Der Medienrummel ist "außer Kontrolle geraten"
In bewegenden Gottesdiensten haben Menschen in Großbritannien und Portugal an das Verschwinden von Madeleine vor genau einem Jahr erinnert. Die Presse solle sich bei den Feiern auf Wunsch der Eltern allerdings zurückhalten. Der selbst in Gang gesetzte Medienrummel sei "außer Kontrolle geraten".
London/Lissabon (dpa) - Mit Gebeten und Lichterketten haben Menschen in Portugal und Großbritannien an das Verschwinden der kleinen Madeleine vor genau einem Jahr erinnert. Die Eltern des britischen Mädchens nahmen an bewegenden Gottesdiensten für ihre Tochter in ihrem Wohnort Rothley in Mittelengland sowie in der Hafenstadt Liverpool teil.
Kate und Gerry McCann forderten die Medien auf, ihre Familie in Ruhe zu lassen. Es wäre eine Erleichterung, wenn die Aufmerksamkeit der Presse für sie nun nachlassen würde, erklärten sie. Die von ihnen selbst in Gang gesetzte Medienkampagne habe überhandgenommen. "Sie ist zu einer Dampfwalze geworden und außer Kontrolle geraten", sagte Gerry McCann.
Nach Praia da Luz in_Südportugal reisten zum Jahrestag Kamerateams zahlreicher TV-Sender an. Sie suchten vergeblich nach Spuren, die an das Drama vor einem Jahr erinnerten. In dem Badeort an der Algarve- Küste war die damals dreijährige Madeleine am 3. Mai 2007 aus der Ferienwohnung ihrer Eltern verschwunden. "Die Reporter suchten nach Neuigkeiten, die es nicht gibt", berichtete die Lissabonner Zeitung "Público".
Das Dorf ist nämlich längst zum normalen Alltagsleben zurückgekehrt. Die Bewohner wollen vom "Fall Madeleine" nichts mehr wissen. "Sie haben genug davon", erläuterte die Büroangestellte Sandra Vaz. "Seit einem Jahr redet man von nichts anderem." Das Ferienzentrum "Ocean Club", aus dem die Kleine damals verschwand, ist wieder für Urlauber geöffnet. Allerdings tummeln sich dort zu dieser Jahreszeit nur wenige Sonnenhungrige.
Portugals Generalstaatsanwalt Pinto Monteiro sprach offen die Möglichkeit an, dass Madeleine vielleicht nie gefunden wird. "Wenn die Ermittlungen erfolglos bleiben, wäre dies keine Schande für die portugiesische Polizei", sagte er. "Solche Fälle sind extrem schwer aufzuklären."
Madeleines Eltern, die in Portugal immer noch offiziell als Verdächtige gelten, glauben nach eigenem Bekunden weiter daran, dass ihre Tochter noch am Leben ist. Sie wirkten nach Berichten von Augenzeugen beim Gottesdienst in der Liverpooler Klosterkirche Bishop Eton "emotional aufgewühlt". Dort sprach Pfarrer Paul Seddon Worte des Gedenkens, der Kate und Gerry McCann 1998 getraut und später die kleine Madeleine getauft hatte.
Die portugiesische Wochenzeitung "Expresso" berichtete, die Ermittler stünden kurz davor, den Verdacht gegen die McCanns fallenzulassen und den Fall zu den Akten zu legen. Die Befragung von Bekannten des Ehepaars in Großbritannien habe keine neuen Erkenntnisse gebracht. Demgegenüber betonte der Chef der Kriminalpolizei, Alípio Ribeiro: "Es ist keine Entscheidung gefallen." Dies sei Sache der Staatsanwaltschaft.
Der Beamte brachte erneut die Möglichkeit ins Gespräch, die Geschehnisse vom 3. Mai 2007 nachzustellen. "Wenn es eine solche Rekonstruktion gibt, wird es von größter Bedeutung sein, dass die Eltern des Mädchens daran teilnehmen", betonte der Kripochef. Die McCanns erklärten sich grundsätzlich bereit, zu einer Rekonstruktion nach Portugal zurückzukehren.
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