
Talente dringend gesucht

In der Mittelschule Firnhaberau werben Unternehmen um den Nachwuchs, nicht umgekehrt.
Kurz vor Beginn der Berufsinformationsmesse in ihrer Schule stehen Claudia, Alisia und Ayca noch zusammen im Eingang. Sind sie neugierig auf die Möglichkeiten, die nach ihrem Abschluss an der Mittelschule Firnhaberau auf sie warten? Geht so, erklärt das Trio. Die drei sind in der achten Klasse.
Wie für die Schüler aus der Neunten herrscht auch für sie Anwesenheitspflicht auf der Berufsinfobörse. Aus 15 Firmen und Organisationen mussten sie sich drei aussuchen, bei denen sie sich heute vorstellen. Jede Schülerin hat verpflichtend drei Dates. Die Einrichtung hält diese Infobörse jedes Jahr ab, damit die Jugendlichen lange genug Zeit haben, Aussichten für ein Leben nach der Schule zu organisieren. Alicia will Polizistin werden, doch die Ordnungshüter sind heute nicht hier. Die drei Mädchen haben sich für einen Besuch bei Top Hair, bei der Altenhilfe und in einem Autohaus entschieden.
Es geht nicht nur darum, Ausbildungsprogramme und Personalverantwortliche kennenzulernen. Für manche könnte direkt an diesem Abend ein Praktikumsplatz festgezurrt werden, erklärt Ursula Kammerer. „Seit letztem Jahr haben wir mehr interessierte Firmen, als wir unterbringen können. Der Markt brummt – für die Schüler.“ Es könne gut sein, dass einige Unternehmensvertreter sich hier und jetzt schon gezielt für 2020 einen Schüler oder eine Schülerin ausgucken und sogar dem ein oder der anderen schon einen Vertrag anbieten.
Phänomenaler Ausbildungsmarkt für junge Leute
Ob das an diesem Abend der Fall war, ließ sich hinterher nicht mehr herausfinden. Aber zur Begrüßung war die Aula voll, etwa 200 Jugendliche und einige Eltern waren gekommen. Gerhard Müller, Berufsberater der Arbeitsagentur, der an dieser Schule auch wöchentliche Sprechstunden anbietet, bestätigt: „Der Ausbildungsmarkt für die jungen Leute ist derzeit phänomenal.“ Noch sind sieben Wochen Zeit, dann muss für die Schulabgänger alles eingetütet sein. Der „Berufswahlprozess“, wie die Agentur-Profis die Suche der Jugendlichen nach ihren Interessen nennen, dauere zwischen sechs und 18 Monate. Als Orientierungshilfe bieten sich an den Mittelschulen nicht nur die Beratungsstunden der Arbeitsagentur, sondern auch jener schuleigenen Lehrer an, die sich als „Berufseinstiegsbegleiter“ engagieren.
Jugendlichen, die sich noch nicht entschieden haben, empfiehlt Müller, nach dem Mittelschulabschluss ein Berufsvorbereitungsjahr an einer der Berufsschulen oder ein von der Arbeitsagentur gefördertes Orientierungsjahr: „Danach sind die meisten entscheidungsreif.“ Vorteil eines regulären Ausbildungsplatzes im Vergleich zu diesen beiden Maßnahmen ist natürlich die Vergütung.
Großen Zulauf hat an diesem Abend die Firma Humbaur, Motto „Wir sind Anhänger“. Die 500 Mitarbeiter der Gersthofer Firma stellen unter anderem 160 verschiedene Anhängermodelle für Pkw und 30 Modelle für den Pferdetransport her. Verkauft wird in alle Welt. Voraussetzung für die derzeit neun Ausbildungsberufe ist ein einwöchiges Praktikum. Nach Vertragsabschluss gibt es gleiches Geld für alle: 900 Euro im ersten und 1000 Euro im dritten Jahr. Für Mittelschüler eignen sich Maschinen- und Anlagenführer und die Lagerlogistik. Einzig die Mathenote sollte nicht schlechter als drei sein, erklärt Personalreferentin Sara Mehling.
Berufsfachschule und mehrere Wochen Praktika
Mehr gibt es in der Altenhilfe: 1140 für die Anfänger, 1300 im dritten Ausbildungsjahr. Beim Date mit der städtischen Altenhilfe im Erdgeschoss herrscht Leben. Das liegt nicht zuletzt an Mustafa Sürücü. Der Altenpfleger und eine junge Kollegin sind mit der Personalleiterin der städtischen Altenpflege, Sigrid Sandmeir, gekommen. Sie haben die einjährige Berufsfachschule plus mehrere Wochen Praktika zur Pflegefachhilfe hinter sich und hängten das, bei dieser Vorkenntnis nur noch zwei Jahre dauernde, Examen zur Pflegefachkraft an. Jetzt können sie sowohl in der Alten- als auch in der Kinder- und Krankenpflege eingesetzt werden.
Leidenschaftlich erzählen sie von ihrer Arbeit im Sanderstift, von ihren Beziehungen zu den Bewohnern, von der medizinisch anspruchsvollen und erfüllenden Tätigkeit. Sürücü berührt es, Menschen zuzuhören, die den Krieg noch hautnah miterlebt haben. Interessant sei es gewesen, eine Frau von ihrem Wählscheiben-Telefon erzählen zu hören. Während die Seniorin über das Smartphone des Schülers staunte, staunte der Schüler darüber, dass ihr die moderne Technik gänzlich fremd ist. Auch der Tod sei gegenwärtig. Mit ihm lernten die Azubis jedoch im Unterricht und in der Praxis umzugehen, denn auch er sei Teil des Lebens, so der Krankenpfleger.
Die Diskussion ist geschlossen.