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Augsburger Geschichten: Die Stetten-Bibliothek in der Gießhalle

Augsburger Geschichten

Die Stetten-Bibliothek in der Gießhalle

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    Foto von 1981: Die einstige Gießhalle diente damals als Prüfungssaal. Seit 30 Jahren stehen hier Bücherregale.
    Foto von 1981: Die einstige Gießhalle diente damals als Prüfungssaal. Seit 30 Jahren stehen hier Bücherregale.

    Den Mädchen des A.B. von Stettenschen Instituts Am Katzenstadel steht Augsburgs beeindruckendste Schulbibliothek zur Verfügung. Unter mächtigen Gewölben der einstigen reichsstädtischen Gießhalle stehen Bücherregale, Arbeits- und Schmökerplätze sind in der Halle verteilt. Seit 1988 dient die Halle als Bibliothek. Zuvor war sie 15 Jahre lang ein Prüfungssaal mit vielen Tischen. Die Akustik war gefürchtet: Die Gewölbe machten selbst Flüsterlaute für die Aufsicht hörbar.

    Die Bibliothek und der angebaute Turm sind die ältesten Bauwerke auf dem Schulgrundstück. Darauf entstanden 1968/69 die ersten Schulgebäude des Stetten-Instituts (Einweihung am 17. Oktober 1969). Die traditionsreiche Mädchenschule und das Internat siedelten vom Martin-Luther-Platz an den Katzenstadel um.

    Eine Steinplatte zog mit um. In Metallbuchstaben steht darauf: „Toechter-Erziehungs-Institut gestiftet von A.B. von Stetten. MDCCCV.“ Die über 200 Jahre alte Platte ist am Bibliotheksgebäude angebracht. Eine Schrifttafel erläutert: „Dieses Relief befand sich bis 1969 am Haupteingang des A. B. v. Stettenschen Instituts am Martin-Luther-Platz. Heute umfasst das Institut ein Gymnasium, eine Realschule und ein Internat für Mädchen.“ Das verlassene Stetten-Gebäude in der Innenstadt wurde abgebrochen. Auf dem Areal erstand 1969 ein Neckermann-Kaufhaus.

    Die Gießhalle bildete anfangs einen unansehnlichen Fremdkörper

    Die 1601 erbaute einstige Gießhalle mit angefügtem Kanonenbohrturm bildete auf dem neuen Schulgrundstück anfangs neben den Neubauten einen unansehnlichen Fremdkörper. Der Bau war ohne Dach und mit Ziegeln „geflickt“: Eine Bombe hatte im Zweiten Weltkrieg zwei Bogen der mächtigen Gewölbe zerstört. Augsburger Denkmalschützer wie Robert Pfaud verhinderten die Beseitigung der Ruine. Der spätere Heimatpfleger dokumentierte 1946 die aufgerissenen Gewölbe mit einer Zeichnung. 1948 wurde das Hollsche Gewölbe in handwerklicher Technik wieder ergänzt. Im Rohbauzustand harrte das Bauwerk 20 Jahre einer angemessenen Verwendung. Diese ergab sich erst mit der Umsiedlung des Stetten-Instituts auf das Grundstück Am Katzenstadel.

    An dieser Stelle hatte anno 1501 die Reichsstadt eine „Schmelzhütte“ bauen lassen. Als „Werckstatt, die grosse Geschütz darinnen zu giessen“, beschreibt sie eine Chronik. 1502 goss darin der „kunstreich Meister Niclaus Oberacker 35 schöne große Stück Geschütz aus Messing“, das größte zum Verschießen von 65 Pfund schweren Kugeln. Ein Teil dieser „Gießhütte“ brannte am 14. Oktober 1546 ab. Der Wiederaufbau folgte umgehend. Diese feuergefährdete Metallschmelze überstand 55 Jahre. Am 27. Juli 1601 ging sie in Flammen auf.

    Im 1601 abgebrannten Gießhaus waren Augsburgs wertvollste Brunnenplastiken modelliert und gegossen worden. Am 11. August 1590 hatte Stadtgießer Peter Wagner den Augustus gegossen. Der mächtige Herkules entstand im September 1597. Anno 1598 dürfte die Form für Merkur für den Brunnen am Moritzplatz in die Gussgrube in der Schmelzhütte gesenkt worden sein.

    1601 erhielt Elias Holl seinen ersten städtischen Auftrag

    Anno 1601 kehrte der 28-jährige Elias Holl von einer Venedig-Reise zurück und erhielt seinen ersten städtischen Auftrag: den Bau einer neuen Metallgießerei. Wegen der damals beim Schmelzen und Gießen von Metallen stets drohenden Brand- und Explosionsgefahr errichtete Elias Holl massive Gewölbe auf dicken Mauern mit zusätzlichen äußeren Stützen. Zwei Schmelzöfen ließ er einbauen. Darin brodelten fortan Metallmischungen für Geschützrohre sowie für Kunstwerke. Neben Kanonen wurden Bronzeplastiken, Bildwerke sowie Glocken gegossen. In der sieben Meter tiefen Gussgrube entstand 1606 der 21 Zentner schwere Adler für das Siegelhaus, 1607 St. Michael fürs Zeughaus. In dem an die Gießhalle angefügten Turm wurden die Geschützrohre ausgebohrt. Die Rohlinge hingen vertikal im Turm, von unten fraßen sich Meiselstähle durch das Rohr. Als „Motor“ diente ein Göppel, den Pferde im Rundlauf in Bewegung hielten.

    Anno 1722 standen das stillgelegte reichsstädtische Gießhaus sowie drei Nachbargrundstücke erstmals zum Verkauf. Am 2. Mai 1810 kaufte das königlich-bayerische Kriegsministerium das große Areal. Es reaktivierte das Hollsche Gießhaus und verlegte die Bayerische Stückgießerei von München nach Augsburg. Die Stückgießerei wurde technisch auf den neuesten Stand gebracht. Sie erhielt Schmelzöfen mit bis zu 220 Zentnern Kapazität zum Guss schwerer Kanonen. Allein zwischen 1830 und 1850 wurden rund 1500 Geschützrohre gegossen.

    1885 konzentrierte das Königreich Bayern die staatseigene Waffenproduktion in Ingolstadt. Der Rüstungsbetrieb in Augsburg wurde zum 1. April 1885 aufgegeben. Im April 1886 folgte der Eigentumswechsel: „Kronenbräu“ erwarb das Areal und die stillgelegte Gießhalle. Bis 1944 diente sie als Lagerhalle und Garage. Nach dem Bezug der neuen Schulgebäude begann der Um- und Ausbau. Seit März 1973 werden Halle und Turm genutzt. Eine 2005 zum 200-Jahr-Jubiläum des Stetten-Instituts von Schülerinnen gestaltetes großes Poster an der Bibliothek verdeutlicht, wem sie zur Verfügung steht.

    Frühere Folgen des Augsburg-Albums zum Nachlesen finden Sie im Online- Angebot unserer Zeitung unter

    www.augsburger-allgemeine.de/augsburg-album

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