Pfadfinder aus Israel und dem Kreis Landsberg leisten Erinnerungsarbeit
Die Pfadfinder vom Stamm Lechrain starten ein Pilotprojekt. Eine Gruppe Jugendlicher aus Israel besucht die KZ-Gedenkstätten im Landkreis Landsberg.
In Israel ist es üblich, dass Schüler und Schülerinnen in ihrem letzten Schuljahr an einer Erinnerungsfahrt nach Auschwitz in Polen teilnehmen, die von Pfadfindern organisiert wird. Sophia Albrecht, Vereinsleitung beim Pfadfinderstamm „VCP Stamm Lechrain“, hat durch ihr Engagement in der Holocaust-Gedenkarbeit einige Pfadfinder in Israel kennengelernt. So auch Dor Posner, Direktor der internationalen Begegnungen der israelischen Pfadfinderbewegung. Gemeinsam entwickelten sie die Idee, regelmäßige Erinnerungsreisen nach Oberbayern zu machen – vor Kurzem fand die Premiere statt.
„Wir haben nicht nur durch Dachau eine schwere Vergangenheit in dieser Region: Im Landkreis Landsberg waren elf Außenlager des Konzentrationslagers Dachau“, so Sophia Albrecht. Das Besondere an dem Außenlagerkomplex Landsberg/Kaufering sei, dass das Lager VII in kleinen Teilen noch steht und von der Europäischen Holocaustgedenkstättenstiftung gepflegt wird. Auch der zu drei Vierteln fertiggestellte Bunker steht heute noch und wird von der Bundeswehr genutzt. „Wir möchten den Jugendlichen ein echtes Alternativprogramm zu der Erinnerungsfahrt nach Polen ermöglichen“, so Projektleiterin Sophia Albrecht. „Ziel ist, dass die Teilnehmer und Teilnehmerinnen nicht nur etwas über unsere gemeinsame Geschichte lernen, sondern diese auch real sehen und verstehen können.“
Nicht nur die traurige Vergangenheit ist Thema
Doch nicht nur die dunkle und traurige Vergangenheit der beiden Länder und der Religionen spiele eine Rolle, sondern auch die heutige Freundschaft. „Daher ist der wichtigste Aspekt bei dieser Erinnerungswoche das Aufeinandertreffen von deutschen und israelischen Jugendlichen und eine gemeinsame Aufarbeitung der Geschichte.“
Beim Pilotprojekt trafen sich nun 70 Jugendliche aus Israel und 20 aus dem Landkreis Landsberg. Auf dem Programm standen ein Besuch der KZ-Gedenkstätte Dachau, eine Führung durchs Münchner Regierungsviertel und ein Besuch des NS-Dokumentationszentrums München. Hinzu kamen Gesprächsrunden, ein Online-Zeitzeugengespräch mit dem Überlebenden Avigdor Neumann sowie Führungen durch den Bunker beziehungsweise die heutige Welfenkaserne und das Lager VII westlich von Landsberg.
In Gesprächen wird die Vergangenheit aufgearbeitet
Besonders wichtig seien die abendlichen Gesprächsrunden zum Aufarbeiten des Gesehenen gewesen. „Man merkt, dass man bei Menschen etwas verändert und erreicht hat, wenn sie nach dem Abendessen in der Freizeit nicht direkt zum Tischtennisspielen gehen, sondern sich Gesprächsrunden bilden und Jugendliche die Tagesreferenten mit Fragen und Thesen belagern“, sagte eine israelische Gruppenleiterin.
Neben der geschichtlichen Aufarbeitung sollten die Jugendlichen aber auch Oberbayern und die deutschen Teilnehmer besser kennenlernen. So gehörten beispielsweise auch ein Besuch des Olympiaparks, ein Geländespiel im Englischen Garten, Eisessen in der Landsberger Innenstadt oder ein Soccer- und Tennistag zum Programm.
Weitere Treffen sind schon geplant
„Besonders schön war unser Abschlussabend in einem bayerischen Restaurant. Wir durften uns nicht nur durch eine Vielzahl typischer Gerichte probieren, sondern einige bayerische Traditionen kennenlernen und uns von unseren neuen Freunden verabschieden“, so eine der israelischen Teilnehmerinnen. Ein Höhepunkt war außerdem der Besuch von Dr. Charlotte Knobloch, der Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern. Der Abschied fiel allen schwer – es hatten sich Freundschaften zwischen den Teilnehmerinnen und Teilnehmern entwickelt und private Besuche in Deutschland und Israel wurden bereits geplant. Nach dem Erfolg des Pilotprojekts wurden bereits die Planungen für 2023 begonnen. (lt)
Informationen Weitere Bilder und Videos vom Besuch gibt es auf der Facebook- oder Instagram-Seite des VCP Stamm Lechrain.
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