Er ist Craig, Daniel Craig: Begegnungen mit dem scheidenden Bond
Der neu 007-Film, "Keine Zeit zu sterben", ist sein letzter - nach 15 Jahren in der Rolle. Aber Daniel Craig ist so viel mehr, auch Hollywoods bestbezahlter Schauspieler.
Im Jahr 2015 spielte Daniel Craig im erfolgreichsten Film seines Lebens. Doch wenn man den Bond-Darsteller auf seinen Auftritt in „Star Wars: Das Erwachen der Macht“ ansprach, leugnete er einsilbig. Und er hatte ja Gründe. Seine Minirolle im Kostüm eines Sturmtruppensoldaten sollte nichts mehr als ein Gag sein. Aber gleichzeitig war die Reaktion typisch: Denn der 53-jährige Daniel Craig nimmt seinen Job eben ernst. Sehr ernst.
Letztlich wäre dies nur ein Beispiel für ein lobenswertes Berufsethos, hätte es nicht auch Konsequenzen für eine der erfolgreichsten Franchises der Filmgeschichte. Denn unter Craigs Ägide, die 2021 nach 15 Jahren ihr Ende findet, erlebte James Bond seine bislang seriöseste Inkarnation. Aus dem Bonvivant mit Killerschein, der phasenweise schon comichafte Züge bekam, wurde ein dramaturgisch durchdifferenzierter Charakter, dessen Traumata plakativ seziert wurden. Aus Ironie wurde Sarkasmus, aus spielerischer Nonchalance psychologisch aufgeladene Bedeutungsschwere.
Craig sagte schon mal: "Ich werde diese Badehosen nie wieder anziehen"
In Ansätzen ließ sich das schon an einem schwülen Junitag des Jahres 2005 erahnen. Am Set von „Casino Royale“ in Prag saß Daniel Craig in einem stickigen Wohnwagen, in sich zusammengesunken, das Gesicht grimmig angespannt. Damals war er in Verteidigungshaltung, nachdem ihn speziell die britischen Medien für seinen ersten Einsatz als Bond mit Skepsis und Häme überschüttet hatten. Doch er konterte mit Arbeitsdisziplin. „Wann soll ich schon Zeit haben, mich mit diesen Pressereaktionen zu beschäftigen? Ich arbeite 60, 70 Stunden die Woche, um hier einen sehr guten Film machen.“
Dass dieses Debüt ein realistischeres und emotional authentischeres Szenario bot als das überdrehte Finale der Brosnan-Bonds, das etwa unsichtbare Autos mobilisierte, lag seinerzeit nicht in seiner Verantwortung. Aber nachdem dieser Ansatz mit „Casino Royale“ bei Publikum und Kritik erfolgreich aufgegangen war, war Craig der ideale Kandidat für diese neue Ära.
Er war sich dieses Status nicht nur bewusst, sondern wucherte auch damit. In seinem Erstlingsbond ließ man ihn noch – im Einklang mit der überdrehten Popmythologie der Franchise – in Badehose aus dem Meer steigen. Bei seinem zweiten Film „Ein Quantum Trost“ verwehrte er sich: „Ich werde diese Badehosen nie wieder anziehen.“
Das war aber nur ein winziges Indiz für die Art, wie er seine Funktion verstand. In den Gesprächen zu seinen verschiedenen 007-Einsätzen betonte er immer wieder ein Schlüsselwort: Drehbuch. Und zwar nicht wie ein Schauspieler, der sich von einem gelungenen Skript beglückt zeigt, sondern wie dessen Mitschöpfer. Symptomatisch waren Statements wie dieses: „Ich beteilige mich in jeder erdenklichen Weise an der Stoffentwicklung. Ich kann nicht anders arbeiten. Die Drehs dieser Filme dauern mehrere Monate, und ich muss genau im Bilde sein, wie sich die Geschichte entwickelt. Doch selbst bei kleinen Filmen arbeite ich schon Monate vor dem Dreh am Skript mit.“
Sätze, wie man sie von einem jungen Sean Connery oder Roger Moore nie erwartet hätte. Zwar fungierte er offiziell erst seit „Spectre“ als Co-Produzent der Bonds, aber bereits vorher sah er sich in Personalunion mit den Filmemachern, etwa wenn er folgende Formulierungen von sich gab: „Wir setzen uns da zusammen und holen so viele talentierte Leute dazu als möglich.“
Offenbar hatte er bei „Ein Quantum Trost“, der gegenüber „Casino Royale“ kommerziell und künstlerisch einen Rückschritt bedeutete, eine Lektion gelernt. Denn in diesem Fall war das Team mit einem noch nicht ausgereiften Skript in den Dreh gegangen – ein Fakt, was er vor dem Start von „Skyfall“ betonte, bei dem man besonders intensiv am Buch geschliffen hatte. Seine Herangehensweise erklärt sich auch dadurch, dass er sich anders als die meisten seiner Vorgänger schon vorher etliche künstlerische Meriten erworben hatte. Beispielsweise spielte er in einem Sylvia-Plath-Biografiefilm, erhielt namhafte Nominierungen für das Drama „Die Mutter“ oder die Gangsterkomödie „Layer Cake“.
Daniel Craig: "Ich wollte Stuntman werden."
Die Intensität, die er dann bei Bond an den Tag legte, erstreckte sich nicht nur auf die kreativ-intellektuellen Aspekte seiner Missionen. Ein Pflaster, das seinen Daumen in den ersten Drehtagen von „Ein Quantum Trost“ zierte, war da nur ein harmloser Vorbote.
Die Galerie seiner Blessuren reicht von gerissenen Wadenmuskeln („Skyfall“) bis lädierten Bändern in seinem Kniegelenk, die bei „Spectre“ dazu führten, dass er viele Szenen mit einer Manschette absolvierte, die aus dem Film digital entfernt wurde. Bei seinem letzten Einsatz in „Keine Zeit zu sterben“ war eine Notoperation am Knöchel fällig. Vielleicht kam da noch die Seele des fünfjährigen Daniel Craig durch, der sich immer wieder von seinem Fahrrad auf den Boden warf und die Knie aufschrammte: „Ich wollte Stuntman werden. Deshalb probte ich ständig solche Stürze.“
Aber angesichts dieser Blut-, Schweiß- und Tränen-Einheiten musste es nicht verwundern, dass er nach seinem bislang letzten Film „Spectre“ halb scherzhaft unkte, er würde sich „lieber die Pulsadern aufschneiden“ als noch einen Bond zu drehen. Zwar relativierte er den Spruch später, aber immer wieder ließ er erkennen, welche Belastungen die monatelangen Agenten-Einsätze für ihn bedeuteten. So gesehen könnte man mutmaßen, dass kein James-Bond-Darsteller in dieser Rolle so wenig Spaß hatte wie Daniel Craig. Er war sich bewusst, dass er mit diesen Filmen „Entertainment“ bieten musste: „Wir wollen ja nicht, dass sie in irgendeiner dunklen Kammer verschwinden.“ Aber er blieb eben auch ein Purist: „Kino ist eine großartige Kunstform, die tatsächlich Dinge verändern und gesellschaftliche Diskussionen anstoßen kann.“
Daniel Craig: Ein Salär von 100 Millionen Dollar
Und davon nahm er James Bond nicht ganz aus. Wer weiß, welche Resonanz James Bond in der „MeToo“-Ära finden würde, hätten nicht Craig und die Filmemacher längst ihr Universum modernisiert: „Wir haben in dieser Hinsicht einen Gezeitenwandel gegenüber den Bond-Filmen mit Sean Connery erlebt. Natürlich liebt 007 Frauen und schläft mit ihnen, aber wir konfrontieren ihn auch mit der Welt von heute. Das bedeutet, bei uns hat er es mit starken Frauen zu tun, die sich von ihm nichts gefallen lassen und ihm seine Grenzen aufzeigen.“
Wenn Daniel Craig also die Lizenz zum Töten abgibt, dann kann er das im Bewusstsein tun, dass er ganz entscheidend zum Revirement dieser Tradition beigetragen hat, während sich bei den Schlusskapiteln der früheren Amtsinhaber eher ein Gefühl der Ermüdung eingestellt hatte. Und immerhin, im Laufe der Zeit bewies er zunehmend mehr Humor und Selbstironie. Da fielen schon Sprüche wie „Es ist doch den Leuten scheißegal, was ich denke.“ Sein Bond-Ende kommentierte er unter anderem wie folgt: „Du willst bei einer Party nicht unbedingt so lange bleiben, bis du hemmungslos besoffen bist.“
Dazu passt auch die Figur, die er in seiner nächsten Franchise spielt: den exzentrischen Privatdetektiv in der Krimikomödie „Knives out“, den er auch in zwei Fortsetzungen geben wird. Die Gage dafür dürfte ihm ein entspanntes Lächeln ins Gesicht zaubern. Mit 100 Millionen Dollar Salär gilt er derzeit als teuerster Filmstar Hollywoods.
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