SSV Ulm trennt sich von Stadionsprecher: Sexismus-Expertin gibt Spatzen recht
Der Streit um eine sexistische Äußerung des ehemaligen Stadionsprechers des SSV Ulm Fußball geht in die Verlängerung.
Jürgen Ortlieb bezichtigt den Verein des üblen Foulspiels, eine Rufmordkampagne gegen ihn sei losgetreten worden. Auch rechtliche Schritte behält sich der ehemalige Radio-Moderator vor.
Dass Frauen hübschere Hinterteile hätten als Männer – wegen dieser Aussage gehen der SSV Ulm 1846 Fußball und Stadionsprecher Jürgen Ortlieb seit Ende der Saison getrennte Wege. Dass er diesen als „Flax“ gedachten Spruch bei einer Sponsorenveranstaltung vom Stapel gelassen hat, dazu stehe er, sagt Ortlieb der Redaktion. Ansonsten würde in diesem Fall aber viel Unwahres verbreitet.
Angefangen bei der Frage, warum sein ehrenamtliches Engagement beendet wurde. Nicht der Verein sei dafür verantwortlich gewesen, sondern er selbst, sagt Ortlieb. Er habe sich dazu entschlossen, aufzuhören. Und er hätte auch nicht weitergemacht, wäre der Spruch nicht gefallen. Dies habe er im vorletzten Spatzen-Heimspiel Markus Thiele mitgeteilt, einem der Geschäftsführer.
Zwar habe ihn Thiele darauf aufmerksam gemacht, dass der Spruch einigen Sponsoren auf den Magen geschlagen habe, so Ortlieb. Ansonsten jedoch hätte es weder ein Telefonat noch ein Gespräch mit ihm gegeben. Dabei habe ihm auch die Co-Geschäftsführerin Myriam Krüger noch mitgeteilt, dass sie sich in der Causa noch melden werde – „was natürlich nicht geschehen ist“, so Ortlieb.
Was sagt die Leiterin des Frauenbüros zum Ortlieb-Spruch?
Aber war der Spruch nun sexistisch oder nicht? Diana Bayer leitet das Frauenbüro der Stadt Ulm, das sich um Gleichstellungsfragen von Mann und Frau kümmert, und hat eine klare Einschätzung. Zwar war Bayer nicht zugegen, als der Spruch fiel – sie kann ihn aber einordnen. Und zieht den Schluss: Der Spruch sei ganz klar sexistisch gewesen (auch wenn er so womöglich gar nicht ankommen sollte). Er reduziere Frauen auf Äußerlichkeiten, verpasse ihnen einen Stempel: „Frauen als das ,hübsche’ Geschlecht – nicht als aktive, ernst zu nehmende Sportlerinnen.“
Dass der Verein deshalb keine Grundlage für eine weitere Zusammenarbeit sah, kann Diana Bayer nachvollziehen. Jeder Verein habe eine Vorbildfunktion und entscheide sich, für welche Werte er stehen will. Fairness, Toleranz, Solidarität und Gerechtigkeit seien solche Werte – für Diskriminierungen jeglicher Art sollte kein Platz sein, so Bayer. Wenn die Werte eines Vereins missachtet würden, dann müsse dieser die Konsequenzen ziehen. Dass dem SSV Ulm 1846 Fußball fast keine Alternative blieb, liege daran, dass Ortlieb den Spruch nicht als Privatmensch, sondern als offizieller Vereinssprecher tätigte und nicht bereit war, die Bemerkung zurückzunehmen.
Der ehemalige Stadionsprecher ist sauer auf die Führung des SSV Ulm
Was Ortlieb am meisten ärgert, ist aber gar nicht die Debatte um seinen Spruch, sondern der Umgang des Vereins damit. Wäre es nach ihm gegangen, hätte man die Zusammenarbeit friedlich-schiedlich beenden können, ohne großes Aufsehen. Doch die Verantwortlichen hätten sich entschieden, in die Öffentlichkeit zu gehen, ihn an den Pranger zu stellen. Mit dem Ergebnis, dass sein Name nun mit Sexismus in Verbindung gebracht werde. Eine „Unverschämtheit“.
Dagegen will er vorgehen, er prüfe rechtliche Schritte, so Ortlieb. Inhaltlich könne man über das von ihm Gesagte ja streiten. Doch er verwehrt sich gegen den Vorwurf, ein Sexist zu sein. Mittlerweile hätten sich viele Frauen bei ihm gemeldet und sich mit ihm solidarisch gezeigt. Auch aus dem Verein.
Ein Einwurf kommt an dieser Stelle von Diana Bayer. Sie sagt, es sei ein Trugschluss, dass Sexismus nur dann Sexismus sei, wenn er als solcher beabsichtigt war. Jedoch: Eine öffentliche Hetzjagd wegen einer womöglich unbedarften Äußerung lehnt auch Bayer ab. Es könne nicht sein, dass bei möglichen Verfehlungen gleich „mit der Keule“ auf die betreffende Person eingedroschen wird. Sie plädiert dafür, Differenzen im persönlichen Gespräch auszuräumen. Rücksichts- und respektvoll. Um im Fußballsport zu bleiben: den Ball flach halten.
Ob es dazu noch kommt? Ortlieb lässt die Türe zumindest einen Spalt weit offen: Es sei noch nicht zu spät, die Sache „einigermaßen gesittet“ zu beenden. Allerdings, schränkt er ein, müsse hier Thomas Oelmayer, einer der Vorsitzenden des Vereins, den ersten Schritt machen.
Ortlieb gibt sich als Sportsmann
Ob dieser dazu bereit ist? Eher zweifelhaft. Der Redaktion teilt Oelmayer mit, dass der Spruch letztlich nur der Tropfen gewesen sei, der „das Fass zum Überlaufen“ gebracht und weswegen man Ortlieb den Laufpass gegeben habe. Auch fachliche Fehler wurden diesem angekreidet; so soll er vereinzelt falsche Namen in seinen Ansagen durchgegeben haben.
Ortlieb gibt sich diesbezüglich ganz als Sportsmann. Habe er einen falschen Namen durchgesagt, so habe dies auch damit zu tun, dass sein Nebensitzer ihm diesen so mitgeteilt habe. Aber das nehme er auf seine Kappe. „Nobody is perfect.“
Oelmayer ist generell nicht gut auf Ortlieb zu sprechen, kritisiert vor allem dessen Nachtreten in den Sozialen Medien, wo dieser kein gutes Haar an ihm gelassen hatte. Endet die Scheidung nun schmutzig? Gut möglich. Denn auch Oelmayer spielt mit dem Gedanken, rechtlich gegen Ortlieb vorzugehen, gegen dessen Äußerungen in Richtung seiner Person.
Schuld an der Niederlage im Pokal?
Auch in der Bewertung des vergeigten WFV-Pokal-Finales sind sich die beiden nicht einig. Dass die Spatzen gegen die Stuttgarter Kickers das Nachsehen hatten und nun nicht im DFB-Pokal an den Start gehen können (was eine sechsstellige Summe in die Kasse gespült hätte), macht Ortlieb auch an den Querelen rund um seine Person fest. Im Gespräch mit dieser Zeitung hatte Ortlieb noch einen Tag vor dem Endspiel die Prognose gestellt, dass ein solcher „Nebenkriegsschauplatz“ an der Mannschaft nicht spurlos vorbeigehen und diese das Finale verlieren werde. Er hatte recht behalten, zumindest was das Ergebnis angeht.
Thomas Oelmayer kontert: Dass die Mannschaft wegen eines geschassten Stadionsprechers das Finale verloren hat, das könne er sich „nicht vorstellen“. Ein Grund sei vielmehr: das überharte Einsteigen des Gegners. Das jedoch sei abgehakt. Sein Blick geht nach vorne. Auch bei der Neu-Besetzung des Postens des Stadionsprechers. Man befinde sich „in guten Gesprächen“.
Die Diskussion ist geschlossen.
Selten so einen Kindergarten erlebt, vielleicht doch ganz gut das man den Aufstieg verpasst hat. Bei solch einem Auftreten des Vereins in der Öffentlichkeit ist man offensichtlich nicht bereit für eine professionelle Liga und es zeigen sich Parallelen zu Vorfällen in/nach der Bundesligazeit von vor 20 Jahren. Da waren die Strukturen und Beteiligten auch nicht bereit für Profisport. Ich hatte ja gehofft das sich das mal geändert hätte, aber Ulm ist und bleibt halt ein Dorf!
Ansonsten kann man ja mal die Frage stellen, wenn man den allseits für seine flapsigen Sprüche bekannten Ortlieb als Stadionsprecher verpflichtet, was erwartet man dann? Die Ansagen eines Tagesschausprechers? Zu den Aussagen der Frauenbeauftragten muss man auch nichts sagen, sondern diese einfach stehen lassen und nachfragen wo eigentlich der Männerbeauftragte bleibt?! Der Männerbeauftragte bitte … ^^