Die erschöpften Arbeitnehmer
Die Deutschen arbeiten sich kaputt. Doch Burnout kann verhindert werden.
Die Deutschen arbeiten sich kaputt. Denkt man das Szenario zu Ende, das mancher Experte von der neuen Volkskrankheit Burnout zeichnet, kommt man bei dieser Behauptung an. Eine erschöpfte Gesellschaft. Ist das der Preis, den Deutschland für seinen Wohlstand und der fleißige Arbeitnehmer für Haus, Auto und Flachbildfernseher zahlen muss?
Burnout, die völlige körperliche oder psychische Erschöpfung, ist eine schwer zu greifende Diagnose. Weil die Medizin keine klare Definition kennt. Weil die Symptome so vielfältig sein können. Weil schnell der Satz fällt: Das ist doch keine Krankheit. Und weil die einen von einem Phänomen reden, das Millionen betrifft, und die anderen über Geschäftemacherei und Trittbrettfahrer schimpfen, die sich vor der Arbeit drücken. Was also?
Eine Sache lässt sich nicht wegdiskutieren: Die Arbeitswelt ist anspruchsvoller, schnelllebiger und rücksichtsloser geworden. Der Leistungsdruck steigt und von vielen wird erwartet, auch am Abend für den Chef erreichbar zu sein. Im Zeitalter von Leiharbeit und Mini-Jobs, mitunter mehreren gleichzeitig, muss sich mancher strecken, um über die Runden zu kommen.
War früher alles besser? Beileibe nicht. Dass vor 30 Jahren niemand den Begriff Burnout kannte, heißt nicht, dass es die Krankheit nicht gab. Und was sollen die sagen, die 50 Stunden die Woche im Bergbau gearbeitet haben oder sieben Tage die Woche auf dem Feld – wie übrigens viele heute noch? Die Medizin antwortet darauf: Viel körperliche Arbeit verhindert kein Burnout. Aber sie kann dem Körper dabei helfen, Stress abzubauen. Nur: Wo ist das Ventil für den Büromenschen des Jahres 2011?
Was ist überhaupt Stress? Wenn Zeit- und Konkurrenzdruck immer größer werden, warum trifft es dann nicht alle in einer Firma? Weil nicht alle gleich sind. Bei jedem reagieren Körper, Geist und Seele anders. Sind wir nur Getriebene? Nein, wir treiben auch uns selbst. Weil wir Anerkennung wollen und mehr Geld, auch wenn es nur für das neueste Handy reicht. Weil wir uns nicht eingestehen wollen, dass wir überfordert sind. Oder nicht Nein sagen können.
Burnout trifft gerade die Fleißigen und die Perfektionisten. Deswegen ist es nicht nur ein Thema aus der Berufswelt. Es ist ein Thema für die alleinerziehende Mutter, für diejenigen, die nebenbei aufopferungsvoll Angehörige pflegen oder sich im Ehrenamt aufreiben, ohne dies an die große Glocke zu hängen. Noch mag die Gesellschaft nicht erschöpft sein. Aber immer mehr ihrer Leistungsträger sind es.
Burnout kann verhindert werden. Durch Chefs, die die Gesundheit ihrer Mitarbeiter fördern. Durch mehr Eigenverantwortung. Und indem man sich auch mal die Frage stellt: Was ist wichtig im Leben?
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