Rechtspopulist Bolsonaro geht als Favorit in Brasilien-Wahl
Der Ex-Militär zieht über Frauen, Schwule und Minderheiten her und verteidigt die brutale Militärdiktatur. Dennoch jubeln ihm viele Brasilianer zu.
Nach einem mit harten Bandagen geführten Wahlkampf wählen die Brasilianer an diesem Sonntag einen neuen Präsidenten. Der Rechtspopulist Jair Bolsonaro geht als Favorit in die heutige Stichwahl. Er gab am Morgen seine Stimme in Rio de Janeiro ab. Wie im Fernsehen zu sehen war, trug er eine kugelsichere Weste. Er wurde von zahlreichen Soldaten zu seinem Schutz begleitet. Anfang September war Bolsonaro bei einer Kundgebung von einem geistig verwirrten Mann mit einem Messer schwer verletzt worden.
Nach den letzten Umfragen kam der ehemalige Fallschirmjäger auf 55 bis 54 Prozent der Stimmen. Für Fernando Haddad von der linken Arbeiterpartei wollten bei der Stichwahl zwischen 46 und 45 Prozent der Brasilianer stimmen. "Ich hoffe, dass die Menschen verstehen, dass heute ein Tag des Friedens ist", sagte Haddad. "Viele einfache Leute gehen auf die Straße, um die Demokratie zu verteidigen."
Brasilien ist tief gespalten. Im Wahlkampf kam es zu Übergriffen auf politische Gegner, die Sprache verrohte zunehmend, Bolsonaros Anhänger sehen in Haddad einen gefährlichen Kommunistin und die Linken in Bolsonaro einen skrupellosen Faschisten. "Unabhängig davon, wer gewählt wird: Das brasilianische Volk, das an die Idee der Solidarität glaubt, wird sich ab dem heutigen Tag wieder verbrüdern", sagte der scheidende Präsident Michel Temer.
Bolsonaro zieht über Frauen, Schwarze und Schwule her
Bolsonaro provoziert immer wieder mit Ausfällen gegen Frauen, Schwarze und Schwule sowie mit seiner Sympathie für die Militärdiktatur (1964-1985). Allerdings profitiert er von der Wut vieler Brasilianer über die jüngsten Korruptionsskandale und die zunehmende Gewalt im Land.
Dieser Wechselstimmung hat Haddad wenig entgegenzusetzen. Das Image seiner Arbeiterpartei ist nach Lateinamerikas größter Schmiergeldaffäre "Lava Jato" (Autowäscherei) schwer beschädigt. Haddads politischer Ziehvater, Ex-Präsident Luiz Inácio Lula da Silva, sitzt wegen Korruption im Gefängnis.
Im Falle eines Wahlsiegs will Bolsonaro das Waffenrecht liberalisieren, gegen Homoehe und Abtreibung eintreten sowie die Rechte indigener Gemeinschaften im Amazonas-Gebiet beschneiden. Beobachter befürchten eine Zunahme der Gewalt sowie negative Auswirkungen auf den internationalen Klimaschutz und die soziale Lage im größten Land Südamerikas.
"Die Situation beunruhigt uns zutiefst", sagte der Generaldirektor der Caritas Brasilien, Luiz Cláudio Lopes da Silva. "Nach den bisherigen Aussagen des Kandidaten kann man sich vorstellen, was ein Wahlsieg Bolsonaros bedeuten würde. Er würde das Leid und den Hunger der Armen und Schutzbedürftigen in Brasilien weiter vergrößern."
Die katholische Hilfsorganisation befürchtet vor allem, dass Bolsonaro die Hand an die Territorien der indigenen Gemeinschaften im Amazonas-Gebiet legen könnte. "Das wäre ein glatter Bruch der Verfassung", sagte Lopes da Silva.
Agrarlobby steht hinter Bolsonaro
Bolsonaro will die Polizei zu robusten Einsätzen in den Favelas ermutigen und den Zugang zu Waffen für Privatleute vereinfachen. Das könnte die ohnehin schon weit verbreitete Gewalt noch einmal befeuern. Im vergangenen Jahr wurden bereits 63.000 Menschen in Brasilien getötet.
Starken Rückhalt hat Bolsonaro auch in der mächtigen Agrarlobby. Auf dem Land werden viele Konflikte mit brutaler Gewalt ausgetragen. Mindestens 57 Menschen wurden im vergangenen Jahr im Zuge von Landkonflikten getötet - laut der Nichtregierungsorganisation Global Witness die höchste Zahl weltweit. "Die Agrarindustrie ist die Branche, die am stärksten in die Morde verwickelt ist", heißt es in einem Bericht.
Großgrundbesitzer, illegale Holzfäller und Bergbauunternehmen könnten sich durch einen Wahlsieg von Bolsonaro ermutigt fühlen, noch härter gegen Indigene und Kleinbauern vorzugehen. "Die Rechte der indigenen Völker nicht zu respektieren, kann zu viel Gewalt führen", sagt Carlos Rittl von der Beobachtungsstelle für das Klima. (dpa)
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