Likör im Sonderzug nach Pankow
Hamburg (ddp). No Panic. Mittwoch ist für ihn ein Tag wie jeder andere. Auch wenn die ganze Welt den Jubilar feiern würde, Panikrocker Udo Lindenberg wäre "die Zahl scheißegal". Schließlich ist er ja nicht so richtig von dieser Welt, sieht sich eher als "so eine Art E.T., so ein Besucher vom anderen Stern". Also unterliege er, wie er stets betont, auch "nicht der irdischen Zeitzählung". Doch nach eben dieser wird der Mann mit dem unvermeidlichen Hut, der langen Mähne und der dunklen Brille am 17. Mai mal eben ganz easy runde 60.
Zu seinem Ehrentag, den er nicht feiert, schenkt Udo, der nie verheiratet war, sich trotzdem etwas Besonderes: "Damenwahl" heißt seine neue CD. Eine "Plodde" über Udo und die Frauen, 18 Duette aus drei Jahrzehnten Musikkarriere bis in die Gegenwart, mit dabei neben vielen anderen Nena, Nina Hagen und Yvonne Catterfeld. Eine Scheibe, "als wenn du ein Fotoalbum durchblätterst und da Momentaufnahmen siehst", wie er jüngst in einem Zeitungsinterview sagte. Jede dieser Frauen stehe für "bestimmte Stories und Zeiten". Und: "Jede von denen war für mich total wichtig." 
Darunter natürlich Nena, mit der er vor Jahren eine besondere Beziehung hatte: "Wir mochten uns sehr. Aber wir fanden das dann auch ganz gut, das irgendwie geheim zu halten, immer gut getarnt, wie Spione, das war absolut spannend." Beide verbinde bis heute eine sehr enge Freundschaft. 
Udo Lindenberg verkörpert ein Stück deutsche Musikgeschichte. Der 1946 im westfälischen Gronau Geborene startet mit zehn seine ersten Trommelversuche auf Benzinfässern und spielt zwei Jahre später auf seinem ersten eigenen Schlagzeug. Mit 22 Jahren strandet er in Hamburg. Dort gründet er 1969 seine erste Band "Free Orbit". 1971 erscheint sein Album "Daumen im Wind". Der Durchbruch kommt ein Jahr später mit "Andrea Doria" und seinem mittlerweile legendären Panikorchester.
Udo ist ein "Arbeitstier", veröffentlicht jährlich ein Album, manchmal sogar zwei, tourt durch die Welt. Fulminant seine Show "Atlantic Affairs" mit Auftritten vieler Freunde. 
Pikant sein Verhältnis zur DDR, wo er eine große Fangemeinde hatte. Sein erster Auftritt am 25. Oktober 1983 im Berliner Palast der Republik bleibt sein einziger. Die im Jahr darauf geplante Tournee des unbequemen Musikers wird abgesagt. Sein "Sonderzug nach Pankow" mit der Aufforderung zu mehr Öffnung und Toleranz an SED-Chef Erich Honecker stößt jenem sauer auf.
Dennoch lässt sich "Honey" 1987 auf einen politischen Briefwechsel ein, nimmt Udos Präsent einer Rocker-Lederjacke an und schenkt dem West-Musiker eine Schalmei. Seine Tour kann Udo aber erst nach dem Mauerfall starten. 
Die zweite Seite am Gesamtkunstwerk Udo Lindenberg ist die Malerei. Die betreibt er zwar auch in Öl, doch weit berühmter sind seine Likörelle, eine eigene patentierte Erfindung, bei der er seine mit raschen Strichen hingeworfenen Figuren mit Cherry, Blue Banana und Eierlikör koloriert. 
Was Lindenberg besonders am Herzen liegt, ist sein konsequentes Auftreten gegen Rechtsextremismus. Im Jahr 2000 startet er seine Initiative "Rock gegen rechte Gewalt". Einer seiner markantesten Likörell-Zyklen trägt den Titel "Pimmelköppe" und rechnet ab mit tumber Skinhead-Ideologie. 
Nun wird Udo 60 und denkt wie viele seiner Kollegen nicht ans Aufhören. "Die große 'Jahrespaady' startet im September", sagt der Jubilar in seiner typischen Art, "mit neuer Plodde, Tournee et cetera pp." Denn mit einem einzigen Tag für sechs Jahrzehnte Udo Lindenberg gibt er sich nicht zufrieden. "Wir feiern nämlich das Jahr und nicht den Tag", verkündet er.
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