Gemalte Fragen
Die Malerin Grazyna Guerrero über das Thema „Grenzen“
Der Kreis schließt sich vom Ende her bei der Hängung, zu der sich Grazyna Guerrero in ihrer aktuellen Ausstellung im Studio Rose in Schondorf am Ammersee entschlossen hat: im Eingangsbereich, auf einer Staffelei – „noch in Arbeit?“, denkt man fast unwillkürlich – „Fuego“, das mit der Nummer 30 letztaufgeführte Werk der Ausstellungsliste. Links neben dem Flammenmeer auf der Staffelei, an der zurückliegenden Wand, findet sich mit der Nummer 29 eine Arbeit, die sich in beinahe jeder Hinsicht so konträr zu ihrem ungestüm daherkommenden Nachbarn verhält, dass man sie aus diesem Grund vielleicht erst einmal gar nicht wahrnimmt. Beklemmend die Atmosphäre, in der sich eine Figurengruppe, nur als dunkle Umrisse zu erkennen, durch ein schleusenartiges, gleißend weißes Lichttor in einen düsteren, nicht näher definierten Raum drängt und dort im Aufprall auf einen das Bild im linken Viertel senkrecht durchschneidenden rot-weißen Schlagbaum zur bloßen Farbmasse kumuliert. Einige straucheln, taumeln zurück – die Szene löst sich nach unten hin auf. „Die Grenze“, so der Titel dieses frühen, 1986 entstanden Gemäldes der polnischstämmigen Künstlerin, schildert eindrucksvoll das bis zum physischen Schmerz empfundene, traumatische Ohnmachtsgefühl angesichts der Unüberwindbarkeit konträrer Ideologien, mit der sich Ost- und Westblockstaaten in der Zeit des „Kalten Krieges“ gegenüberstanden und voneinander abschotteten. So konkret die Situation, so unvermittelt ist hier auch die künstlerische Stellungnahme.
Dreißig Jahre später, die „Mauer“ ist gefallen, die meisten Schlagbäume haben ausgedient, greift die Malerin das Thema Grenze noch einmal auf. Ein ganzer Bilderzyklus entsteht: „Über Grenzen“. Fünf Bilder daraus – alle im Hochformat, etwa 100 auf 80 Zentimeter groß, alle mit dem gleichen Motiv, sind in Schondorf zu sehen: In ungestümer Bewegung stürzen, vom oberen, rechten Bildrand kommend eine Frauenfigur, vom unteren linken Bildrand, teilweise durch diesen angeschnitten, ein Mann, im wilden Sprung aufeinander zu. Es entstehen Kreuzungspunkte, im Idealfall kommt es zum einvernehmlichen Aufeinandertreffen oder aber zur Konfrontation. „Über Grenzen“ schreiten, so Guerreros Hinweis, müssen wir nach wie vor. Die Schwierigkeit heute besteht darin, Grenzverläufe überhaupt erst zu erkennen – auch die eigene, innere Begrenztheit auszuloten.
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