Ein Leben unter hohem Druck: Das war Philipp Mißfelder
Mit gerade einmal 35 Jahren ist Philipp Mißfelder an einer Lungenembolie gestorben. Der hochbegabte CDU-Politiker verdiente sehr viel Geld - und stellte einen Rekord auf.
Das mit dem Hüftgelenk, das ist Philipp Mißfelder nie mehr losgeworden. Hochbegabter Netzwerker, außenpolitischer Experte, trotz junger Jahre bereits langjähriger Bundestagsabgeordneter und sehr gut verdienender Multifunktionsträger - ohne Zweifel war Mißfelder ein Politiker mit sehr vielen Seiten. Ein Satz aber, den der oft Streitbare vor mehr als einem Jahrzehnt gesagt hat, hat den hochgewachsenen Mann begleitet bis zum Schluss.
"Ich halte nichts davon, wenn 85-Jährige noch künstliche Hüftgelenke auf Kosten der Solidargemeinschaft bekommen", sagte Mißfelder 2003. Früher seien die Leute ja auch auf Krücken gelaufen. Gedacht war das als Beitrag zur finanziellen Basis des deutschen Gesundheitssystems.
Helmut Kohl war Vorbild von Philip Mißfelder
Viele Jahre später gab ihm dafür sogar die Bundeskanzlerin, auf deren Wort Mißfelder so viel Wert gelegt hatte, eine mit. Sie erinnerte den scheidenden Chef der Jungen Union (JU) im September 2014 daran, dass sein Start "unglücklich" gewesen sei. Danach, da habe er das mit dem Zusammenhalt der Generationen aber verstanden.
Vielleicht noch wichtiger als die Kanzlerin war dem Mann aus dem Ruhrgebiet der Kanzler der Einheit. "Es waren die Deutsche Einheit und die Politik von Helmut Kohl, die mich zur CDU führten", sagte Mißfelder. Oft und bis zuletzt hat Mißfelder den Altkanzler besucht.
Geboren in Gelsenkirchen 1979, Studium der Geschichte, eingetreten in die Junge Union 1993. Über zwölf Jahre (2002-2014) führte Mißfelder die JU, das ist Rekord. Danach wurde der Außenpolitiker Amerikabeauftragter der Bundesregierung, inmitten der schweren Beziehungskrise zwischen Berlin und Washington. Seine Absichten formulierte Mißfelder anspruchsvoll: Probleme sollten aus der Welt geschaffen, alte Freundschaft wiederbelebt, Vertrauen wiederhergestellt werden. Schluss war damit allerdings nach nur drei kurzen Monaten.
Offizielle Begründung: Mißfelder wollte sich zum Schatzmeister von Nordrhein-Westfalens CDU wählen lassen. Er sagte: "Ich halte das Parteiamt eines Landesschatzmeisters für unvereinbar mit der Aufgabe als Amerikabeauftragter im Auswärtigen Amt."
100.000 Euro Zweitbezüge von einem Verlag
Das kam für manche ein bisschen überraschend, wusste der Vielbeschäftigte doch durchaus, verschiedenste Ämter unter einen Hut zu bringen. Außenpolitischer Sprecher seiner Fraktion, Mitglied des CDU-Präsidiums, im Vorstand von Deutschlands wichtigstem Transatlantik-Netzwerk Atlantik-Brücke und in vielen anderen Gremien: Mißfelder war wirklich viel unterwegs. Beträchtliche 28 Mitgliedschaften listet seine Homepage auf.
Ärger brachte ihm aber ein anderer Nebenjob ein. Durch eine Pflicht-Veröffentlichung des Bundestags kam heraus, dass Mißfelder neben seinen Einkünften als Abgeordneter noch mehr als 100.000 Euro Zweitbezüge vom Kunst- und Lifestyle-Verlag teNeues bekommt. Seine dortige Funktion: "strategischer Berater" seit 2008. Damit ist er auf der Besserverdiener-Liste des Bundestags in den Top Ten.
Rechtfertigen musste sich Mißfelder für seine Teilnahme an Altkanzler Gerhard Schröders Geburtstagsparty mit Russlands Präsident Wladimir Putin im Mai 2014. Er sei dort als "Privatmann" gewesen, sagte Mißfelder. Rüffel gab es trotzdem, auch aus den eigenen Reihen.
2006 heiratete Philipp Mißfelder. Nun hinterlässt er seine Frau und zwei kleine Kinder. Nach einem Leben unter hohem Druck starb Mißfelder, in dem manche eines der größten Talente der Union sahen, völlig überraschend mit nur 35 Jahren an einer Lungenembolie.
Parteifreunde und politische Gegner sind über Mißfelders Tod bestürzt
Bestürzt haben Parteifreunde und politische Gegner auf den Tod des CDU-Abgeordneten reagiert. Die Junge Union schrieb über ihren langjährigen ehemaligen Vorsitzenden: "Wir sind unfassbar traurig und schockiert (...). Er hat die Junge Union geprägt."
Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) sagte: "Wir sind bestürzt, fassungslos und traurig." Die CDU/CSU-Fraktion verliere einen ihrer profiliertesten Außenpolitiker und er selbst einen Freund.
Die Flaggen am Parlament wurden wegen des Todesfalls auf halbmast gesetzt. Am Freitag soll für Mißfelder in der katholischen Berliner St. Hedwigs-Kathedrale eine Totenmesse abgehalten werden. Wie ein Fraktionssprecher weiter sagte, ergehen dafür Einladungen an alle Abgeordneten des Bundestages.
Erschüttert zeigte sich Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD): "Es hat mich beeindruckt, wie viel Erfahrung er in jungem Alter bereits gesammelt und in den politischen Diskurs eingebracht hat." Der frühere Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) sagte: "Mit ihm verlieren wir eines der größten Talente in der Politik Deutschlands."
Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, sagte: "Philipp Mißfelder hat sich über viele Jahre mit großem Verantwortungsbewusstsein und außenpolitischem Gespür für Israel eingesetzt."
Parlamentspräsident Norbert Lammert sagte, das Land verliere einen echten Vollblut-Politiker, der auch gegen Widerstände für eine wertebezogene Politik eintrat. Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth (Grüne) würdigte Mißfelder als Abgeordneten mit Leidenschaft für die Sache durch und durch.
Linke-Fraktionschef Gregor Gysi sagte: "Er vertrat eine etwas eigene, neue CDU, er zeichnete sich durch Toleranz aus." CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer schrieb im Kurznachrichtendienst Twitter: "Ein guter Freund geht viel zu früh." CDU-Generalsekretär Peter Tauber teilte mit, in der Präsidiumssitzung seien alle fassungslos und mit tiefer Trauer erfüllt gewesen. dpa
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