Vorrang für den Schutz der Bevölkerung
Das Grundrecht auf Freiheit steht jedem zu, auch Sexual- und Gewaltverbrechern. Aber dürfen deren Rechte mehr zählen als der Schutz der Allgemeinheit?
Dutzende gefährliche Sexual- und Gewaltverbrecher sind auf freien Fuß gelangt, weil die Gesetze zur Sicherungsverwahrung sowohl vom Europäischen Menschengerichtshof als auch vom Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt worden sind. Experten erwarten, dass zahlreiche weitere Straftäter demnächst nach Verbüßung ihrer Haft ebenfalls freikommen und wegen der Rückfallgefahr rund um die Uhr überwacht werden müssen.
Auch der Münchner „Westparkmörder“ steht vor der Freilassung, nachdem das Landgericht den Antrag der Staatsanwaltschaft auf sichere Verwahrung abgelehnt hat – und das, obwohl zwei der drei psychiatrischen Gutachter ein beträchtliches Risiko sehen. Es ist der jüngste Fall in einer Serie von Urteilen, die in der Bevölkerung zu Recht auf Unverständnis stoßen und die Frage aufwerfen, ob die Freiheitsrechte von Schwerverbrechern inzwischen mehr zählen als der Schutz der Allgemeinheit.
Selbstverständlich sind die Gerichte an die höchstrichterliche Rechtsprechung gebunden. Sowohl die rückwirkende Verlängerung als auch die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung wurden in ihrer jetzigen Form gekippt. Der liberale Rechtsstaat gewährt nach Verbüßung der Strafe auch jenen das Grundrecht auf Freiheit, die anderen das Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit genommen haben. Das muss so sein – selbst um den furchtbaren Preis, dass Menschen Rückfalltätern zum Opfer fallen. Umso wichtiger ist, dass die Gerichte im Zweifel dem Schutz von Kindern und Frauen Vorrang vor den Rechten notorischer, teilweise gar nicht therapierbarer Gewalttäter einräumen und die möglichen schlimmen Folgen ihrer Urteile schärfer in den Blick nehmen.
Jeder Fall mag anders liegen. Aber unter dem Strich sieht es leider nicht so aus, als ob der Ermessensspielraum zugunsten des bestmöglichen Schutzes der Bürger auch ausgeschöpft würde. Es gibt keine absolute Sicherheit. Doch die Menschen brauchen das Gefühl, dass sich der Staat im Umgang mit Schwerverbrechern eher auf der sichereren Seite bewegt. Deshalb muss auch das Instrument der nachträglichen Sicherungsverwahrung bei der anstehenden Gesetzesneuregelung erhalten bleiben.
Die Politik wusste seit 2004, dass Sicherungsverwahrte in speziellen Therapieanstalten untergebracht werden müssen. Geschehen ist nichts. Erst jetzt, auf Weisung aus Karlsruhe, nimmt man eine verfassungsgemäße Ausgestaltung der Sicherungsverwahrung in Angriff. Die Verunsicherung, die mit der – gelegentlich überstürzten – Freilassung teils schon wieder rückfällig gewordener Täter einhergeht, ist auch das Resultat schwerer politischer Versäumnisse.
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