Steuerentlastungen: Die Diskussion ist wieder vertagt
Beim Thema Steuerpolitik und Finanzen sind die Koalitionspartner immer noch nicht am Ziel. Es soll jedoch einen heftigen Streit gegeben haben.
Bis Ende der Woche wollen sie mit allem fertig sein. Doch auch das vergangene Wochenende brachte in den Koalitionsverhandlungen zwischen Union und FDP in kleiner und großer Runde noch keinen Durchbruch.
Im Gegenteil: Bei einer Rempelei zwischen Unions-Vize Christian Wulff und FDP-Chef Guido Westerwelle traten zwischendurch in großer Runde die Differenzen in Steuer-Fragen auf offener Bühne zutage. Manche sehen in Wulffs Ausbruch aber auch eine indirekte Warnung an Kanzlerin Angela Merkel (CDU), bei Schwarz- Gelb nicht die Länder zu vergessen.
Es ist nun doch keine Einvernahme im "Beichtstuhl", was die Parteivorsitzenden - Merkel, Westerwelle und Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer - an diesem Sonntag betreiben. Ab 10.00 Uhr sitzen die drei mit beiden Chefs der Finanzarbeitsgruppe, Thomas de Maizière und Hermann Otto Solms (FDP), im "Raum Düsseldorf" der Berliner NRW-Vertretung eher wie bei den Beratungen eines Kirchenvorstands zusammen. Auch Unions-Fraktionschef Volker Kauder (CDU) und CSU-Landesgruppenchef Peter Ramsauer sind immer dabei, ab und zu auch die drei Generalsekretäre.
Es geht ums Geld. An diesem Tag will sich die Runde endlich der Beantwortung der Frage nähern, wieviel Milliarden das neue Bündnis nun in die Hand nehmen will, um Steuerentlastungen, die Stabilität der Beiträge und eine bessere Bildung zu finanzieren. Einen Eklat gibt es an diesem Sonntag nicht. Ruhig und konzentriert soll die Diskussion ablaufen, wird zwischendurch immer wieder versichert. Solms sagt später: "Es gibt deutliche Fortschritte. Aber wir sind noch nicht am Ziel."
Der große Aufreger hatte sich am Vortag ereignet. In der großen Runde hatte Wulff seinem Frust über die Steuersenkungspläne der FDP plötzlich freien Lauf gelassen. "Inakzeptabel" oder "steuerpolitischer Blindflug", polterte er. Als Ministerpräsident könne er im Bundesrat so etwas nicht mittragen. Westerwelle reagierte postwendend und stellte die Sinnfrage. Wenn das die Meinung der Union sei: "Dann sind wir durch." Manche am Tisch verstanden das als Drohung, die Verhandlungen platzen zu lassen. Andere meinten, der FDP-Chef habe nur daran erinnern wollen, dass es hier um einen Neuanfang in der Regierungspolitik gehe - nicht nur um Krisenverwaltung und Ministerposten.
Es war nicht das erste Mal, dass es in der Union Warnungen gab vor überzogenen Steuerplänen. Die FDP-Forderung nach Entlastungen und großer Steuerreform liegt seit langem auf dem Tisch. Der Warnschuss des CDU-Vizes aus Hannover sei eigentlich nicht an die Adresse der FDP, sondern an Kanzlerin und Parteichefin Angela Merkel gerichtet gewesen, mutmaßten manche aus der Runde. Sie solle die Haushalte nicht außer Acht lassen. Außerdem habe Wulff daran erinnern wollen, dass Länder und Kommunen mehr als die Hälfte der Zeche bei Steuersenkungen zahlen müssten, lautete eine andere Analyse.
Ob ein fester Finanzrahmen nun in der Runde beschlossen wurde, blieb am Sonntag zunächst offen. Es zeichnete sich aber immer deutlicher ab, dass Schwarz-Gelb nicht mit einem Streichkonzert starten will. In der großen Runde, so Teilnehmer, war von Einsparungen nicht konkret die Rede.
Schwarz-Gelb wird dennoch trotz der leeren Kassen Mehrausgaben beschließen. Wieviel Geld nun für Steuersenkungen verwandt wird, ob in die gesetzliche Krankenversicherung weitere Milliarden aus der Staatskasse fließen, wie hoch die Bildungsausgaben aufgestockt werden - all das war am Sonntag noch offen. Ebenso die Frage, wie dies alles mit der neuen Schuldenbremse im Grundgesetz in Einklang gebracht werden soll. Hier deutet sich an, dass die Koalitionäre gleich von der Ausnahmeregelung Gebrauch machen werden, die ein Aussetzen der Schuldenbremse in wirtschaftlichen Notlagen erlaubt. Nach dem Motto: Die Krise ist noch nicht vorbei.
Am Montag geht es nun in den Arbeitsgruppen weiter. Sie müssen die Vorgaben aus den Sitzungen des Wochenendes umsetzen. Die erklärte Bereitschaft der "Wunschpartner", bald eine Koalition zu bilden, steht aber nicht in Frage. CSU-Chef Seehofer glaubte am Sonntagmorgen von weitem schon das Ziel im Blick zu haben: "Ich sehe das Gipfelkreuz." Spätestens in der Nacht zum Freitag wird die Koalition stehen - davon gehen alle aus. Wulffs Worte wären dann nur ein kleiner Steinschlag vor dem Erreichen des Berggipfels gewesen.
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