später wieder auftauchen
Denn Kinderfotos im Netz bergen oft Gefahren und Risiken. Eine Studie im Auftrag des Herstellers von Sicherheitssoftware, Eset, hat ergeben, dass unter 1000 Internetnutzern etwa jeder Fünfte bereits negative Erfahrungen beim Teilen von Kinderbildern gemacht hat. "Oft fehlt es an Medienkompetenz und Weitsicht, was die Bilder von den eigenen Kindern eigentlich für Konsequenzen haben können", mahnt Bloggerin und Initiatorin der Kampagne #DeinKindAuchNicht, Toyah Diebel. Das wohl größte Problem ist, dass oft nicht ersichtlich ist, wer diese Fotos zur Kenntnis nimmt, speichert oder weiterverbreitet. Das gilt auch für vermeintlich unbedenkliche Fotos. Peinliche Kinderfotos, die online gepostet werden, können aber auch Ausgangspunkt für andere negative Konsequenzen wie Mobbing sein.
Auch Jahre nach Veröffentlichung solcher Bilder können Kinder und Jugendliche noch mit peinlichen Aufnahmen konfrontiert werden. Dabei wird oft vergessen, dass auch Kinder ein Recht am eigenen Bild sowie ein Recht auf Privatsphäre haben. "Eltern können sich grundsätzlich strafbar machen, wenn sie gegen die Persönlichkeitsrechte ihres Kindes verstoßen", erklärt Norman Buse, Fachanwalt für Medienrecht und Partner der Kanzlei Buse Herz Grunst. Eine besonders schwerwiegende Verletzung des Persönlichkeitsrechts könne vorliegen, wenn ein Kind unbekleidet fotografiert und ins Internet gestellt wird.
Pixeln reicht bei Kinderfotos nicht aus
Generell gelte: "Sobald das Kind einsichtsfähig ist, was in der Regel ab 14 Jahren der Fall ist, dürfen Eltern Kinderfotos nur mit Einwilligung des Kindes veröffentlichen", so Buse. Erst wenn das Kind volljährig ist, darf es allein über die Veröffentlichung entscheiden. Auch eine Verpixelung nur des Gesichts reiche rechtlich häufig nicht aus, sei aber dennoch eine gute Sache, um zumindest eine gewisse Entfremdung sicherzustellen, rät Buse.
"Deshalb muss unbedingt mehr Bewusstsein und Sensibilität für das Thema entstehen", fordert Toyah Diebel. Das Deutsche Kinderhilfswerk will Eltern bei einem verantwortungsbewussten Umgang mit Kinderfotos unterstützen. Sophia Pohle, Referentin für Medienbildung in der Koordinierungsstelle für Kinderrechte beim Kinderhilfswerk, rät Eltern deshalb, Kinder am besten so früh wie möglich und dabei altersgerecht und dem Entwicklungsstand entsprechend einzubeziehen, wenn es um die Veröffentlichung von Kinderbildern geht.
Die Kinder sollten bei veröffentlichten Fotos mitentscheiden
"Gerade bei Babys und Kleinkindern sind Eltern umso mehr gefragt zu überlegen, welches Foto online gestellt wird, was das Foto zeigt und wem man es zugänglich macht", betont Pohle. Besonders wichtig sei es auch, dass Eltern ihre Vorbildfunktion wahrnehmen und selbst verantwortungsvoll mit persönlichen Daten umgehen. Dazu gehört auch, keine personenbezogenen Daten wie Name, Schule oder Wohnort des Kindes preiszugeben. "Als Deutsches Kinderhilfswerk sind wir nicht für ein generelles Verbot von Kinderbildern im Netz", so Pohle. Mit der Kampagne #DenkenFragenPosten möchte das deutsche Kinderhilfswerk den Fokus verschieben und Eltern dazu auffordern, sich in die Kinder hineinzuversetzen.
Eltern sollten reflektieren, wie ihr Kind gezeigt wird, und das Kind fragen, ob das Foto veröffentlicht werden darf oder nicht. Auch ein Nein zu akzeptieren, gehört laut Pohle dazu. Manche Kinderfotos gehören vielleicht doch eher ins Familienalbum als ins Internet. Toyah Diebel fordert deshalb: "Wir sollten immer im Kopf haben, dass wir nicht über unseren Besitz entscheiden, sondern für ein Individuum mit Persönlichkeit, das geschützt werden muss."
Hinweis: Dieser Text ist im Rahmen eines Kooperationsprojekts unserer Redaktion mit dem Master-Studiengang Fachjournalismus der TH Würzburg-Schweinfurt entstanden.
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