Russland schickt Entspannungssignal an Washington
Moskau (dpa) - Nach dem Amtswechsel im Weißen Haus in Washington will die russische Militärführung zumindest vorerst auf die angekündigte Stationierung neuer Kurzstreckenraketen an der Ostsee verzichten.
Die Vorbereitungen zur Aufstellung der "Iskander"-Raketen seien ausgesetzt, weil der neue US-Präsident Barack Obama die Pläne für das umstrittene Raketenabwehrsystem in Mitteleuropa nicht forciere, sagte ein namentlich nicht genannter Sprecher des Generalstabs nach Angaben der Agentur Interfax am Mittwoch. Die USA und die NATO begrüßten die Mitteilung, für die es aber zunächst keine offizielle Bestätigung aus dem Kreml gab.
"Dies ist eine positive Entwicklung, tatsächlich", meinte der stellvertretende Sprecher des US-Außenministeriums, Robert Wood, am Mittwoch in Washington. Präsident Obama habe deutlich gemacht, dass er das Thema der US-Raketenabwehr in Mitteleuropa noch einmal auf den Prüfstand stellen wolle, betonte Wood. "Wenn es sich erweist, dass sie (die Raketenabwehr) funktionieren würde, dann werden wir das voll unterstützen". Aber zunächst müsse das noch einmal überprüft werden. US-Verteidigungsminister Robert Gates hatte am Dienstag erneut betont, dass das US-Raketenabwehrsystem nicht gegen Russland, sondern gegen den Iran gerichtet sei.
Auch die NATO begrüßte die Mitteilung aus Moskau. Wenn Russland auf die Raketen verzichte, sei das "ein guter Schritt", teilte eine NATO-Sprecherin in Brüssel mit. Tschechiens Außenminister Karel Schwarzenberg äußerte sich ebenfalls positiv über die Nachrichten aus Russland. "Lassen Sie uns froh sein, dass Ministerpräsident (Wladimir) Putin zu dieser Einsicht gelangt ist", sagte Schwarzenberg, der noch am Wochenende betont hatte, dass die Raketenabwehr auch unter Obama realisiert werde.
Präsident Dmitri Medwedew hatte die Stationierung im Gebiet Kaliningrad um das frühere Königsberg im November als Reaktion auf die Pläne des bisherigen US-Präsidenten George W. Bush angekündigt. Beim ersten Telefonat mit Bushs Nachfolger Obama setzte Medwedew am Montag deutlich auf Entspannung.
Die russischen "Iskander"-Raketen (NATO-Code: SS-26), deren Abschusscontainer auf Lastwagen montiert sind, sollen auch mit Atomsprengköpfen bestückbar sein. Sie könnten mit der angegebenen Reichweite von 400 Kilometern in etwa bis zur deutschen Grenze fliegen.
In der russischen Militärführung gab es in der Raketenfrage offenkundig Abstimmungsschwierigkeiten. Es liefen überhaupt keine Vorbereitungen für die Stationierung der Kurzstreckenraketen, zitierte die Agentur Itar-Tass einen Militär im Verteidigungsministerium. Anderslautende Berichte seien "totaler Blödsinn". Experten zweifeln zudem an der technischen Reife der "Iskander"-Raketen, von denen es bislang nur einen Prototyp gebe.
Medwedew hatte am Tag nach der Wahl Obamas Anfang November 2008 die Stationierung der "Iskander"-Raketen im Gebiet Kaliningrad mit den Worten angekündigt, für Russland sei außenpolitisch der "Moment der Wahrheit" gekommen. Die Präzisionswaffe solle "bei Bedarf die Raketenabwehr (der USA) zerstören". Zugleich betonte Moskau aber auch immer wieder, dass es keine Notwendigkeit für die Stationierung mehr gebe, wenn die USA Abstand von ihren Raketenabwehrplänen in Mitteleuropa nähmen.
Moskau hält die Raketenabwehr für eine Bedrohung seiner Sicherheit. Obamas Vorgänger Bush hatte die Pläne noch mit Hochdruck vorantreiben lassen. In seinen letzten Amtsmonaten waren mit Polen und Tschechien Verträge über die Stationierung der Komponenten des Schutzschildes und des notwendigen Personals unterzeichnet worden. Die Ratifizierung durch die Parlamente in Prag und Warschau steht aber noch aus.
Russlands Regierungschef Putin sprach nach Obamas Amtsantritt von deutlichen "positiven Signalen", dass Washington Abstand nehmen wolle von dem Projekt. Der Konflikt um die Raketenabwehr hatte die Beziehungen zwischen Russland und den USA in den vergangenen Jahren schwer belastet.
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