Er spielte für die Größen der Musikwelt: Wolfgang Haffner im Porträt
Wolfgang Haffner gehört zu den Spitzendrummern im Musikgeschäft. Er spielte für die Knef, Al Jarreau, Pat Metheny, Konstantin Wecker, Niedecken und Naidoo.
Dieser Mann mit seinem jugendlichen Lächeln wirkt glücklich und mit sich im Reinen. In einem schnuckeligen Café in der Nürnberger Altstadt zerkleinert er mit der Gabel einen Käsekuchen und schlüpft mit einem Mal in die Rolle eines Fremdenverkehrsmanagers. „Wussten Sie, dass Nürnberg zu den meistbesuchten Städten in Deutschland gehört?“, fragt er, der normalerweise hinter dem Schlagzeug sitzt und in jeder Band eine gute Figur abgeben würde. „Hier existieren so viele schöne Flecken! Es gibt nichts Schöneres, als an einem Sommertag auf der Insel Schütt zu sitzen, auf die Pegnitz zu schauen oder auf dem Dutzendteich mit dem Tretboot zu fahren.“
Früher gehörte es eher zu den Ausnahmen, Wolfgang Haffner im Freizeitmodus zu erwischen. Heute ist er zwar immer noch ein extrem gefragter Schlagzeuger quer durch fast alle Genres, aber weit entfernt vom Nimbus eines pathologischen Drum-aholic, der sich bereitwillig vor jeden Karren spannen lässt und Sideman-Jobs, Flugkilometer, Gigs und Erfahrungen sammelt wie andere Leute Briefmarken. Sein persönlicher Rekord steht bei vier Konzerten in elf Tagen auf vier verschiedenen Kontinenten; 2000 absolvierte er eine 280-tägige Tournee rund um den Globus. „Ich wollte mal sehen, wie weit man das treiben kann.“
Wolfgang Haffner stand mit den Größen der Musikwelt auf der Bühne
Nicht umsonst umfasst seine Vita betrommelte Namen wie Chaka Khan, Al Jarreau, Pat Metheny, Jan Garbarek, Gregory Porter, Manhattan Transfer, Mezzoforte, Till Brönner, Joe Sample, Larry Carlton, Cassandra Wilson, Clark Terry, Johnny Griffin, Nils Landgren, Hildegard Knef, Konstantin Wecker, Die Fantastischen Vier, Wolfgang Niedecken und Xavier Naidoo. Wobei damit nur die Spitze des Eisbergs genannt ist. Auch für Basketball-Superstar Dirk Nowitzki trommelte er in einer Turnhalle, während dieser im Rhythmus auf den Korb warf. Die regionalen Medien feiern den Sohn eines Wunsiedeler Kantors als „Weltklasse-Schlagzeuger aus Franken“. Dennoch – oder gerade deshalb – ist er immer noch sein eigener Manager und lebt seit mittlerweile 54 Jahren „meinen persönlichen Traum“.
Inzwischen gönnt sich Haffner Auszeiten, ganz bewusst, nach einem Herzinfarkt, der 2014 seinem rastlosen Leben beinahe ein Ende gesetzt hätte. Zwei Wochen danach saß er zwar schon wieder hinter dem Schlagzeug, „weil ich nicht anders kann“. Dennoch hat sich seither eine Menge geändert. Die „Daham-Phasen“ wurden länger. „Ich versuche immer, zwei, drei, vier Wochen am Stück da zu sein.“ Ein Ort bei Nürnberg war früher sein Refugium und ist es jetzt wieder, nach einer Episode auf Ibiza: „Meine Freunde sind dieselben geblieben, und ich mag die fränkische Luft einfach.“ Mittlerweile kann Haffner sogar Nein sagen. „Und wie! Aber das musste ich wirklich erst lernen.“
Es klingt ein bisschen nach Understatement, wenn einer sagt, er tue nur noch das, was ihm Spaß mache. Bei dem 1,92 Meter großen Kerl aber ist dies tatsächlich so, wobei selbst die Variante „Haffner light“ ein ganz schön stressiges und zeitaufwendiges Pensum darstellen kann.
Die Combo von Thomas Quasthoff ist eine Herzensangelegenheit
Im Mittelpunkt stehen neben Herzensangelegenheiten wie die Combo des Sängers Thomas Quasthoff („Ich mag einfach die Leute in der Band!“) längst seine eigenen Formationen, die er permanent mit neuen Programmen und Musikern füttert. Dass solche Unternehmungen dann sogar noch von Erfolg gekrönt sind, bestätigt einmal mehr den Instinktmusiker Wolfgang Haffner. „So wie es jetzt läuft, ist es perfekt. Ich versuche, mich von dem ganzen Hype und der Hektik nicht mehr anstecken zu lassen. Was ich tue, mache ich viel bewusster als früher. Mir geht es gesundheitlich gut, ich genieße das Leben und bin glücklich!“
Bereits unmittelbar vor seinem „Einschlag“ (O-Ton) hatte der Schlagzeuger mit der Arbeit an einer Trilogie begonnen, die sich im Rückblick als das wichtigste Projekt in der prallen Karriere des Wolfgang Haffner erweisen sollte. Es trägt den Obertitel „Kind Of“ und lehnt sich in puncto Ästhetik an Miles Davis’ Jahrhundertwerk „Kind Of Blue“ von 1959 an, dem Popalbum des Jazz, einem Archetypen und perfekten Konglomerat aus Leichtigkeit, Schwermut, Reduktion und Melodie.
Da legte einer die Latte schwindelerregend hoch und drohte schon beim ersten Versuch, an seiner eigenen Rastlosigkeit zu scheitern. 2015, kurz nach seiner Rekonvaleszenz, erschien „Kind Of Cool“, Haffners Hommage an die Helden der Cool-Jazz-Ära wie Chet Baker, Dave Brubeck und John Lewis – bis dann 2017 „Kind Of Spain“ als Liebeserklärung an seine damalige Wahlheimat auf der Iberischen Halbinsel folgte.
Alles in Haffners „Kind Of“-Serie bewegt sich kategorisch unter einem ganz bestimmten Intensitätslevel: So wenige Noten wie nötig, so dezent und behutsam wie möglich. „Ich habe eben auch diese schwermütige Seite“, erklärt der Schlagzeuger, der gänzlich auf krachende Muskelspielereien und eitle Selbstdarstellungen verzichtet und stattdessen lieber das akustische Licht im dauergedimmten Zustand hält. Kein Solo, kein Egoanfall. „Ich fühle mich eher wie ein Herbergsvater, der die Arme um die Band ausbreitet. Egal, welchen Namen das Baby trägt, es soll einfach nach mir klingen.“ Eine unverwechselbare Handschrift, ein musikalischer Fingerabdruck. Oder vielleicht: kind of Wolfgang.
Wer aber erwartet hätte, dass Haffner nach „Cool“ und „Spain“ der Miles-Linie treu bleiben würde und zum Finale als Arbeitstitel womöglich „Kilimanjaro“ wählen würde, den verblüfft Haffner einmal mehr. Sein neues Werk, das in diesen Tagen veröffentlicht wird, trägt den Titel „Kind Of Tango“ (ACT/edel) und ist eine Platte, die nahezu keinem gängigen Tango-Klischee entspricht.
„Im traditionellen Tango kommt gar kein Schlagzeug vor“, grinst der Herr über Snare und Hi-Hat verschmitzt. „Es gibt allenfalls eine starke rhythmische Struktur.“ Schon seit der Arbeit an seinem Spanien-Album weiß Haffner nur zu gut, dass man böse auf die Nase fallen kann, wenn man versucht, als Außenstehender fremde Kulturen zu assimilieren. Also ließ Wolfgang Haffner einfach seiner melancholischen Ader freien Lauf und formte mit Freunden seine persönliche Lesart des leidenschaftlichen argentinischen Tanzes: eine Art fränkischer Tango – irgendwie verblüffend symmetrisch zu den beiden Vorgängern. Dabei halfen ihm Dauerpartner Christopher Dell, dessen Vibrafon ebenfalls Neuland betritt, Gitarrist Ulf Wakenius, Lars Danielsson an Bass und Cello, die Trompeter Sebastian Studnitzky und Lars Nilsson sowie Saxofonist Bill Evans. Statt eines Bandoneons erklingt das Akkordeon von Shootingstar Vincent Peirani und am Piano sitzt des Drummers Protegé Simon Oslender.
Im Konzert von Phil Collins heulte er "Rotz und Wasser"
So tickt der Wolfgang nicht erst seit 2020: nie vergessen, woher man kommt und wer Hilfestellung gab. Jeder Jazzdrummer, der einen Ruf zu verteidigen hat, würde zwar (wie er) als Vorbilder Art Blakey, Elvin Jones und Buddy Rich nennen, aber niemals zugeben, „dass ich tierisch auf Jon Bonham und Ian Paice von Deep Purple stehe. Bei Phil Collins habe ich im vergangenen Sommer Rotz und Wasser geheult, als ich den noch einmal live erleben durfte.“ All diese Kollegen hätten immer zuerst an die Band gedacht und nicht an sich. „Denn wenn der Schlagzeuger seinen Job richtig macht, dann klingt auch das ganze Konzert oder die Platte gut!“
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