Ein Ei gegen den Kopf am Valentinstag
Das Duo „municussion“ bot unterhaltsames Percussionspiel auf höchstem Niveau. Ein großes Vergnügen für alle und es tat auch gar nicht weh
Ungewöhnlich war fast alles an diesem jüngsten Konzert in der Reihe „Kammermusik im Bibliothekssaal“: die Verlegung in die aus der Renovierungszeit des Stammspielorts schon bekannte Maschinenhalle in der Epfenhauser Straße, das reine Schlag-„Zeugs“-Programm und dessen alleinige Ausführende, das Percussion-Duo „municussion“ mit Jörg Hannabach von den Münchner Philharmonikern und Andreas Moser vom Münchner Rundfunkorchester, dazu ein Publikum, das den sonst bei Veranstaltungen aus der Sparte Klassik üblichen Altersdurchschnitt rekordverdächtig senkte, und, für die Jüngsten darunter, die vielen zwischen Bühne und erster Stuhlreihe auf dem Boden verteilten Sitzkissen. Aber auch das: ein Ei gegen den Kopf von Andreas Moser zum Schluss des Konzerts - doch nicht aus den Reihen eines enttäuschten Publikums, das zeigte sich im Gegenteil begeistert vom Auftritt der beiden virtuosen Rhythmusakrobaten. Der „Täter“ war Moser selbst. Verdutzte Gesichter quer durch die Reihen, nicht so sehr wegen der Aktion an sich. Vielmehr hatte sich in dem Moment eine Erwartung nicht erfüllt und war ein fast schon vorausgehörtes Klangerlebnis ausgeblieben: das leise Rieseln feiner Perlen im Hohlraum eines „Chicken Egg“. Dieses fast handgroße, ovale Klanginstrument war schon in Eingangsstück „Patida de Dohaun“, einer Eigenkomposition Mosers und sogar Uraufführung, zu erleben gewesen, und dieses glaubten die Zuhörer auch nun wieder vor sich. Stattdessen nur ein Geräusch, das dumpfe „Plock“, mit dem die Schale eines jetzt echten, hartgekochten Eies beim Aufprall auf Mosers Kopf zerbrach. Mit einem wie zufällig in seiner Hosentasche gefundenen Löffel machte der sich daraufhin genüsslich an den Verzehr der kleinen kulinarischen Köstlichkeit und mit seiner Pantomime gleichzeitig dem Publikum auf tirolerisch-charmante Art klar: Ab jetzt herrscht Funkstille bei Hannabach und Moser. Die Künstler haben, wenn überhaupt noch irgendetwas nach diesem schweißtreibenden Abend, dann Hunger.
Appetitanregend in dem anspruchsvollen Programm war dabei sicher auch die höchst amüsante Spielszene „Mahlzeit“ der vorausgegangenen zweiten Zugabe, angerichtet am eigens aufgebauten bewegt-beweglichen Hüpf-Tisch mit je einem Holzlöffel in der Hand als akustischem Kochbesteck. Zuvor hatten schon Chick Coreas temperamentvolle Komposition „Armando’s Rhumba“ und eine ausschließlich klatschend vorgetragene Rhythmusstudie des Minimal-Musikers Steve Reich – „unser Applaus an Sie“ – vollen Körpereinsatz gefordert. Dabei bedurfte es bei „Clapping Music“ gleichzeitig höchster Konzentration: der immer gleiche Rhythmus, durchgeklatscht, jedoch mit einer Phasenverschiebung, „immer um ein Achtel. Man muss nur zusehen, dass man am Ende gemeinsam rauskommt“, verharmloste diese Schwierigkeit Andreas Moser, dem, wie Jörg Hannabach dem Publikum eingangs mitgeteilt hatte, per Losentscheid an diesem Abend auch die Rolle des Moderators zugefallen war. Anspannung und größte Aufmerksamkeit in den Gesichtern der beiden Akteure auch schon beim Einzählen von Andy Papes „CaDance“, einer Komposition aus dem Jahr 1989, bei der es nicht nur um Musik, sondern auch um Mathematik gehe: „Wenn man einen 50/8-Takt mit einem 49/8-Takt kombiniert“, so Moser, „dann sind wir fast schon bei Einstein.“
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