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Interview
02.12.2023

Ulrich Tukur: "Ich erschaffe meine eigene Welt, und die ist schön"

Schauspieler Ulrich Tukur ist mit seinem Programm „Paganini Intimo“, eine Mischung aus Konzert und Lesung, auf Tour.
Foto: Carsten Koall, dpa

Schauspieler und Musiker Ulrich Tukur ist mit seinem neuen Programm „Paganini Intimo“ auf Tour. Ein Gespräch über Gott, Politik _ und das Leben ohne Smartphone.

Herr Tukur, unlängst waren Sie wieder als Felix Murot im „Tatort“-Einsatz. Der Film von Florian Gallenberger war ein ziemlich subversiver Spaß.

Ulrich Tukur: Nicht wahr? Ich hatte die Gelegenheit, in der virtuellen Welt den Führer im Sportpalast zu erschießen und den Gang der Welt zu verändern. In einer anderen Szene treibe ich durchs Weltall und spreche mit dem lieben Gott, der die Stimme einer Frau hat, über den Sinn des Lebens.

Konnte Gott Ihnen eine Antwort geben?

Tukur: Nein, selbst Gott hat auf die großen Fragen des Lebens keine Antwort und hat sich so evasiv und kryptisch ausgedrückt, dass man nicht genau wusste, was er – oder sie – meint. Fast wie bei einem guten Politiker. Da klingt auch vieles erst mal gut, aber wenn man die Aussagen auf ihren Gehalt abklopft, bleibt meistens nicht viel übrig, und am Ende ist man so schlau wie vorher.

Gibt es in der Politik Menschen, die Sie mögen?

Tukur: Einige sind mir sympathisch, da ist ja auch niemand bösartig, doch ich habe immer das Gefühl, mit einem gerüttelten Maß an Inkompetenz zu tun zu haben. Früher hatten diese Menschen noch gestandene Berufe, heute kommen sie oft direkt aus der Uni ins Parlament. Nicht selten beschleicht einen ja das Gefühl, dass wir regiert werden von Menschen, die das nicht so richtig können. Daher kommt sicher auch ein Teil dieser Unzufriedenheit mit dem politischen Betrieb.

Wer ist Ihnen sympathisch?

Tukur: Ich mag zum Beispiel Lars Klingbeil. Oder Boris Palmer.

Boris Palmer? Aus alter Verbundenheit, weil Sie in Tübingen studiert haben? Oder weil Sie ihn als Typen gut finden?

Tukur: Ich kannte den Vater noch, Helmut Palmer. Der war Obst- und Gemüsebauer – und ein Rebell. Er hatte einen Stand auf dem Tübinger Marktplatz, schimpfte und prozessierte gegen Gott und die Welt. Der war ein völliger Freigeist und absoluter Anarchist. Und er wollte immer Tübinger Oberbürgermeister werden – was sein Sohn dann geschafft hat. Ich schätze an Boris, dass er kompetent ist, die Probleme kennt, sie benennt und auch versucht, sie zu lösen. Er ist natürlich auch wahnsinnig eitel und stellt sich immer wieder ein Bein. Manchmal geht ihm dieser Gaul seiner Eloquenz und Selbstsicherheit durch, aber im Grunde ist er ein guter Typ und ein guter Politiker. Nur sollte er vielleicht mal ab und zu den Mund halten. 

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Sie haben einiges in der Welt gesehen. Waren die Zeiten schon mal so verrückt wie heute?

Tukur: Die Welt hat einen Riesenriss, sie zerbröselt im Kleinen wie im Großen. Gleichzeitig wirst du von diesen sozialen Netzwerken gehetzt und kannst keinen Schritt mehr machen, ohne dass er sichtbar ist. Private Rückzugsräume, in denen früher auch mal ein Politiker verschwinden konnte, gibt es nicht mehr. Deshalb sichern sie sich nach allen Seiten ab, um bloß keinen Jauchesturm abzubekommen und positionieren sich so sehr in der Mitte, dass sie wie abgeschliffene Kieselsteine wirken.

Sie gelten als Liebhaber alter Zeiten. In ihrem neuen Programm „Paganini Intimo“ widmen Sie sich dem Wirken eines Geigers von vor 200 Jahren. Sehnen Sie sich nach früher?

Tukur: Eigentlich waren die Zeiten immer furchtbar. Beziehungsweise, die Menschen haben, egal, wann sie lebten, ihre eigene Zeit immer als besonders schrecklich empfunden. Wenn ich hundert Jahre alte Lieder singe oder mich ins Jahr 1815 begebe, dann baue ich mir eine Traumwelt auf, in der ich in meiner Phantasie herumlaufe. Was ich habe, das ist die Literatur und die Musik aus dieser Zeit. Aber das Lebensgefühl, das kann ich nicht haben. Also fülle ich meine Reise durch die dekorierten Räume der Vergangenheit mit meinem Erfahrungsschatz von heute. Ich erschaffe meine eigene Welt, und die ist schön. 

Durch welche Epoche würden Sie gerne mal wandeln?

Tukur: Ich finde das Hochmittelalter spannend. Das Mittelalter war bei Weitem nicht so düster, wie wir es uns heute vorstellen. Im 12. Jahrhundert zum Beispiel lebten die Menschen in einer Warmzeit, die Ernten waren reich, es war die Zeit der Troubadoure und Minnesänger. Auch die Ära nach Napoleon, wo sich die deutsche Klassik der Romantik die Hand reichte, und wo Europa noch unzerstört war, muss zauberhaft gewesen sein. Schließlich die Zeit von 1919 bis 1932. Damals gab es einen extremen Innovationschub. Die Energie und Lebensfreude waren unglaublich, die Feste, die gefeiert wurden, rauschend. Und doch war es ein Tanz auf dem Vulkan, was damals natürlich viele ahnten.

Sie sagen, Sie bauen sich als Künstler Ihre eigene Welt. Hat Ihnen die Wirklichkeit schon als Kind nicht gefallen?

Tukur: Ich habe mich immer an der Wirklichkeit gerieben. Das ist mein Lebensthema. Aus dieser Reibung entstand und entsteht Energie, die mich dahintreibt, dieses unerhörte Erlebnis Leben in irgendeine künstlerische Form zu bringen. 

Wollten Sie immer Schauspieler werden?

Tukur: Nein, ich hatte das lange nicht auf dem Schirm. Ich komme aus einer Familie schwäbischer Romantiker, ich wuchs mit den Büchern meiner Eltern und Großeltern auf. Es gab sehr viele Gedichte, sehr viele Erzählungen bei uns zu Hause, ich liebte die Ritter- und die Heldensagen. An die Welt der sechziger und siebziger Jahre, in der ich aufwuchs, konnte ich nicht andocken. Das war mir alles unheimlich, und ich war ein Außenseiter in meiner Klasse. Heute würde man sagen, ich bin gemobbt worden. Ich zog mich anders an, hatte keine langen Haare und trug keine Bluejeans. 

Andere in Ihrem Alter haben die Zeit geliebt? Kiffen, freie Liebe, politische Umbrüche…

Tukur: Klar, rückblickend betrachtend muss ich auch sagen, dass die späten Sechziger bis frühen Achtziger ein Traum waren, eine unglaublich freie Zeit. Besser ging es den Menschen vielleicht nie. Aber ich habe das erst später erkannt. Led Zeppelin und Deep Purple interessierten mich damals nicht. Heute denke ich auch „Mein Gott, was sind die gut. Wie konntest du das nur verpassen?“

Sie sollen als Kind vom Tod besessen gewesen sein. Legt sich das mit zunehmendem Alter?

Tukur: Die Morbidität ist der Versuch, mit der Todesangst umzugehen. Todesangst hatte ich immer, schon als Kind, ich weiß selbst nicht, warum. Fragen wie „Warum lebe ich und muss irgendwann sterben, was soll das denn?“ haben mich beschäftigt. Nach wie vor ist das ein Thema für mich, doch zum Glück gibt es viele Möglichkeiten, mir diese Angst mit Kultur spielerisch vom Leib zu halten. Dank großartiger Literatur macht man seinen Frieden mit der Endlichkeit, und trotzdem bleibt sie immer ein Antrieb. Das Leben ist so unerhört, so wundervoll, so schön. Auch ich merke, dass ich älter werde und wie das Alter bei vielen meiner Freunde zuschlägt. Das ist einigermaßen erschütternd. Ich bin jetzt 66, noch versuche ich, das Alter weitgehend zu ignorieren und mir immer neue Aufgaben zu stellen. 

Sie haben mit Ihrer Frau zwanzig Jahre lang in Venedig gelebt und sind 2019 nach Berlin gezogen, Herr Tukur. Haben Sie sich eingewöhnt?

Tukur: Ich denke, wir werden wieder nach Italien gehen. Ich kenne Berlin noch aus den 1980er Jahren, damals fing ich unter Peter Zadek an der Freien Volksbühne an. Berlin war zwar eingemauert, aber so lebendig, gezeichnet von einem unbändigen Freiheitswillen. Es träumte den Traum, eine Großstadt zu sein, es hatte seinen ganz eigenen Zauber und so etwas Geheimnisvolles.

Sind Sie von Berlin enttäuscht?

Tukur: Nein, nicht enttäuscht. Was ich vorgefunden habe, ist eine ganz andere Stadt. Immer noch sehr lebendig, aber ein Moloch. Die Geheimnisse gibt es nicht mehr. Als Stadt ist Berlin so groß, dass man es nicht durchlaufen kann, so wie Hamburg, Wien oder selbst Paris. Für mich ist die Stadt nicht mehr das Richtige. Für junge Leute ist sie super, mir ist sie zu laut und hat zu wenig Substanz.

Sie leben in Schöneberg, oder?

Tukur: Ja, dort ist es ganz nett. Nicht ganz so bürgerlich wie Charlottenburg, nicht ganz so hip wie Kreuzberg. Trotzdem: Uns zieht es wieder in den Süden. 

Gehen Sie zurück nach Venedig?

Tukur: Nein, wir suchen noch. Ich würde gern ans Meer. 

Ist es wahr, dass Sie immer noch kein Smartphone besitzen?

Tukur: Ist es. Ich bin einer der Letzten, die auf dem analogen Planeten leben. Für mich ist es verstörend, nur noch Menschen mit diesen Leuchtschachteln zu sehen. Neulich saß ich alleine in einem Lokal, alle Plätze um mich herum belegt, aber ich hatte keinerlei Blickkontakt mit irgendjemandem. Die Menschen sind da, aber sie sind woanders. Ich fasse es nicht, wie man sich von diesem Ding so treiben lassen kann. Und wenn es mal jemand weglegt, dann kannst du bis sieben zählen, und er nimmt es wieder in die Hand.

Sind Sie eigentlich glücklich, Herr Tukur?

Tukur: Es gibt immer wieder kurze Augenblicke, in denen ich glücklich bin. Das sind Momente, in denen gar nichts besonderes passiert, wo ich vielleicht mit meiner Frau oder mit einem Freund beim Glas Wein sitze. Momente, in denen ich rein im Jetzt bin, ohne Aufgaben und ohne Sorgen, befreit von den Mühen des Alltags.

Zur Person: Ulrich Tukur, der bürgerlich Scheurlen heißt, ist als Schauspieler, Musiker und Schriftsteller aktiv. Er wuchs im hessischen Viernheim auf, absolvierte eine Schauspielausbildung und bekam 1982 seine erste Rolle im Film "Die weiße Rose" von Michael Verhoeven. Der Durchbruch gelang ihm am Theater, er stand in München, Berlin oder auch Hamburg auf der Bühne und spielte die Titelrolle des "Jedermann" bei den Salzburger Festspielen. Parallel dazu war Tukur immer wieder im Fernsehen zu sehen, unter anderem als Tatort-Ermittler oder im Oscar-preisgekrönten Film "Das Leben der Anderen". 1995 gründete er die Tanzkapelle "Ulrich Tukur und die Rhythmus Boys", 2019 veröffentlichte Tukur mit "Der Ursprung der Welt" seinen ersten Roman. Aktuell tourt der 66-Jährige mit seinem neuen Programm "Paganini Intimo“, eine Mischung aus Konzert und Lesung, durch Deutschland.

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