
„Ernährungsextremisten“ sind gefährdet

Die AOK-Ernährungsberaterin Bettina Mayr erklärt, was hinter derLow-Carb-Diät steckt – und was die strengste Form dieser Ernährung gefährlich macht
Maja hat schon zig Diätversuche hinter sich gebracht. Vergebens. Immer wenn sie sich einer neuen Ernährungsweisheit verschrieben hat, hat sie nach nur wenigen Wochen Crashdiät das Durchhaltevermögen verlassen und schon hatte sie die abgenommenen Kilos wieder auf den Rippen. Nun will sie eine Diät versuchen, die aktuell buchstäblich in aller Munde ist: die Low-Carb-Diät. Low Carb bedeutet – in der wortwörtlichen Übersetzung – „wenig Kohlenhydrate“. Was das genau heißt, verrät Bettina Mayr von der AOK-Ernährungsberatung.
Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung, kurz: DGE, empfiehlt eine Ernährungsweise, bei der mindestens 50 Prozent der Energieträger auf Kohlenhydrate entfallen. Demnach stammt jeder Teller, der weniger als zur Hälfte Kohlenhydrate umfasst, im Grunde genommen bereits aus der Low-Carb-Küche. Eine genauere Definition kann es nicht geben, denn unter den Anwendern finden sich Fans der Low-Carb-Küche, die fast gar keine Kohlenhydrate zu sich nehmen. „Und das kann – vor allem wenn die Person nicht gesund ist – kritisch werden“, warnt die Ernährungsberaterin. Gefährdet sind vor allem die Nieren, die besonders dann unter der Low-Carb-Ernährung leiden, wenn hauptsächlich Eiweiß und Fette als alternative Energielieferanten anstelle von Kohlenhydraten konsumiert werden.
Problematisch kann die Low-Carb-Crashdiät werden, weil die Stickstoffverbindungen im Eiweiß von der Niere ausgeschieden werden müssen. Schwerarbeit für dieses Organ. Die Fette werden in der Leber in Energie umgewandelt, übersäuern in großer Menge jedoch den Stoffwechsel. Mögliche Folgen: Kopfschmerzen und Nierenbeschwerden. Eine Option, um diesem Effekt entgegenzuwirken, ist es, die eiweiß- und fetthaltige Ernährung mit viel Basen, wie Magnesium, Kalium und Calcium zu ergänzen. Zu finden sind diese Mineralstoffe beispielsweise im Salat.
Die bessere Alternative ist die „sanfte“ Low-Carb-Variante. Diese kann der sogenannten „Dreiviertel-Teller-Regel“ folgen, erklärt Bettina Mayr. Wer diese Regel einhält, hat auf der Hälfte des Tellers Gemüse oder Salat, auf einem Viertel eiweißhaltige Lebensmittel und auf dem letzten Viertel Kohlenhydrate in Form von Reis, Nudeln, Kartoffeln oder Knödeln. Die „sanfte“ Low-Carb-Ernährung zieht den Stoffwechsel nicht in Mitleidenschaft und reduziert den Kohlenhydrate-Anteil zugunsten von Salat und Gemüse.
Bei der Wahl der Kohlenhydrate sollte darauf geachtet werden, „langsame“ Kohlenhydrate zu verspeisen. Ein Vollkornbrot mit Butter, Käse und Tomate ist beispielsweise eine Mahlzeit, die den Magen füllt. Portionsweise gibt dieser die Nahrung in den Darm ab. Über viele Stunden ist das Gehirn ausreichend mit Energie versorgt.
Wer jedoch abnehmen möchte, wird es ohne ein wenig „hungrig sein“ nicht schaffen. Wer dieses Hungergefühl etwa eine Stunde aushält, verweist den eigenen Körper damit auf die Fettreserven – und nimmt ab. Der Tipp der Ernährungsberaterin lautet: „Mit einem Glas Wasser und etwas Durchhaltevermögen lässt sich diese Stunde gut überbrücken.“ Etwas anderes passiert im Körper derer, die „schnelle“ Kohlenhydrate konsumieren: Gummibärchen oder zuckerhaltige Getränke kommen nach etwa 15 Minuten im Blut an.
Sie setzen die Bauchspeicheldrüse, die Insulin produziert, um den Zuckermassen Herr zu werden, gehörig unter Druck. Nach kurzer Zeit sackt der Blutzuckerspiegel wieder ab und Hunger stellt sich ein. Wer zwischendurch etwas naschen möchte, sollte besser auf eine Handvoll Nüsse zurückgreifen, die – in Maßen genossen – einen wahren Energiekick versprechen.
Als grundsätzlichen Tipp, um im Dschungel von Low Carb, High Fat, Atkins und Co. durchzublicken, rät Bettina Mayr: „Ein Ernährungsextremist sollte keiner werden.“ Crash-Diäten sind meist zum Scheitern verurteilt. Wer hingegen in Maßen reduziert, wie beispielsweise Kohlenhydrate bei der Low-Carb-Variante, oder ebenfalls maßvoll konsumiert, wie beispielsweise fetthaltige Nüsse als Snack, kann einen gesunden Weg mit Normalkost einschlagen.
Wer Gewicht reduzieren möchte, sollte in erster Linie zuckerreiche, ballaststoffarme und fleischreiche Kost, die sogenannte „Western Style Ernährung“, grundsätzlich überdenken und ablegen. Auch ist das Tempo der Gewichtsreduktion entscheidend, um während einer Diät keine Gegenreaktion im Organismus zu bewirken. Wer mehr als ein halbes Kilo pro Woche verliert, läuft Gefahr, dem Jojo-Effekt zu erliegen.
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