Günzburg schlägt Tokio
Ein Staatsgeheimnis kann kaum besser gehütet werden. Im stillen Kämmerlein und abgeschottet von der Öffentlichkeit wurde über den großen Coup verhandelt.
Nicht weniger als fünf Jahre hatten die Vorarbeiten gedauert, am 17. Mai 2002 war es endlich so weit: Deutschlands einziger Legoland-Park wurde vor den Toren Günzburgs eröffnet. Proteste hatte es im Vorfeld der großen Eröffnungsparty, zu der unter anderem Bundesinnenminister Otto Schily gekommen war, zwar gegeben, doch sie kamen zu spät. Da waren die Fakten schon geschaffen.
Vor allem Naturschützer hatten beklagt, dass für den Lego-Park nicht nur breite Erschließungsstraßen gebaut und eine Vielzahl von Bäumen gefällt werden mussten. Ein Dorn im Auge war ihnen vor allem, dass der sogenannte "Zauberwald" am Rande des Vergnügungsparks der Axt und den Baggern zum Opfer gefallen war. Der "Zauberwald" war ein zunächst von der Wehrmacht und nach Kriegsende von der US-Army genutzter Übungsplatz. Wegen der im Boden verbuddelten gefährlichen Munition war das Waldareal über Jahrzehnte für die Öffentlichkeit gesperrt. In dieser unberührten Natur hatten seltene Tiere und Pflanzen eine Heimat gefunden. Die Naturschützer empfanden es als Frevel, dieses Refugium für eine Welt aus Plastikklötzchen zu opfern.
Neben dem Günzburger Oberbürgermeister Dr. Rudolf Köppler (SPD) zählte der frühere Bundesfinanzminister und örtliche Wahlkreisabgeordnete Dr. Theo Waigel (CSU) zu jenen, die den Park des dänischen Spielwarenkonzerns nach Günzburg holten. Er wie andere Befürworter des Lego-Projekts verwiesen darauf, dass die im "Zauberwald" vergrabene Munition über kurz oder lang geborgen werden muss, um Schaden von der Natur abzuwenden. Vor allem giftige Schwermetalle, die aus den Geschossen ausgeschwemmt wurde, erwiesen sich zunehmend als Belastung für das Grundwasser.
Die Entmunitionierung des Geländes - bei einem tragischen Unglücksfall kam ein Sprengmeister ums Leben - hatte 17 Millionen Euro gekostet, der Bund als Eigentümer des früheren Muna-Geländes hatte das gesäuberte Areal für 8,6 Millionen an Lego verkauft. Dafür handelte sich Dr. Theo Waigel zunächst zwar Kritik vom Bundesrechnungshof ein, doch seine Argumente und die der anderen Befürworter des Projekts - nicht die Kosten seien das vorrangige Kriterium, sondern der wirtschaftliche Folgeertrag - sollten sich rasch als richtig erweisen.
Denn Günzburg und die Region erlebten und erleben durch den Legoland-Park einen ungeahnten wirtschaftlichen, vor allem touristischen Aufschwung. Genaue Zahlen nennen die Verantwortlichen des Legoland-Parks - er gehört inzwischen der Merlin Entertainments Gruppe - zwar nicht, doch schon im ersten Jahr wurden offiziell 1,3 Millionen Besucher vermeldet. Eine Zahl, die seitdem jährlich wieder erreicht wird. Nicht nur Naturschützer und etliche Bürger waren zunächst skeptisch, auch
die Hotel- und Gastronomiebranche hielt sich in der ersten Zeit mit den gewünschten Investitionen in neue Fremdenzimmer und kulinarische Zusatzangebote zurück.
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Doch schon rasch sollte sich die positive Sogwirkung des Leogland-Parks mit Zahlen untermauern lassen. Während das Hotel- und Gaststättengewerbe 2002 bayernweit über Rückgänge klagte, stieg die Zahl der Übernachtungen in der Region um Günzburg rapide an.
Während der Sommermonate sind die Parkplätze des Freizeitparks rappelvoll, nicht nur der Günzburger Marktplatz wimmelt vor Touristen, die einen Besuch im Legoland mit einem Abstecher in die Innenstädte rund um den Park nutzen - sehr zur Freude der Gaststätten und Cafes, der Geschäfte, der Hoteliers und der Taxifahrer.
Rund 140 ganzjährige Arbeitsplätze wurden im Lego-Park geschaffen, einschließlich der Saisonkräfte arbeiten in Zeiten des Hochbetriebs bis zu 1000 Menschen in der Erlebniswelt, die seit der Eröffnung jährlich um eine weitere Attraktion bereichert worden ist. 2007 kam ein "Piratenland" hinzu, 2009 soll eine Art "Unterwasserwelt" entstehen. Abgerundet wurde der Park 2008 um ein Feriendorf mit 45 Ferienhäusern mit zusammen knapp 400 Betten, einen Campingplatz mit 200 Stellplätzen, ein Restaurant mit 250 Sitzplätzen sowie einen Sandstrand mit See und Spielplätzen.
Bei mancher Skepsis zu Beginn: Die Worte von Otto Schily bei der Eröffnung haben sich bewahrheitet. "Günzburg und die Region haben mit dem Legoland-Park das große Los gezogen." Der Erlebnis- und Freizeitpark hat sich zu einer der größten Touristenattraktionen Bayerns entwickelt.
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