Siegfried erobert die Herzen in Bayreuth im Sturm
Bayreuth (dpa) - Der "Grüne Hügel" hat seinen neuen Strahlemann-Siegfried. Ungestüm-burschikos eroberte Lance Ryan die Herzen der Bayreuther Premierenbesucher am Freitagabend im Sturm.
Wenn der junge Held in der Titelpartie des "Siegfried" auf der Bühne mit rotem Haarschopf - Kobold Pumuckl lässt grüßen - arg draufgängerisch sein selbst geschmiedetes Schwert schwingt, hat er beim Publikum schon gewonnen. Doch Ryans Tenor hält nicht, was er verspricht. Daran ändern auch die Beifallsstürme für den gebürtigen Kanadier nichts.
Denn bei genauem Hinhören entpuppt sich seine Stimme als unkontrolliert und oft flach geführt. Von metallischem Glanz keine Spur. Spitzentöne setzt Ryan zwar sicher und elektrisiert damit auch die Zuhörer in der hintersten Reihe noch. Im Piano aber markiert er lediglich, Mittellage und Tiefe klangen zumindest bei seinem umjubelten Bayreuth-Debüt eher dünn. Vom Text war wenig zu verstehen, rhythmisch patzte er. Seine volle stimmliche Bayreuth-Tauglichkeit muss Lance Ryan also noch nachliefern, Sunnyboy allein genügt nicht.
Doch zum Glück gibt es die erfahrene Brünnhilde Linda Watson. Sie sang ihren Rollen-Partner Siegfried am Schluss fast schon bemitleidenswert in Grund und Boden. Wenn ihre Höhe mitunter auch schrill klingt, stimmtechnisch ist die Wagner-Sopranistin nach wie vor blendend disponiert. Kernige Piani, satte Tiefe, makelloses Aufziehen zu einem kontrollierten Forte - Watsons Brünnhilde sitzt.
Wolfgang Schmidt spielte einen hinreißend listig-gnomenhaften Mime und sang ihn auch so. Albert Dohmen überzeugte als Wanderer Wotan, Christa Mayer war eine würdige Erda. Verlässliche Partner der Protagonisten auf der Bühne auch Andrew Shore als keifender Alberich, Diógenes Randes bei seinem Bayreuther Rollendebüt als sonorer Fafner und Christiane Kohl mit unverstellt klarer Stimme des Waldvogels.
Siegfried schmiedet sein Schwert im vergammelten Klassenzimmer, über der Höhle des bösen Fafner endet eine Autobahnbrücke, im aufgelassenen Steinbruch lernt Siegfried das Fürchten, wird Brünnhilde erlöst - mit wenig einladenden Schauplätzen der Neuzeit konfrontiert Regisseur Tankred Dorst die Zuschauer. Seine in die Jahre gekommene Inszenierung des "Ring des Nibelungen" setzt ganz auf starke und teils gegensätzliche Bilder, Personenregie hingegen ist nicht sein Ding. Er überlässt die Sänger auf der Bühne sich selbst.
Wieder stand der in Bayreuth seit Tagen gefeierte Christian Thielemann am Pult des Orchestergrabens und wieder trampelten sich die Zuhörer nach der Aufführung die Füße für ihn fast platt. Dabei war am Abend nicht alles im Orchester geglückt, nicht immer setzten die Blechbläser gemeinsam ein, vor allem in den Sforzati. Doch arbeitete Thielemann die mannigfaltige Motivik in Wagners Partitur wieder präzise heraus. Erst am Mittwoch hatte der 51-Jährige seine 100. Vorstellung bei Richard-Wagner-Festspielen dirigiert.
Bei dem bis 28. August dauernden Festival wird in diesem Jahr neben "Lohengrin", "Parsifal" und den "Meistersingern" zum fünften und letzten Mal die "Ring"-Inszenierung von Tankred Dorst gezeigt. Mit der "Götterdämmerung" folgt am Sonntag der vierte und letzte Teil des Zyklus. In den nächsten beiden Jahren macht der "Ring" in Bayreuth Pause. Erst 2013 ist eine Neuinszenierung geplant, dann womöglich mit mehreren Regisseuren.
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