Bei starkem Frost frieren die Ventile ein
Finning "Ein gutes neues Jahr" - Nachdem die letzten Töne verklungen sind, ein Neujahrsgruß und dann geht es einige Schritte weiter zur nächsten Häusergruppe. "Wir haben schon um 8.30 Uhr in Schwifting angefangen", erzählt Robert Bleicher, bevor er sein Instrument ansetzt. 1977 sei die Musikkapelle Entraching erstmals ausgezogen, um musikalische Neujahrswünsche zu überbringen. "Damals waren wir hauptsächlich bei befreundeten Musikern", so Bleicher. Mittlerweile ziehen die Musiker zum Jahresende durch Schwifting, Finning und Entraching. 17 Mann sind unterwegs und nehmen Aufstellung zum kurzen Ständchen. Die Sonne scheint, das Thermometer zeigt vier Grad über Null, aber es bläst ein kalter Wind. So hat sich mancher für die Pudelmütze entschieden und den Anorak zur Lederhose kombiniert. Aber einige trotzen auch der Kälte und zeigen sich in Haferlschuh, Lederjacke, Trachtenjanker und -hut.
Ein Willi wärmt von innen
Mag es auch den einen oder anderen in die Hände frieren, ein Problem ist das Wetter noch lange nicht. "Bei Minustemperaturen frieren die Ventile ein", erläutert Bleicher und erzählt von einer Neujahrstour, bei der die Musiker sich und ihre Instrumente immer wieder in einem Wagen mit Heizstrahlern aufwärmen mussten. Auch Regen und Schnee haben es in sich, wer die großen Öffnungen der Blasinstrumente sieht, kann sich die Schwierigkeiten gut vorstellen.
Fürs Aufwärmen gibt es auch noch ein ganz anderes Mittel: Der fruchtig-würzige Geruch von Williamsbirne hängt in der Luft. Bettina Leicher, vor deren Haus die Gruppe sich aufgestellt hat, hat ein kleines Tablett mit mehreren Schnapsgläsern gebracht, traditionell wird den Musikern neben Geldgeschenken auch Schnaps ausgeschenkt. "Wir spielen meist einfache Straßenmärsche, also Stücke, die auch bei Festzügen gespielt werden", so Leicher. Tenorhorn, Flügelhorn, Helikon, Trompete, Posaune und Klarinette sorgen für schmetternde Melodien, ein Bass gibt den Takt und eine Triangel bringt zartes Geklingel ein. Während die Instrumente erklingen, gehen jüngere Kapellenmitglieder zu den Hauseingängen. So manche Tür ist längst geöffnet. "Ich hab' in der Zeitung gelesen, dass sie heute kommen", erzählt Michael Buchner, während er Bleicher zwei Likörflaschen reicht. Bei einem Bauernhof steht gleich die ganze Familie im Hof und wartet aufs Neujahrsanblasen.
Uralt oder aus dem 19. Jahrhundert?
Wie es um die Ursprünge dieses Brauches bestellt ist, daran scheiden sich die Geister. Wer im Internet surft, findet Eintragungen, die das Neujahrsanspielen oder -anblasen alten Lärm- und Weckbräuchen zuordnet, "so wie das Apperschnalzen". Bräuche, mittels derer die Dämonen des Winters vertrieben und der Frühling begrüßt werden sollte. Martin Wölzmüller vom Landesverein für Heimatpflege zweifelt jedoch an den keltischen Wurzeln, die derartigen Bräuchen nachgesagt werden: "Vieles entspringt eher einer im Zeitalter der Romantik sich entwickelnden Sehnsucht nach keltischen oder germanischen Wurzeln." Viele Bräuche seien erst im 19. Jahrhundert entstanden. Es habe damals zwar sicherlich ältere Überlieferungen und Erzählungen gegeben, berichtet Wölzmüller beispielsweise im Zusammenhang mit den Perchten, den zotteligen Spukgestalten aus dem Voralpenland. Aus diesen Erzählungen seien dann Bräuche entstanden. "Es ist aber gar nicht so wichtig, ob die Dinge uralt sind, wichtig ist, dass etwas passiert und sich die Leute daran freuen."
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