Galway: Kulturhauptstadt mit herzhafter Musik und Meer
In der irischen Küstenstadt Galway wird gerne gefeiert. Die Kulturhauptstadt hat jede Pubs mit Live-Musik? Doch Vorsicht bei der Platzwahl.
Auch im Sommer sagt die Wetter-App tagelang Regen voraus, die Iren stört das wenig. Sommer ist, wenn der Kalender es sagt. Die Männer tragen bei 16 Grad und Platzregen kurze Hosen, die Frauen Sandalen, nur Hunde sieht man mit Regencape. Und sobald es aufklart, kommen auch die letzten Leute nach draußen: Willkommen in Galway.
80.000 Menschen leben in der kleinen Universitätsstadt im Westen Irland rund zwei Zugstunden von der Hauptstadt Dublin entfernt und neben dem kroatischen Rijeka 2020 europäische Kulturhauptstadt. Das Leben spielt sich am Wasser ab – durch die Stadt rauscht der Fluss Corrib, der an der Küste in den Atlantik mündet. Es riecht nach Salz, Fisch und Regen.
Spaziergänge am Strand bis in den drei Kilometer entfernten Vorort Salthill sind ein Muss. Die bunten Häuser am Meer unterhalb vom Zentrum gehören zum Stadtteil Claddagh, wo einst Fischer wohnten. Die Reste einer mittelalterlichen Stadtmauer erzählen von einer bewegten Vergangenheit: Am Spanish Arc soll Seefahrer Christopher Kolumbus das letzte Mal an Land gewesen sein. Mehr dazu erfahren Besucher hinter dem Arc im Galway City Museum, der Eintritt ist kostenlos. Es geht hier viel um die gälische Kultur. Wie im Rest Irlands sind in Galway Namen und Schilder zweisprachig – englisch und gälisch.
Mit Oscar Wilde in Galway auf der Bank
Zwischen den Dächern der bunten Häuschen in der Innenstadt flattern kleine Wimpel in allen Farben. Auf einer Bank sitzt Oscar Wilde – in Bronze gegossen. Pubs reihen sich an Musikkneipen und Instrumentengeschäfte. Galway gilt als Hochburg für traditionelle irische Musik. An jeder Ecke stehen Straßenmusiker. Ed Sheeran ("Galway Girl") soll mal einer von ihnen gewesen sein.
Zu den vielen berühmten Musik-Pubs der Stadt gehört die Crane Bar im Westend, die es schon seit 1894 gibt. Mick Crehan, der die Bar zusammen mit seiner Frau betreibt, hat eine Flöte zwischen den Fingern und eine silberne Kastenbrille auf der Nase, eine, wie sie junge Leute in Berlin-Mitte heute ironisch tragen und Crehan vermutlich seit den Siebzigerjahren. In Berlin hat Crehan auch schon gespielt – als die Mauer noch stand. "Heute spielen mehr junge Leute traditionelle irische Musik als je zuvor", sagt Crehan, der seit 2001 jeden Sommer das Musikfestival "The Galway Sessions" organisiert und eine Schule für traditionelle Musik gegründet hat. "Das Alte ist ein wichtiger Teil dieser Musik", ist er überzeugt. Die Geschichte mancher Lieder reiche Jahrhunderte zurück. Wichtig sei der Austausch zwischen den Generationen. Crehan ist 59 und hat als Kind angefangen zu spielen. Musik gehörte zum Alltag der Familie.
Dass Galway Kulturhauptstadt ist, macht Crehan stolz. Motto seines Festivals sei 2020 Europa. Dann geht es etwa darum, wo irische Musik überall Wurzeln geschlagen hat. Er ist sicher, dass das Kulturhauptstadtjahr gut wird. "Wir werden natürlich eine gute Show abliefern", verspricht er und lacht. Kurz darauf spielt er wieder Flöte, zusammen mit anderen Musikern in seiner Bar. Ein Mann erinnert mit seinem langen grauen Bart an den Zauberer Gandalf, neben ihm musiziert ein junges Mädchen. Als die Instrumente verstummen und einer der Männer anfängt zu singen, flüstert sogar der Barkeeper. Jeden Abend gibt es in der Crane Bar Livemusik.
Galway, die freundlichste Stadt der Welt?
Auf dem Tresen stehen Pints, drüber hängt Werbung für Guinness. Die Gespräche drehen sich oft um Fußball. Wer in der Regionalliga gegen wen ran muss. Oder um das WM-Viertelfinale. Das von 1990. Weiter sind die Iren nie gekommen – sie haben sich auch nur dreimal für eine Weltmeisterschaft qualifiziert. Gegen Italien habe man dann verloren, erzählt eine Frau und ergänzt: "Die Italiener haben uns geliebt, wir waren gute Verlierer."
In anderen Kneipen tragen die Reserviert-Schilder auf den Tischen nicht die Namen derer, die reserviert haben, sondern der Fußballvereine, auf die angestoßen werden soll. Egal, wo man einkehrt, die Menschen sind laut, fröhlich und meist in Gruppen unterwegs. Kellner fragen mindestens einmal nach dem Befinden. In der Innenstadt hängt ein Banner, Galway sei die freundlichste Stadt der Welt.
Und was isst man in dieser geselligen Küstenstadt? Die klassischen Fish and Chips – frittierten Fisch und Pommes – gibt es, aber die Stadt kann mehr als Fast Food. Einige Restaurants tragen Michelin-Sterne, erzählt Orla Egreder bei einer Food Tour. Auf sechs Stationen werden eher große als kleine Häppchen gereicht – vom Windbeutel-Donut über luftgetrocknete Lammsalami, dunkle Schokolade und Su-shi bis zum schwarzen Tee und Gebäck. Interessanter als das Essen sind aber die Geschichten, die Egreder erzählt.
Hauptstadt der kuriosen Geschichten
In Griffins Bakery etwa: Dort liegt auf der Theke ein überdimensionaler Brotlaib, weil Bäcker Jimmy Griffin beim Tauchen von einem Aal in die Backe gebissen wurde. Um das Trauma zu überwinden, habe er angefangen, die Brote in Form und Größe eines Aals zu backen. Im Internet findet sich bis heute ein Foto des Iren mit blutiger Wunde. Er hatte nach dem Angriff ein Selfie im Krankenhaus gemacht.
Oder die Anekdote eines Barkeepers, der nach einem Pferderennen eine Flasche Whiskey im Wert von 17.000 Euro öffnete, als ein reicher Gast nach einem Shot fragte. Der Shot kostete 1500 Euro. Die Menschen in Galway mögen Pferde- und Windhundrennen. Und Whiskey.
Für Stadtführerin Egreder ist Galway die richtige Wahl als europäische Kulturhauptstadt. Fast jeder habe eine Verbindung zu Kunst, Musik oder Literatur, die vielen Kulturfestivals sprächen dafür. Die Stadt sei offen, kenne keine Berührungsängste. "Die Leute sind viele Besucher gewöhnt."
Und ist das Kulturhauptstadt-Jahr in Zeiten des Brexits nicht auch ein Zeichen pro Europa? Egreder sagt, sie habe schon öfter erlebt, dass Leute dächten, dass auch Irland die Europäische Union verlassen werde. Galway 2020 zeige: "Wir sind und bleiben Teil Europas." (dpa)
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