Wenn das Arbeitslosengeld mehr bringt, als der Job
Die Lage am Arbeitsmarkt bessert sich von Monat zu Monat. Nie zuvor waren in der Bundesrepublik so viele Menschen erwerbstätig wie derzeit. Und dennoch können viele nicht von dem leben, was sie mit ihrer Arbeit verdienen. Von Klaus Köhler
Von Klaus Köhler
Augsburg - Die Lage am Arbeitsmarkt bessert sich von Monat zu Monat. Nie zuvor waren in der Bundesrepublik so viele Menschen erwerbstätig wie derzeit. Und dennoch können viele nicht von dem leben, was sie mit ihrer Arbeit verdienen.
Die Zahl der "Aufstocker", die ein Einkommen haben, aber dennoch Hartz-IV-Empfänger sind und Arbeitslosengeld II beziehen, nimmt trotz des Booms am Arbeitsmarkt zu. Die Versuchung für die Betroffenen ist groß, sich ganz ums Arbeiten zu drücken. "Ich bin doch nicht blöd. Hartz IV reicht doch", zitiert Bild Arbeitslose, die mit der Stütze vom Staat angeblich auskommen.
Was für Single-Haushalte vielleicht zutrifft, sieht aber für Familien mit Kindern ganz anders aus, wie das Institut für Weltwirtschaft (IfW) in Kiel in einer vor Kurzem veröffentlichten Studie ermittelt hat. "Die derzeitige Ausgestaltung des Arbeitslosengeldes II benachteiligt Mehrpersonenhaushalte - insbesondere Familien mit Kindern - gegenüber kinderlosen Singles", so das Kernergebnis.
Die drei Autoren haben anhand einer Internet-Umfrage ermittelt, wie viel Mehrpersonenhaushalte benötigen, um den gleichen Lebensstandard wie Alleinwohnende zu erreichen. Dabei zeigte sich, dass etwa bei einer Familie mit zwei Kindern das gewährte Arbeitslosengeld II (Alg II) um gut 16 Prozent unter dem ermittelten tatsächlichen Bedarf der Familie liegt.
Aus Sicht der Verteilungsgerechtigkeit wäre also eine Erhöhung des Alg II für Haushalte mit Kindern angezeigt, so die Studie. Doch das widerspricht wiederum der Absicht des Hartz-IV-Gesetzes, Anreize zur Arbeitsaufnahme zu schaffen. Aber auch dazu besteht aus Sicht der Autoren gerade für Familien mit Kindern wenig Anreiz: "Ist etwa in einer fünfköpfigen Familie lediglich ein Erwachsener ganztägig berufstätig, so müsste ihm ein Bruttoeinkommen von mindestens 2576 Euro geboten werden, damit es sich für ihn lohnt, auf Alg II zu verzichten und eine Arbeit aufzunehmen."
Selbst wenn Erwerbstätige mehr verdienen als ein Hartz-IV-Empfänger, stehen sie häufig nicht besser da, wie Susanne Donn, die Geschäftsführerin unseres Leserhilfswerks Kartei der Not, weiß. So bat eine Familie um Unterstützung, deren Einkommen zwar 160 Euro über ihrem Hartz-IV-Anspruch liegt, aber das wird durch Fahrtkosten und sonstige Ausgaben für den Job wieder aufgefressen. Bei Alleinerziehenden kommen zudem Kosten für die Kinderbetreuung hinzu.
Die Autoren der IfW-Studie schlagen deshalb vor, bedürftigen Familien mit Kindern stärker als bisher eine kostenfreie ganztätige Kinderbetreuung zu ermöglichen. Damit werden die Eltern finanziell entlastet und zudem die Aufnahme einer Arbeit erleichtert.
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