Lange Wartezeiten beim Arzt eine seltene Ausnahme?
Patienten haben laut einer Umfrage wenig Grund zur Klage. In der Erhebung erhalten Ärzte Bestnoten. Sie kritisieren nun die von der Politik beschlossene Reform für Facharzttermine.
Die Kassenpatienten in Deutschland vertrauen ihren Ärzten, schätzen deren Arbeit und bleiben ihnen treu. 47 Prozent bewerten deren Fachkompetenz mit der Note eins, weitere 46 mit der Note zwei. Und 89 Prozent denken gar nicht daran, zu einem anderen Mediziner zu wechseln.
Umfrage: Hohe medizinische Standards
Das ist das Ergebnis der mittlerweile achten Versichertenbefragung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung. Die Zahlen der von der Kassenärzteschaft selbst in Auftrag gegebenen Umfrage der Forschungsgruppe Wahlen seien ein Beleg dafür, dass die Ärzte „hohe medizinische Standards erfüllen, auf die Patienten zugehen und sie in ihrem gesamten Umfeld betrachten“, sagte Andreas Gassen, der seit gut einem Jahr als Präsident an der Spitze der Standesorganisation steht.
Und noch etwas lässt das Herz der Vertretung der Ärzteschaft höher- schlagen: Die Befragung von 6089 zufällig ausgewählten Kassenpatienten ergab, dass das politisch umstrittene Thema Wartezeiten in den Praxen vor Ort keine wichtige Rolle spielt. Fast zwei Drittel aller Patienten hätten innerhalb von drei Tagen einen Termin bei ihrem Haus- oder Facharzt erhalten, 87 Prozent innerhalb von drei Wochen.
Nur etwa jeder neunte Kassenpatient musste sich mehr als drei Wochen gedulden, aber auch acht Prozent der Privatversicherten. Das klinge nach viel, doch es lohne sich, die Zahlen genauer anzusehen. „Bei vielen dieser Termine handelt es sich um planbare, nicht akute Arztbesuche wie Vorsorge- und Kontrolluntersuchungen oder Impfungen“, sagte der Ärztefunktionär.
Indirekt übte der Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung damit Kritik an der Großen Koalition, die erst in diesem Sommer das sogenannte Versorgungsstärkungsgesetz verabschiedet hat.
Gegen den Willen der Ärzteschaft wurden die regionalen Kassenärztlichen Vereinigungen verpflichtet, Terminservicestellen einzurichten. Diese sollen Patienten mit einer Überweisung an einen Facharzt innerhalb von vier Wochen einen Termin verschaffen. Klappt das nicht, kann sich der Patient an ein Krankenhaus wenden. „Wir Vertragsärzte sind weiterhin skeptisch, ob dieses Instrument Abhilfe schaffen wird, denn die große Mehrheit der Versicherten möchte, wenn sie eine Überweisung hat, zu einem bestimmten Facharzt“, sagte Gassen.
Freie Arztwahl in Europa "nahezu einzigartig"
Das deutsche System der freien Arztwahl sei in Europa „nahezu einzigartig“, es bilde die Grundlage der gesamten ambulanten medizinischen Versorgung. Probleme bei der Terminvergabe hätten vor allem chronisch Kranke und Menschen mit geringem Bildungsgrad. Die Ärzte sollten sich um diese Patienten besonders kümmern.
Entschieden wiesen Gassen und seine Vorstandskollegin Regina Feldmann den Vorwurf zurück, die Ärzteschaft würde bei den sogenannten „Individuellen Gesundheitsleistungen“, kurz IGeL genannt, die von den Versicherten aus eigener Tasche bezahlt werden müssen, die Patienten abzocken. Nur 24 Prozent der Ärzte hätten von sich aus eine IGeL-Leistung angeboten, 76 Prozent nicht. Und 18 Prozent der Befragten gaben an, selber den Arzt danach befragt zu haben.
Allerdings sei die Zahl der Befragten, die sich vom Arzt überrumpelt fühlten, im Vergleich zu 2013 von neun auf 16 Prozent gestiegen. „Wir als Ärzte sollten hier darauf achten, dass die Patienten in allen Fällen eine angemessene Bedenkzeit erhalten.“
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