Politischer Basar
Das Ende des Hartz-IV-Streits
377 Tage haben Regierung und Opposition, Bund und Länder gebraucht, um eine Schelte des Bundesverfassungsgerichts für schwere handwerkliche Fehler in der Sozialgesetzgebung auszubügeln. In dieser Zeit haben sie eine Menge Unmut auf sich gezogen. Zu stark war der Eindruck, dass wahltaktische Überlegungen im Vordergrund standen. Zudem waren die Auseinandersetzungen zwischen Schwarz-Gelb und Rot-Grün überfrachtet mit ideologisch getriebenen Maximalforderungen. Anstatt die Vorgaben aus Karlsruhe konsequent umzusetzen, ging es beim Kuhhandel um einen höheren Regelsatz für die Empfänger des Arbeitslosengeldes II zu wie auf einem Basar.
Das wochenlange Tauziehen, das Vertrösten von einer nächtlichen Spitzenrunde zur nächsten, das mehrfache zwischenzeitliche Scheiternlassen haben der Politikerverdrossenheit neue Nahrung gegeben. Dass der entscheidende Durchbruch ausgerechnet in der Nacht nach den Bürgerschaftswahlen in Hamburg – mit einer der größten Pleiten in der Geschichte der CDU und einem außergewöhnlichen Sieg der SPD – zelebriert wurde, macht die Akteure nicht glaubwürdiger.
Nun also bekommen die Hartz-IV-Bedürftigen fünf Euro mehr im Monat. Das ist ein Plus von knapp 1,4 Prozent. Die Berechnung des neuen Regelsatzes erscheint genauso undurchsichtig wie bisher. Warum gerade fünf Euro mehr und nicht 5,50 oder 6,20 Euro? Die Rechnung orientiert sich augenscheinlich immer noch an der Kassenlage des Finanzministers anstatt an den tatsächlichen Bedürfnissen der Leistungsempfänger. Gut möglich, dass die Karlsruher Richter deshalb bald auch den jüngsten politischen Kompromiss auf seine Verfassungstauglichkeit hin abklopfen müssen.
Fragt sich, wer als Sieger aus dem Geschachere um höhere Regelsätze, Mindestlöhne für 1,2 Millionen weitere Arbeitnehmer und um das Bildungspaket für 2,5 Millionen hervorgegangen ist. Wie bei fast jedem Kompromiss üblich, nehmen fast alle Parteien den Erfolg für sich in Anspruch. Das politische Spiel setzt sich also fort. Die Lage der Hilfeempfänger selbst spielt immer noch eine eher untergeordnete Rolle.
Entscheidend wird sein, wie das beschlossene Paket nun in die Praxis umgesetzt wird, wie vor allem die Lage der bedürftigen Kinder spürbar verbessert wird. Aber auch, wie es gelingt, mithilfe der Mindestlohnregelungen den Wert von Arbeitsleistung zu festigen. Noch wichtiger aber ist es, durch Bildung, Schaffung von Arbeitsplätzen und solides Wirtschaften die Zahl der Hartz-IV-Empfänger deutlich zu reduzieren. Das Ende des Streits bedeutet nicht das Ende aller sozialpolitischen Anstrengungen.
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