Mit Brille, Charme und guter Laune: Das ist der neue Disney-Film "Encanto"
Den Machern von „Zoomania“ ist ein neuer Wurf gelungen. Mit einer Heldin im Zentrum, die mal nicht über Superkräfte, sondern rein menschliche Qualitäten verfügt.
Der neue Disney-Weihnachtsfilm „Encanto“ entführt sein Publikum nach Kolumbien, wo die Familie Madrigal in einem kleinen Städtchen versteckt in den Bergen lebt. Die Verwandtschaft ist sehr weitläufig. Um alle Mitglieder vorzustellen, braucht es einen illustrierten Stammbaum und einen schwungvollen, schnell gesungenen Song mit vielen Strophen. Und schon hat der Film es geschafft, das Publikum in seine Welt des magischen Realismus hineinzuziehen.
Als beherzte Matriarchin regiert die Großmutter Abuela Alma über die familiären Belange. Drei Generationen leben hier unter einem Dach, und das Haus selbst hat auch noch ein magisches Eigenleben. Denn die Madrigals sind keine gewöhnliche Großfamilie. Als Abuela Alma mit ihren drei kleinen Töchtern in die Berge flüchtete und ihr Mann von den Verfolgern am Fluss erschossen wurde, betete sie um Rettung und Hilfe – und wurde erhört.
Jedes Kind der Familie hat eine besondere Gabe
Seitdem verleiht eine magische Kerze jedem Kind der Madrigals eine besondere Gabe, die in einer Zeremonie zum fünften Geburtstag erweckt wird. Tochter Julieta kann mit ihren Koch- und Backkünsten alle Krankheiten heilen. Die schöne Enkelin Isabella lässt mit einem grazilen Wink Pflanzen und Blumen gedeihen, während deren ältere Schwester Luisa mit übernatürlicher Muskelkraft Häuser verrücken und ganze Eselsherden Huckepack nehmen kann. Nur am fünften Geburtstag der jüngsten Schwester Mirabel wollte sich keine magische Tür öffnen. Sie ist die einzige in der Familie, die nicht über eine Superkraft verfügt.
Das scheint ihr nichts auszumachen. Die liebenswerte Quasselstrippe mit der dicken Brille und der guten Laune wird von allem im Dorf geliebt. Aber wenn sie ganz tief in sich hinein horcht, fühlt sie sich doch als minderbegabte Außenseiterin. Als zuerst das Haus und dann nach und nach ihre Geschwister ihre magischen Kräfte langsam verlieren, ist es an der ebenso aufgeweckten wie empathischen Mirabel, den Familiengeheimnissen auf den Grund zu gehen.
„Encanto“ ist ein Familienfilm im allerwörtlichsten Sinne, denn er untersucht mit Herzenswärme, Temperament und viel Musik die Beziehungsdynamik einer Großfamilie, in der alle ihre Rolle spielen, aber doch sehr viel mehr auf dem Herzen haben und von den familiären Erwartungen zunehmend erdrückt werden. Dass der Film endlich mal eine Heldin ins Zentrum stellt, die über keinerlei Superkräfte, dafür aber über rein menschliche Qualitäten verfügt, ist nach einer Überdosis Marvel, Potter & Co. im Kino eine willkommene Abwechslung.
Die Regisseure Byron Howard und Jared Bush haben schon mit „Zoomania“ und „Rapunzel – neu verföhnt“ intelligente und quicklebendige Animationsfilme für Disney entwickelt. In „Encanto“ gelingt es ihnen nicht nur musikalisch, sondern auch visuell, kolumbianische Kultur und Lebensgeist aufzusaugen. Der Film ist auch ein ganz großes Weihnachtsgeschenk an die weltweite Latino-Community, die bisher als Zielgruppe bei Disney eher eine Nischenexistenz führte. Die knallbunte Farbpalette, die ins Tanzbein gehenden Rhythmen und das agile, aber keineswegs überdrehte Energielevel machen aus „Encanto“ einen hochvergnüglichen Weihnachtsfilm mit Tiefgang und einem großen Herz.
Encanto - USA 2021 , 99 Minuten, Regie: Byron Howard, Jared Bush
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