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Interview
18.12.2023

Wim Wenders: „Wir haben alle zu viel von allem“

Wim Wenders hat einen neuen Film gedreht. "Perfect Days" entstand in Japan und läuft jetzt in den Kinos an.
Foto: Stefanie Rex, dpa

Mit „Perfect Days“ präsentiert Wim Wenders einen Film, der zu seiner Lebensphilosophie passt. Im Interview spricht er über seine Sorgen und Hoffnungen für unsere Gesellschaft.

Sie sind zu diesem Interview mit einer Darmgrippe aus dem Bett gestiegen ...

Wim Wenders: ... obwohl ich von dem Antibiotikum Magenkrämpfe bekommen und deshalb kaum geschlafen habe ...

Singen Sie sich Nina Simones Song vor, der auch in Ihrem Film an zentraler Stelle vorkommt: „It’s a new dawn, it’s a new day (...) And I’m feeling good ...“?

Wenders: Wäre 'ne gute Idee. Aber ich habe einfach nur lange heiß geduscht. Durch so einen Hänger muss man durch. Deshalb bin ich jetzt zu allen Schandtaten bereit.

Inwieweit hatten Sie einen persönlichen Bezug zu Thematik und Philosophie des Films?

Wenders: Die Geschichte dreht sich um einen Mann, der unter einfachen Umständen lebt und mit dieser Reduktion auf das Wesentliche sehr zufrieden ist. Die Arbeit an dem Film passte gut zu einem persönlichen Prozess, der während der Pandemie angefangen hat. Meine Frau und ich sortieren aus, eliminieren, geben weg, verschenken oder verkaufen Sachen. Der Film hat uns gezeigt, dass man damit noch viel weitergehen kann (lacht). Eins ist klar: Wir haben alle zu viel von allem, vom Essen angefangen bis hin zu geistiger Nahrung, also Büchern, Musik, Filmen oder sonstigem Entertainment. Trotz dieses Zuviels sind wir alle nicht happy, im Gegenteil ...

Koji Yakusho als Hirayama in einer Szene des Films "Perfect Days".
Foto: dpa

Ist es Zufall oder Schicksal, dass Sie mit „Perfect Days“ ein Projekt gefunden haben, das zu Ihrer persönlichen Lebenssituation passte?

Wenders: Zufall oder Schicksal, es war auf jeden Fall ein Segen. Dabei kam der Film erst in einer Verkleidung auf mich zu. Ursprünglich war es nämlich eine Anfrage für ein Projekt in Tokio, für das 15 berühmte Architekten öffentliche Toiletten entworfen und gebaut hatten, also ein Unterfangen mit sozialem und künstlerischem Hintergrund. Wenn ich mir das Ganze anschauen und es mich inspirieren würde, könnte man überlegen, was man darüber zusammen machen könnte, vielleicht einen Fotoband oder kurze Features dokumentarischer Natur über die Architekten und ihre Miniatur-Werke. Ich dachte mir: Eine Woche in Tokio im Mai klingt fast zu schön, um wahr zu sein, erst recht für einen, der gerade seiner Frau sein Heimweh nach Tokio geklagt hat. Als ich vor Ort war, fand ich diese Toiletten zwar ziemlich toll, habe aber bald gemerkt, dass es dahinter etwas viel Größeres zu erzählen gab, einen Film über den japanischen Sinn für sozialen Zusammenhalt, aber auch für die kleinen Dinge und eben für Reduktion. Das wäre aber kein Dokumentarfilm, sondern eine Geschichte. Das wäre mein erster Film nach der Pandemie, und in Japan gerade richtig und ganz im Gegensatz zu der Situation, wie ich sie in Berlin nach der Pandemie erlebt habe ...

Worin bestand dieser Gegensatz?

Wenders: Bei uns hatte die Pandemie ein großes Opfer, fand ich, nämlich den Sinn für das Gemeinwohl. In Tokio war das Gegenteil der Fall: Als ich im Mai da war, kurz nach dem Ende eines irre langen Lockdowns, kamen die Leute zum ersten Mal endlich raus und haben die Straßen, Parks und öffentlichen Anlagen wieder in Besitz genommen. Aber im Gegensatz zu unseren Breitengraden geschah das mit großem Respekt für all das, was eben der Gemeinschaft gehört. Das hat mich zu dieser Geschichte inspiriert und ihrer Hauptfigur, dem Mann namens Hirayama, der geradezu in mönchischer Einfachheit lebt und von einem Sinn für das Gemeinwohl erfüllt ist.

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Glauben Sie, dass wir in der westlichen Welt zu diesem Gemeinsinn zurückfinden können?

Wenders: So schnell nicht, fürchte ich. Die Haltung des „Jeder für sich“ verstärkt sich nur noch mehr. Politisch hat sich das schon vor einiger Zeit manifestiert in „Make America Great Again“. Jedes Land, jede Region und inzwischen jeder Mensch will das. „Make Me Great Again. Fuck the Rest.“ In Amerika hat das schon einen Zustand erreicht, den man kaum noch Demokratie nennen mag. Diese Polarisierung schwappt jetzt zu uns herüber. Ich weiß nicht, wie sich die Leute aus dieser Haltung „Jeder für sich und Gott gegen alle“ - um Werner Herzog zu zitieren - wieder berappeln sollen. Es gäbe wohl nur Katastrophen, nach denen das Gemeinwohl die einzige Alternative wäre, aber so was will ich nicht heraufbeschwören.

Inwieweit sind Sie eine Inspiration für die nachkommenden Generationen?

Wenders: Ich finde im Gegenteil die junge Generation inspirierend, zumindest einen Teil davon. Es gibt ja durchaus Jugendliche, die einem Trend zum Minimalismus folgen und mit erstaunlich wenig auskommen. Da gibt es regelrechte Wettbewerbe, wessen Besitztümer wirklich in einen einzigen Koffer passen. Dieser Trend kommt auch aus den USA zu uns. Viele dieser jungen Leute haben dieses große Bewusstsein, dass das Zuviel von allem, aber nicht für alle, das wirkliche Problem unseres Planeten ist. In der Tat ist die heilige Kuh des ewigen Wachstums unser großes Dilemma. Anders als die jungen Leute komme ich erst auf meine alten Tage darauf, dass man da nicht mehr mitmachen sollte.

Andererseits droht der jungen Generation durch die digitalen Medien die Tuchfühlung mit der Wirklichkeit verloren zu gehen. Sehen Sie diese Gefahr auch?

Wenders: Alle starren überall auf ihre Smartphones, und so nützlich die auch sind – ich habe ja selbst eines – es macht mich traurig, dass niemand mehr auf anderes oder andere achtet. Da ist eine regelrechte Blindheit für die Welt. Vor der Pandemie bin ich durch China gereist, und da war alles noch einen Zacken verschärfter. Ich war an einigen wunderschönen Orten, und da war ich oft umgeben von Hundertschaften, die das überhaupt nicht mehr gesehen, sondern nur noch mit ihren Handys fotografiert haben. Da wurde nicht mal mehr der Kopf gehoben. Das ist eine fürchterliche Abhängigkeit oder Sucht. Und das wird nicht besser. Alles, was einmal so ist, verändert sich nicht mehr von selbst zu Besserem. Dabei sind die Augen doch ein wunderbares Instrument und das Gedächtnis ist ein großartiger Speicher. Dass die Menschen bereit sind, mehr und mehr darauf zu verzichten, das macht mich fassungslos. Oder schauen Sie auf den Verlust eines anderen unserer Sinne, des Ortssinns. Den haben wir schon komplett abgegeben an unsere ständig paraten Navigationssysteme. Neulich gab es einen Versuch dazu in New York. Eine Gruppe von Menschen ging den ganzen Tag mit einer Karte durch die Stadt, eine andere mit ihren Handys und deren Navigationssystemen. Alle sollten dieselben Orte finden und anschauen. Die Gruppe mit den Karten hatte am Ende viel zu erzählen, die mit den Handys kaum etwas, da war nichts hängen geblieben.

Ihre Kollegen wie Martin Scorsese meinen, dass im Marvel-Zeitalter auch das klassische Kino bedroht ist. Muss es ums Überleben kämpfen?

Wenders: Durchaus. Auch das tatsächliche Erzählen ist ein Sinn, der verloren geht oder ums Überleben kämpft. Da sind aber Gott sei Dank eine Menge Kollegen unterwegs, um das Kino und das Erzählen zu retten. Da würde ich neben Scorsese auch durchaus James Cameron nennen. Ich finde es bemerkenswert, wenn so eine 3-D-Mainstream-Actionzauberei wie sein zweiter „Avatar“-Film als zentrales Thema die Familie in den Mittelpunkt rückt und da tatsächlich die Erziehung von pubertierenden Teenagern behandelt. Das muss man erst mal schaffen. Jetzt kämpft er in Hollywood um den Erhalt eines echten 3-D, weil die meisten Filme nur noch mit getürktem 3-D gedreht werden, bei dem mit einer Kamera in 2-D gearbeitet wird, das dann von Computern hochgerechnet wird auf ein 3-D, das den Augen und dem Kopf weh tut.

Könnten Sie sich eigentlich vorstellen, nach der Reduktion eines Tages wieder gemeinsam zu expandieren?

Wenders: Völlig ausgeschlossen. Der Weg, auf dem wir da sind, will kein Zurück. Man will ja nicht plötzlich wieder Sammler werden oder sich neue Sammlungen anschaffen. Ich habe mich schon von einem guten Drittel meiner Schallplatten getrennt. Bei den Büchern war es fast die Hälfte. Vielleicht bin ich bald so weit, ein weiteres Drittel oder so wegzulassen, wenn ich demnächst merke, welche davon ich nicht mehr gehört habe. Dann brauche ich die auch nicht weiter. Es ist schon sehr zufriedenstellend, weniger um sich herum zu haben! Das gilt auch für das Einkaufen von Lebensmitteln. Ich mache das gerne, aber habe grundsätzlich von allem immer zu viel gekauft. Jetzt habe ich gemerkt, wie oft die zweite Flasche Milch oder der vierte Joghurt nicht aufgebraucht werden. Also kaufe ich die nicht mehr.

Aber können Sie ohne Weiteres Ihre Bücher loswerden? An denen dürften Sie als gebildeter Mensch doch hängen.

Wenders: Tu ich auch. Aber auch bei Büchern ist Besitz überschätzt. Auch von denen sind jetzt viele an die Stiftung gegangen, wie zum Beispiel das ganze Regal voller Bücher über Berlin oder die Unmenge von Literatur über Engel aus der Zeit, als ich den „Himmel über Berlin“ gedreht habe. Jeder Film generiert ja regelmäßig seine eigenen Regalbretter voller Bücher. Über den Papst hatte ich hundert Bücher und über Anselm Kiefer auch.

Was heißt „sind an die Stiftung gegangen“?

Wenders: Meine Filme haben ja alle mal „mir gehört“, weil ich sie fast alle selbst produziert habe. Aber auch da bringt Besitz nicht weiter, habe ich gemerkt, weder mich noch die Filme. Wem gehören die nämlich, wenn sie mal durch ihre erste Auswertung durch sind? Mir? Oder sind sie nicht vielmehr wie Kinder, die inzwischen erwachsen sind und es jetzt verdienen würden, selbstständig zu sein? Gehören sie nicht letzten Endes vor allem den Menschen, die dafür Augen haben und denen diese Filme etwas bedeuten? Diese Überlegungen haben uns dazu gebracht, meine Frau und mich, eine solche Existenzform für Filme, die also ihrer Kinderzeit entwachsen sind, zu Ende zu denken. Die ideale Form dafür war schnell klar: Das war eine gemeinnützige Stiftung, in der alles Geld, das diese Filme generieren – einige von ihnen sind ja Klassiker geworden, die nach wie vor weltweit ausgewertet werden –, nicht mehr in private Taschen fließt, sondern in ebendiese Filme zurückgeht. Sie verdienen damit ihren Lebensunterhalt selbst.

Wie verdient ein alter Film seinen „Lebensunterhalt“?

Wenders: Das Leben aller Filme, die noch analog auf Filmmaterial gedreht wurden, ist ja praktisch vorbei, es sei denn, sie werden hochwertig digital restauriert und können so gut gewappnet der Zukunft in die Augen sehen. So eine Restaurierung und ein Übersetzen eines Films in ein anderes Medium ist langwierig und kostspielig. Die Wim Wenders Stiftung hat so jetzt schon 22 Filme zukunftsfähig gemacht, bzw. die Filme haben sich selbst gerettet. Alle meine Filme bis auf einige wenige Ausnahmen liegen da jetzt, sind ihre eigenen Herren und hängen nicht mehr an meinen Rockschößen. Das war auch eine Form der Reduktion für uns und eine höchst empfehlenswerte und befreiende, für uns und für die Filme. Wir nennen das gerne eine „Wim-Wim-Situation“. (lacht)

Zur Person: Wim Wenders, 1945 in Düsseldorf geboren, hat mit Filmen wie "Paris, Texas" und "Der Himmel über Berlin" weltweite Bekanntheit erlangt. Am 21. Dezember kommt sein neuer Film "Perfect Days" in die Kinos, den er in Japan gedreht hat.

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