Seehofer macht Weg für Berufsarmee frei
Berlin - Durchbruch im Ringen um die Bundeswehrreform: CSU-Chef Horst Seehofer hat seinen Widerstand gegen ein Aussetzen der Wehrpflicht aufgegeben.
Es gebe keine verfassungsrechtliche Grundlage mehr für den Pflichtdienst im Frieden, sagte der bayerische Ministerpräsident am Wochenende. Damit machte er den Weg für die wohl tiefgreifendste Reform in der Geschichte der Bundeswehr frei. Bundeskanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel hatte bereits vor Wochen ihre Sympathien für ein Aussetzen der Wehrpflicht erkennen lassen.
Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) hatte im August seine Pläne für die Bundeswehrreform vorgestellt. Danach soll die Truppe von derzeit 245 000 auf bis zu 163 500 Soldaten verkleinert werden. Guttenberg sieht dabei allerdings einen Spielraum nach oben. Die Obergrenze liegt seiner Meinung nach bei 195 000 Soldaten. Die Wehrpflicht soll nach den Vorstellungen des Ministers zwar im Grundgesetz verankert bleiben, aber ausgesetzt werden.
Im Gegensatz zu Merkel hatte sich Seehofer bisher einem Aussetzen der Wehrpflicht widersetzt. Beim "Tag der Heimat" in Berlin verkündete er am Samstag die Einigung mit Guttenberg. Er betonte aber, dass es keinen Machtkampf gegeben habe, in dem er unterlegen sei. "Es wird immer so getan, als hätte ich etwas ganz anderes im Kopf gehabt", sagte er. "Man darf ja auch, wenn man eine Reform macht, zu einem Erkenntnisstand kommen, der neu ist."
Im "Spiegel" wandte sich Seehofer dagegen, von einem Aussetzen der Wehrpflicht zu sprechen. "Ich bin da für Ehrlichkeit. "Aussetzen" heißt: In Friedenszeiten wird die Wehrpflicht niemand mehr einführen." Zugleich betonte er dass die angedachte Truppenstärke von 163 500 Soldaten zu niedrig sei. "Es wird eine deutliche Steigerung gegenüber dem jetzt Diskutierten geben müssen."
Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) sagte dem "Münchner Merkur" (Montag): "Meines Erachtens ist eine Stärke von mindestens 190 000 bis 200 000 Mann notwendig." Herrmann stellte finanzielle Forderungen: "Sollte es durch eine Verringerung der Bundeswehr von 250 000 Mann auf etwa 200 000 Mann zu Standortschließungen kommen, brauchen wir für Kommunen in strukturschwachen Gebieten unbedingt ein Förderprogramm des Bundes."
Auch die hessische CDU schwenkte auf Guttenbergs Kurs zur Aussetzung der Wehrpflicht ein. Ministerpräsident Volker Bouffier bestand aber darauf, die Erfassung der Männer im wehrpflichtigen Alter zu erhalten. Die angepeilte Zahl von 7500 freiwilligen Wehrdienstleistenden hält er für zu niedrig.
Die Details des Reformkonzept werden voraussichtlich Ende des Monats bei einer gemeinsamen Sitzung der Präsidien von CDU und CSU geklärt. Im Oktober und November entscheiden Parteitage beider Unionsparteien über die Reform. Erst dann beginnt das Gesetzgebungsverfahren. Da die FDP aber ein Aussetzen der Wehrpflicht und eine Verkleinerung der Bundeswehr unterstützt, sind dann innerhalb der Koalition zumindest in den zentralen Punkten keine größeren Auseinandersetzungen mehr zu erwarten.
Die SPD warf Seehofer Unentschlossenheit vor. "Wie Horst Seehofer gerade manövriert, bestimmen ausschließlich die taktischen Erfordernisse im CSU-internen Machtkampf mit Verteidigungsminister zu Guttenberg", sagte Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann. "Letzte Woche war die Wehrpflicht noch CSU-Markenkern, heute fordert Seehofer die reine Berufsarmee."
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