Der Raistinger Weißstorch Huibuh geht "auf Sendung"
Der Weißstorch Huibuh aus Raisting trägt einen Sender und seine Reisen werden dokumentiert. Insgesamt bevölkern 26 Brutpaare den Ort am Ammersee-Südende.
Der Weißstorch (Ciconia ciconia) hat sich zu einem typischen Kulturfolger entwickelt, der sich als einziger Großvogel – auf Gedeih und Verderb – an den Menschen angeschlossen hat. Periodisch überschwemmtes Grünland, Teiche und extensiv bewirtschafte, landwirtschaftliche Flächen sind seine neue Heimat geworden.
Wie Möwen einen Krabbenkutter umschwärmen, sieht man Meister Adebar häufig hinter landwirtschaftlichen Maschinen her schreiten, um freigelegte Würmer und Insekten aufzupicken. Im Hinblick auf Nahrung sind Weißstörche nicht sonderlich wählerisch. Als Nahrungsopportunisten fressen sie nahezu alles, was ihnen vor den Schnabel kommt: Frösche, Molche, Fische, Eidechsen, Schlangen, Regenwürmer, Insekten, Mäuse und Ratten. Auch Eier und Nestlinge bodenbrütender Vogelarten sowie Aas werden nicht verschmäht. Ein durchschnittlich 3,5 Kilogramm schwerer, ausgewachsener Storch benötigt etwa 600 Gramm Nahrung am Tag. Das entspricht immerhin 20 Feldmäusen oder 600 Regenwürmern. Der letzte Eindruck einer ihr Mauseloch verlassender Feldmaus ist häufig ein mit tödlicher Präzision herab schießender Storchenschnabel.
In Bayern gibt es derzeit rund 1100 Storchenpaare – in Raisting sind es 26
Aufgrund der zunehmenden Industrialisierung und Dürrekatastrophen in den Überwinterungsgebieten in Afrika brachen die Weißstorchbestände weltweit stark ein. Wurden bei der ersten Bestandsaufnahme 1934 noch 9000 Storchenpaare ermittelt, war die Anzahl in den 1980er-Jahren dramatisch auf knapp 3000 Paare abgesunken. Durch diverse Schutzmaßnahmen haben sich die Bestände in jüngster Zeit erfreulicherweise wieder stabilisiert und steigen kontinuierlich an. 2022 wurden in Deutschland rund 10.00 Brutpaare gezählt, allein in Bayern waren es 1100 Brutpaare.
In Dießen nisten derzeit drei Brutpaare (Mädchenrealschule, Herrenstraße, Moosstraße). Die Ortschaft Raisting hat sich im Laufe der Jahre zu einer Hochburg der Weißstörche in Südbayern entwickelt. Wolfgang Bechtel vom Landesbund für Vogelschutz hat bei seiner diesjährigen Bestandsaufnahme 26 Brutpaare mit insgesamt 75 Jungtieren gezählt, eine sehr erfreuliche Entwicklung verglichen mit den 33 Jungen des Vorjahrs.
Die Erfolgsgeschichte begann 2004 als ein Weißstorch im Straßburger Zoo urplötzlich beschloss zu neuen Ufern aufzubrechen und Raisting als seine neue Heimat auserkor. Einer der in diesem Jahr auf dem Heimatmuseum in Raisting nistenden Störche ragt aus der Masse heraus und steht – wie 247 weitere Weißstörche – unter permanenter, wissenschaftlicher Beobachtung. Die Störchin,,HuiBuh" erblickte 2019 in Baden-Württemberg in Salem (Affenberg) das Licht der Welt. Dort wurde sie beringt und ging "auf Sendung".
Ein wasserdichter, knapp 70 Gramm schwerer Sender ist mit einem weichen, nicht scheuernden Teflonband wie ein Rucksack auf dem Rücken des Vogels befestigt. Auf die Anprobe wird große Sorgfalt verwendet, weil der Sender theoretisch ein ganzes Storchenleben lang aktiv bleiben kann. Das integrierte Solarmodul liefert Strom, naturgemäß wäre es ja sonst auch etwas schwierig den Akku aufzuladen.
Ein Minisender auf dem Rücken von Storch Huibuh sendet seine Reisedaten
Dank des inzwischen weltumspannenden Satelliten- und Handynetzes können die Daten standortunabhängig gesendet werden. Neben GPS-Daten und Flughöhe werden auch Bewegungsmuster aufgezeichnet, die präzise Aussagen erlauben, ob der Storch segelt, aktiv fliegt, steht oder sitzt. Die so mithilfe der Satellitentelemetrie gewonnenen Daten erlauben präzise Aussagen über den Vogelzug und das Verhalten und ermöglichen die Entwicklung maßgeschneiderter Schutzkonzepte. Auf der kostenlosen App „Animal Tracker* kann der Standort sowie die Aktivität der letzten zwei Wochen und des letzten Jahres jeder mit einem Sender versehenen Tierart oder einzelner Individuen ermittelt werden.
HuiBuh hat inzwischen 3691 Kilometer zurückgelegt und überwintert jedes Jahr in Spanien. Hier findet er zusammen mit Hunderten von anderen Störchen auf offenen Müllkippen paradiesische Zustände: Ratten, Knochen, Fleisch- und Fischreste. Inwieweit diese nicht artgemäße Ernährung langfristig das Beutefangverhalten des Weißstorches beeinflusst, bleibt noch abzuwarten.
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