Mikis Theodorakis war die Seele Griechenlands
Der große griechische Komponist, Schriftsteller, Widerstandskämpfer und Politiker Mikis Theodorakis ist tot. Der Volksheld, genannt der „Adler“, wurde 96 Jahre alt.
Als sich am Donnerstagmorgen um kurz vor zehn Uhr in Griechenland die Nachricht vom Tod des Komponisten Mikis Theodorakis verbreitete, unterbrachen die Rundfunksender ihr Programm. Und dann spielten viele Stationen jenes Lied, mit dem „Mikis“, wie ihn die meisten Menschen in Griechenland liebevoll nannten, weltberühmt wurde: den Sirtaki aus dem Film „Alexis Sorbas“.
Komponist und Dirigent, Musiker und Schriftsteller, Widerstandskämpfer und Rebell, Kommunist und Wertekonservativer: All das und noch viel mehr war Mikis Theodorakis. Unbändig und empfindsam, aufbrausend und verletzlich, so haben ihn seine Freunde in Erinnerung. Ein Rastloser: immer unterwegs, nie am Ziel. Griechenlands Kulturministerin Lina Mendoni brachte es auf den Punkt: „Heute haben wir ein Stück der griechischen Seele verloren.“ Umgehend angesetzt wurde eine dreitägige Staatstrauer.
Die Biographie von Theodorakis ist ein Stück erlittener griechischer Geschichte
Erst am 29. Juli hatte Mikis Theodorakis seinen 96. Geburtstag gefeiert. Seine Biografie ist ein Stück erlittener griechischer Geschichte: Widerstand gegen die Nazi-Besatzer im Zweiten Weltkrieg, Haft und Folter. Erneute Verfolgung, Deportation und Verbannung im griechischen Bürgerkrieg. Sich raushalten, still sein, das war seine Sache nicht, auch nicht nach dem Putsch der Obristen im April 1967. Wieder ging Theodorakis in den Widerstand, wieder wurde er eingekerkert und gefoltert. Erst 1970 kam er auf internationalen Druck frei und ging ins Exil nach Frankreich. Dort schrieb er einige seiner größten Kompositionen, darunter „Axion Esti“ und den „Canto General“.
Eine Stimme des Widerstands war Theodorakis in jenen Jahren nicht nur für viele Griechen in der Heimat, sondern auch für jene, die im Ausland gegen die griechische Obristen-Junta kämpften. Zu Zehntausenden strömten die Menschen in seine Konzerte. Theodorakis wurde zum Symbol der Freiheit; seine Musik gab den unterdrückten Griechen Mut und Identität. Auf allen Kontinenten trieb er mit wild rudernden Armen die Orchester an und fuhr mit seiner Stakkato-Stimme den Sängern dazwischen. „Aetos“, den Adler, nannten die Griechen den fast zwei Meter großen Hünen. Sein Sirtaki aus dem „Alexis Sorbas“ wird auf der ganzen Welt gespielt, den Griechen selbst gehen vor allem seine großen Liederzyklen unter die Haut, die Oratorien und die Kampflieder aus der Zeit der Obristendiktatur.
Sein erstes Konzert nach dem Sturz der Junta wurde ein Volksfest der Freiheit
Als Theodorakis 1974 nach dem Sturz der Junta in seine Heimat zurückkehrte, feierten die Menschen ihn als Volkshelden. Sein erstes Konzert im Karaiskaki-Stadion wurde zu einem Volksfest der Freiheit. Die politischen Parteien umwarben Theodorakis. Aber er blieb ein rastloser, rebellischer Geist. Mal sympathisierte er mit der stalinistischen griechischen KP, mal mit den Eurokommunisten, dann wieder mit den Konservativen, die ihn 1990 zum Minister ohne Geschäftsbereich beriefen. Wurzeln geschlagen hat Theodorakis in keiner Partei.
Er selbst sagte: „Ich war immer echt und wahr. Ich habe mich nie dazu bringen lassen, zu lügen, eine fremde Maske aufzusetzen, zu schmeicheln oder zu bitten.“ Theodorakis war ein Kämpfer, aber nie hat er gespalten. Immer versuchte er, die Griechen zu einen.
Seit einigen Jahren wirkte die griechische Ikone schwach und gebrechlich. Das sah man auch, als Theodorakis im Juni 2019 im Rollstuhl bei einem Konzert zu seinen Ehren im berühmten Kalimarmaro erschien, dem alten Athener Olympiastadion. Aber sein ruheloser Geist blieb bis zuletzt hellwach.
In einem Interview erklärte der „Adler“ vor einigen Jahren, dabei auf sein Leben zurückblickend: „Besonders genossen habe ich die großen Schwierigkeiten, die Ausweglosigkeit, die Gefahr. Wenn ich ganz auf mich allein gestellt war. Dann kam es mir immer vor, als hätte ich Schwingen und flöge gegen den Wind und die Stürme an. Mit einem Wort: Ich habe so gelebt, wie ich mir das in meiner Jugend ausgemalt habe: frei!“
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