Was ein Allgäuer Tierrechtsaktivist im Kriegsgebiet der Ukraine macht
Philipp Hörmann hat den Tierskandal von Bad Grönenbach aufgedeckt. Aktuell ist er immer wieder im ukrainischen Kriegsgebiet im Einsatz, um Mensch und Tier zu helfen.
Es war eine der gefährlichsten Situationen, die der Mann aus Bad Grönenbach in der Ostukraine erlebt hat. In einem Transporter, direkt an der Front. Doch die Umstände waren gleichzeitig derart skurril, dass er lachen muss, als er uns davon erzählt. Philipp Hörmann ist Tierrechtsaktivist, er hat den Tierskandal von Bad Grönenbach aufgedeckt. Und als am 24. Februar 2022 Russland die Ukraine angriff, begann für den 39-Jährigen ein weiteres Projekt.
Schnell fluteten schreckliche Bilder die Nachrichten und Sozialen Medien. Sie zeigten Menschen und Tiere in massiver Not. Zurückgelassene, volle Tierheime. Raketen, die in Ställe einschlugen. Ein Rind mit weggerissenem Unterkiefer, das aber noch lebte. Für Philipp Hörmann war klar, dass er ins Kriegsgebiet fahren und helfen muss. Menschen und Tieren. So saß er eines Tages in dem Transporter, den ein ukrainischer Soldat lenkte. Und der hatte sich verfahren. Genau an der Front, zwischen ukrainischen und russischen Einheiten. Das Fahrzeug schoss mit 160 Kilometern in der Stunde über die Straße, die mehr ein Feldweg war, um der Gefahr zu entkommen. Hinten saß Philipp Hörmann. Er schaute aus dem Fenster – und sagte laut in den Wagen, dass er sich nicht sicher sei, ob die Uniformen, die links im Wald zu sehen waren, noch die richtigen seien. Sie gehörten russischen Soldaten.
Philipp Hörmann riskiert sein Leben, um Tiere in der Ukraine zu retten
„Bis heute kann mir keiner sagen, warum wir nicht sofort beschossen wurden.“ Seitlich an dem Transporter stand zwar in großen Buchstaben, dass es sich um humanitäre Hilfe handelte, aber vorn saßen gut sichtbar zwei uniformierte ukrainische Soldaten. „Wir hatten sehr viel Glück.“ Sie erreichten ihr Ziel: ein Dorf, von dem die Soldaten wussten, dass dort noch Menschen leben, die sich der Evakuierung widersetzt hatten. In vielen Dörfern an der ostukrainischen Front leben solche Menschen, sagt Hörmann. Und dort versammeln sich Tiere. Solche, deren Besitzer getötet worden oder geflüchtet sind. Die Tiere wissen, dass sie dort Nahrung bekommen. Hilfskonvois fahren gezielt solche Orte an und verteilen Lebensmittel und andere Güter für Mensch und Tier.
Mit dem Ziel, sich solchen Konvois anzuschließen, war Philipp Hörmann in Bad Grönenbach gestartet. Das erste Mal Ende März. Von einer Hilfsorganisation wusste er, dass im polnischen Ort Medyka an der Grenze zur Ukraine solche Transporte starten. Dort traf er Ralf Seeger. Der stark tätowierte 60-Jährige ist vielen bekannt aus der TV-Doku-Serie "Harte Hunde" auf Vox, in der gezeigt wird, wie der Mann mit einem Team Tiere rettet. Hörmann und Seeger sind befreundet, also schloss sich der Unterallgäuer dessen Konvoi aus zwölf Fahrzeugen an. Das erste Ziel war Kiew.
Aktivisten retten zurückgelassene Haustiere aus Wohungen
Unter Militärschutz wurden sie ins Sperrgebiet gebracht. Mit schusssicheren Westen und Helmen. Wo sich das russische Militär befand, wussten sie nicht. Zu ihren Aufgaben gehörte auch, Tiere aus Wohnungen zu befreien. Teilweise wussten sie von Hilfsorganisationen, wo sie suchen mussten. Manchmal reichte es auch, leise zu sein. Dann hörten sie Tiere schreien. Hungernde, verdurstende, verletzte, verängstigte, deren Besitzer geflohen oder gestorben waren. Ein Urteil über Ukrainer, die ihre Haustiere zurückließen, will sich der 39-Jährige nicht erlauben. „Von uns kann wahrscheinlich niemand sagen, wie man in einer Situation handelt, wenn plötzlich schwerste Kämpfe vor der Haustür stattfinden.“
Einmal habe er von der Straße aus hinter einem Fenster eine Katze entdeckt, die sich im Vorhang verfangen hatte. „Die hätte alleine keine Chance gehabt.“ Einer seiner Mitstreiter rettete sie. Alles unter dem Eindruck des Krieges. Rauch hing in der Luft, immer wieder fachte der Wind Feuer an. Lange war es nicht her, dass in dieser Gegend gekämpft wurde. „Es war geisterhaft.“
Die Erlebnisse aus dem Kriegsgebiet gehen nicht spurlos an Hörmann vorbei
Noch stärker seien die Eindrücke in den Dörfern an der Ostfront gewesen. Während er und die anderen Helfer Menschen und Tiere versorgten, waren Gefechte zu hören. „Nicht im Hintergrund, sondern ganz nah.“ Noch näher muss die Rakete gewesen sein, die einschlug, als die Helfer in der Stadt Charkiw im Nordosten der Ukraine einmal Quartier bezogen hatten. Es war Nacht, die Druckwelle gewaltig. „Wir sind buchstäblich aus den Betten geflogen.“
Abenteuerausflüge sind es nicht, sagt der Bad Grönenbacher. Er sei zwar hart im Nehmen, wobei ihm sein schwarzer Humor helfe. Doch spurlos gingen die Erlebnisse nicht an ihm vorbei. Während der Rückfahrten sei er sich stets bewusst, dass er leidende Menschen und Tiere zurücklasse. Gleichzeitig haben die Eindrücke noch etwas bewirkt. „Ich bin viel zufriedener mit dem, was ich zuhause habe.“
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