Mit Kreide für Inklusion: Offene Hilfen werben für Barrierefreiheit in Neuburg
In Neuburg sind einige Stellen für Menschen mit Einschränkungen nicht begehbar. Welche es sind und was die Offenen Hilfen verbessern wollen.
Das steile Kopfsteinpflaster am Nadelöhr in der Altstadt, die Treppen am Graben oder der Gleisübertritt am Bahnhof in Neuburg haben alle eines gemeinsam: Sie sind nicht barrierefrei begehbar. So müssen Betroffene oft längere Umwege gehen oder sogar nach einer Gleisumstellung des Zuges fragen, um an der Fahrt teilnehmen zu können.
Die Offenen Hilfen Neuburg-Schrobenhausen nutzten die Europäischen Protesttage zur Gleichstellung von Menschen von Behinderungen, um die Bevölkerung auf die Problematik aufmerksam zu machen. Stefanie Singer von den Offenen Hilfen erklärt, dass es nicht nur um Menschen mit Behinderungen geht: "Wir wollen darauf aufmerksam machen, dass auch Personen mit Kinderwägen oder ältere Menschen Probleme haben, die von uns markierten Orte zu nutzen."
Bereits am Donnerstagvormittag zog Singer mit der Kreidekünstlerin Franziska Schißler und einigen Betroffenen los, um an zuvor ausgewählten Stellen ein buntes Kreidekunstwerk zu malen, mit dem Motto "Orte für alle". Zuvor gab es eine große Umfrage, an welchen Stellen die Barrierefreiheit fehlt. Die Stellen mit den meisten Abstimmungen wurden am Donnerstag bemalt.
Juliane Pichler, welche im Beratungsteam der Offenen Hilfen tätig ist, erklärt, dass das Ziel jedoch nicht sei, die Stadt anzukreiden. "Die Stadt hat bereits viel in die Barrierefreiheit investiert. Wir wollen nur zeigen, dass immer noch einiges fehlt, um einen barrierefreien Alltag möglich zu machen." Es gäbe laut Pichler auch einige positive Veränderungen wie beispielsweise der neue Fahrstuhl bei der Polizei in Neuburg.
Offene Hilfen Neuburg setzen sich für Inklusion ein
Dass man für die zweitägige Aktion Kreidekunstwerke nutze, sei eine sehr spontane Idee gewesen, meint Singer. Jedoch hätte sich Franziska Schißler sofort bereit erklärt an der Aktion teilzunehmen als sie davon hörte. "Mithilfe der Kunstwerke kann eine kindliche positive Stimmung entstehen, die jedoch gleichzeitig eine wichtige Botschaft mit sich bringt", erklärt die leidenschaftliche Kreidekünstlerin.
Am Bahnhof erzählt eine Betroffene, wie schwer es ist, am normalen Zugverkehr teilzunehmen. "Ich muss bereits eine halbe Stunde vor Ankunft des Zuges da sein, um den Mitarbeitern zu sagen, dass der Zug auf das erste Gleis umgeleitet werden muss", erklärt die Rollstuhlfahrerin. Ein Übertritt auf Gleis zwei sei aufgrund der Gleise für Rollstuhlfahrer nicht ohne Hilfe möglich.
Gerade für etwas schüchterne Betroffene sei es eine Hürde, die Mitarbeiter anzusprechen, um in den Zug einsteigen zu dürfen, erklärt Pichler und fügt an: "Es muss möglich sein, dass jeder Klient es ohne Umstände schafft, ein reguläres Leben zu führen."
Sozialreferent Ralph Bartoschek zeigt sich von den Umständen schockiert. "Viele Städte sind wesentlich weiter als Neuburg was die Barrierefreiheit anbelangt. Auch wenn viele Aufträge zeitnah umgesetzt werden, muss noch mehr kommen." Als Vorzeigebeispiel nennt der Sozialreferent die Hauptstadt Berlin. "Dort können sich Rollstuhlfahrer ohne Barrieren fortbewegen. Wenn wir an Großstädte wie Berlin, was die Barrierefreiheit angeht, herankommen, haben wir vieles richtig gemacht."
Kreidekünstlerin zeigt in Neuburg fehlende Barrierefreiheit
Die Reaktionen der Passanten sind laut Singer ausnahmslos positiv gewesen. So erklärten die Mitarbeiter der Offenen Hilfen eifrig mehreren Fußgängern das Ziel der Aktion und ernteten positives Feedback. Am Graben beteiligten sich sogar spontan eine Schulklasse sowie eine Klasse der Heilerziehungspflege bei den Malereien.
Am Freitag stand anschließend ein Infostand am Schrannenplatz sowie ein weiteres größeres Kreidekunstwerk auf dem Plan. "Wir wollen für alle ansprechbar sein und unsere Aktion erklären", erklärt Pichler. So nutzten viele Betroffenen sowie auch Familien mit Kindern die Aktion um mitzumalen.
"Ich las in der Zeitung von der Aktion", erklärte ein Familienvater, welcher eifrig mit seiner Tochter am Malen war und fügte an: "Uns war sofort klar, dass wir uns beteiligen." Am Nachmittag stießen weiterhin Betroffene aus der Lebenshilfe Neuburg sowie aus den Werkstätten für Menschen mit Behinderungen aus Pfaffenhofen und Donauwörth hinzu. "Wir haben die Zeiten bewusst gewählt, damit alle, die wollen, sich beteiligen können", erklärt Singer.
Am Ende sprechen Singer und Pichler von einer erfolgreichen zweitägigen Aktion mit vielen Beteiligungen sowie Interesse aus der breiten Bevölkerung.
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