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Gastbeitrag
22.05.2024

Philosoph Wilhelm Schmid: Brauchen wir eine nationale Identität?

Philosoph Wilhelm Schmid zu Hause in seinem Wohnzimmer in Berlin.
Foto: Paul Zinken, dpa

Wilhelm Schmid schreibt anlässlich des Grundgesetz-Jubiläums über die deutsche Gesellschaft: eine philosophische Besinnung auf das, was uns zusammenhält.

2015 öffnete die deutsche Regierung die Grenzen für eine Million Menschen, die Zuflucht suchten. „Wir schaffen das!“ War das die neue Identität Deutschlands? Viele in Deutschland mochten das. Aber auch diejenigen machten sich zunehmend bemerkbar, die meinten, dass die Identität, die doch immer gleich (idem im Lateinischen) bleiben soll, sich aus diesem Grund nicht gut mit irgendeinem Anderssein verträgt. Andere bringen Uneindeutigkeit, unerwünschte Veränderungen, Ungewissheit mit sich. In einer Welt, in der sich alles ändert, sollte aber nicht auch noch die vertraute eigene Welt anders werden.

So wird die Nationalität oft verstanden: als Identität, die feststeht: „Das ist unser Eigenes, das immer schon so war und immer so bleiben soll.“ Das Problem ist nur: Es ist nicht möglich, durch bloße Erklärung jedwedes Anderswerden auszuschließen. Alle wissen es aus eigener Erfahrung: Das Leben bleibt nicht immer gleich. Eine völlige Abschottung gegen andere funktioniert auch schon im Privaten nicht. Bleibt also deren Einbeziehung. Die aber erfordert eine Integrität, die nicht für alle Zeiten feststeht, sondern von Zeit zu Zeit neu festgelegt wird. Diejenigen, die längst da sind, nehmen an der Festlegung teil, ebenso die jungen Menschen, die in die Gesellschaft hineinwachsen, sowie diejenigen, die in sie einwandern.

Es ist ratsam, nicht beliebig offen zu sein und alles verändern zu wollen

Der Idee der Integrität nach kommt auf diese Weise eine Gesellschaft zustande, die von Grund auf alteritätskompatibel ist, passfähig für andere und für Veränderung. Alle können die Veränderungen anstreben, die ihnen erforderlich erscheinen. National kann dann heißen: integrativ. Möglich ist jedoch auch, an der alten Idee der Identität festzuhalten. Eine freie Gesellschaft entscheidet das nicht mit zwanghaftem Konsens, sondern im Wettstreit um das bessere Konzept, bei dem sich zeigt, welche Überzeugungskraft die jeweilige Idee erreicht.

Bei aller integrativen Offenheit für andere und Veränderung ist es gleichwohl ratsam, nicht beliebig offen zu sein und alles verändern zu wollen. Nur die relative Beständigkeit einer Integrität bietet den festen Rahmen, in den viele sich einfügen können, statt in ungewisser Fluidität schwimmen zu müssen. Wäre es besser, gar nichts festzulegen, um alles im Fluss zu halten? Es ist eine Frage des Experiments: Bis zu welchem Grad ist Fluidität lebbar? Was wird aus den Beziehungen zwischen Menschen, wenn alles im Vagen bleibt? Ab wann sind Festlegungen nötig, um die Festigkeit eines Ufers zu bieten? Um die Beziehungen der Ichs zum Wir zu festigen, bedarf es attraktiver Angebote zur Integration. Das liegt im Interesse der Gesellschaft, denn wer sich in ihr heimisch fühlt, hat mehr Freude daran, mit Kreativität und Produktivität zu ihr beizutragen: „Das ist mein Land, ich lebe gerne hier und gehöre dazu!“

Geht es auch konkreter? Wann genau gehört ein Mensch dazu und ist „deutsch“, von wo auch immer er herkommt? Ist es erforderlich, im Land geboren zu sein, die Sprache zu sprechen, den Bildungsweg erfolgreich zu absolvieren und Karriere zu machen? Soll bei einer Herkunft von anderswo die staatliche Prüfung zur Einbürgerung den Ausschlag geben? Wann kann die Fremdheit überwunden werden? Viele Angekommene beklagen sich, dass es schwer ist, Zugehörigkeit zu erreichen, da immer wieder andere Kriterien des Deutschseins gelten.

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Die Schwierigkeit ist: Es gibt keine Zentralinstanz, die festlegen könnte, was deutsch ist. Die Gesellschaft ist in Bewegung und hat zu keinem Zeitpunkt eine einheitliche Meinung, schon gar nicht in dieser Frage. Selbst die endlich erlangte Staatsangehörigkeit besagt noch nichts über die kulturelle Zugehörigkeit, denn die wird in der Gesellschaft verhandelt. Sie kann bereits an einem fremd klingenden Namen scheitern. Zugehörigkeit ist möglich, aber auch die Gewöhnung spielt dabei eine Rolle. Selbst Namen wie Podolski, Özdemir, Al-Wazir brauchten eine Weile, bis sie nicht mehr als gänzlich fremd empfunden wurden.

Einige Eckpunkte haben sich als geeignet erwiesen, integrative Kraft für viele zu entfalten. Sie beruhen auf dem, was sich über längere Zeit in der Gesellschaft namens Deutschland bewährt hat. Im Konfliktfall mit anderen Vorstellungen kommt ihnen erst einmal Vorrang zu, um der Beständigkeit willen. Dazu zählen Werte, die auf demokratischem Weg im Grundgesetz und in Rechtsnormen festgelegt wurden und sich einer großen Wertschätzung erfreuen: die Unantastbarkeit der Menschenwürde. Die freie Entfaltung der Person, sofern die Rechte anderer nicht verletzt werden. Die Gleichheit aller vor dem Gesetz. Die Bindung staatlicher Gewalt an die Grundrechte. Die Freiheit des Glaubens und der Meinung. Das gute alte Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis, das in der Epoche neuer Medien wieder an Aktualität gewinnt. Die Gleichberechtigung von Männern und Frauen. Im Grundgesetz steht auch, welche Wertschätzung die Familie genießt, aber nicht, wie sie zusammengesetzt sein muss.

Ein Eckpunkt der Integrität ist die Geschichte der Gesellschaft

Aufgrund reicher Erfahrung im Alltag hat sich außerdem gezeigt: Eine gemeinsame Sprache erleichtert die Verständigung und stärkt die Zugehörigkeit. Je vertrauter die Sprache ist, desto weniger entstehen Fremdheitsgefühle. Um Anderssprachige nicht auszuschließen, sollte es gleichwohl nicht die einzige Sprache sein, die in der Gesellschaft gesprochen wird. Je mehr andere Sprachen im Spiel sind, desto integrativer kann das Wir gestaltet sein. Jede und jeder kann sich selbst für weitere Sprachen interessieren. Dass der Erwerb der Mehrsprachigkeit in der Schulbildung verankert ist, auch schon in der Vorschulzeit, trägt den neurobiologischen Erkenntnissen Rechnung, dass in jungen Jahren besonders mühelos Sprachen zu erlernen sind. Lebenslang profitieren alle davon, sich überall verständigen zu können.

Ein Eckpunkt der Integrität ist die Geschichte der Gesellschaft. Wir sind unsere Geschichte. Bereits das Ich erreicht innere Integrität über die Geschichten, aus denen seine Biografie besteht, ähnlich das Wir der Gesellschaft über die Geschichten, die in den Geschichtsbüchern niedergelegt sind. Die gemeinsamen Erfahrungen werden auf diese Weise weitergegeben, auch wenn nicht jedes Ich sie persönlich gemacht hat. Wo kommen wir her? Das interessiert Menschen, denn es reduziert ihre Verlorenheit in der Welt. Es ist der Faden der Kontinuität, auch wenn er vielfach gerissen und geflickt worden ist. Jedes Ich ist in ein Wir eingebettet, das die Zeit transzendiert. Mit jedem Zuwachs an geschichtlichem Bewusstsein schrumpft die Gegenwart zu dem, was sie ist: ein kleiner Ausschnitt aus einer weit größeren Wirklichkeit.

Im Alltag wiederum bestimmt nicht die große Geschichte der Geschichtsbücher das Wir-Gefühl. Spannender sind die kleinen Geschichten, die die Ichs sich wechselseitig erzählen. Wir ist eine Erzählung. Gesellschaft ist kein beziehungsloses Nebeneinander, sondern die Erfahrung von Zusammenhängen zwischen den Menschen in Form persönlicher Geschichten mit ihren vielfältigen Bezügen. Jedes Ich hat eine Geschichte, die es mit anderen verbindet. Schon zwei Ichs finden über ihre Geschichten zueinander. Letztlich sind alle durch Geschichten miteinander verwoben. Mit deren Erzählung werden sie füreinander erkennbar und können einander besser verstehen.

Die Integrität der Gesellschaft ist gekennzeichnet durch ein offenherziges Wir, das sich für andere interessiert, auch für ihre kritischen Bemerkungen, die immer wieder zum Anlass für eine Selbstbesinnung werden. Ein neuer Blick von außen auf die bestehende Gesellschaft regt zur Reflexion und Selbstreflexion an, um sich und das gesellschaftliche Leben zu überdenken und dies als Element der bewussten Lebensführung zu verstehen. Das Reden darüber bei privaten Begegnungen und in öffentlichen Diskussionen wird zu einer Gelegenheit für die gesamte Gesellschaft, zum lernenden Organismus zu werden, der aus der Selbstbefragung mehr Klarheit über die Eckpunkte seiner Integrität gewinnt. Die müssen nicht von allen geteilt werden, aber es ist von Vorteil, sie zu kennen. Keine Leit-, sondern eine Gewohnheitskultur kommt dabei zum Vorschein, wie sie auch anderen Kulturen eigen ist.

Zur Integrität der Gesellschaft gehören nicht nur die Ichs, die jetzt in ihr leben

Wir sind unsere Gewohnheiten, die wir sorgsam pflegen. Traditionell ängstigen sich in der deutschen Gesellschaft Menschen mehr als anderswo, unwichtig wovor. German Angst ist ein Alleinstellungsmerkmal, andere haben andere Marotten. Was ist im Gegenzug in unseren Augen schön? Romantik beispielsweise, die ebenso zur deutschen Geschichte gehört wie eine kühle Rationalität. Dinge wie den Wald und das Brot finden wir dermaßen schön, dass wir sie in der Fremde vermissen. Offen gestanden finden wir es auch schön, recht zu behalten. „Ordnung“ ist uns wichtig, welche auch immer. Und was verstehen wir unter Arbeit, Freizeit, Freundschaft, Liebe? Was sind unsere Stärken, was unsere Schwächen, was könnten wir verbessern? Einige ängstigen sich vor den Konsequenzen solcher Reflexionen, aus denen sich Veränderungen ergeben können. Daher die Versuche, jede Selbstbesinnung abzublocken, um die Identität zu bewahren, die durch eine Infragestellung gefährdet wäre.

Zur Integrität der Gesellschaft gehören im Übrigen nicht nur die Ichs, die jetzt in ihr leben, sondern auch alle, die in früheren Zeiten in ihr lebten und auf deren Schultern die Gegenwart ruht. Sowie alle, die künftig in ihr leben werden. Die Lebensbedingungen der kommenden Generationen werden in der Gegenwart vorbereitet. Hat die Gesellschaft die Vision eines künftigen Lebens im Blick, können auch sie ständig präsent sein. Mit solchen Eckpunkten, die die nationale Integrität umfasst, kann das einzelne Ich hoffentlich stolz auf das Wir der Gesellschaft sein, statt ihr gleichgültig gegenüberzustehen. Unter Bedingungen der Moderne muss dies allerdings nicht zwingend das ganze Leben hindurch so bleiben, es kann sich auch um einen Lebensabschnittsstolz handeln. Was in einer Phase Freude macht, kann in einer anderen ärgerlich sein. In jedem Fall aber geht es darum, erst einmal eine Beziehung zur Gesellschaft einzugehen und ein Gefühl der Verbundenheit zu entwickeln.

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24.05.2024

Der Mensch erhält durch seine Familie und deren Herkunft, seiner Heimat, seinen Freunden und Kollegen und die Geschichte seines Landes seine Identität. Möglich, dass der vernetzte und grenzenlose Kontinent ihm die europäische Identität geben wird. Die nationale Herkunft zweitrangig werden könnte und so der Nationalstaat gezwungen ist sich in einem vereinten Europa aufzulösen..
Gunther Kropp, Basel