Das Wunder Mensch
Im Glaskasten liegt ein blutrotes menschliches Herz, umgeben von Gefäßen. Ein Herzschlag ist zu hören. Laut. Regelmäßig. Pochend. Das Herz ist das Hauptthema der "Körperwelten"-Ausstellung, die seit Samstag in der Schwabenhalle zu sehen ist.
Von Sonja Krell
Hinter der Tür ist es finster. Die Wände sind schwarz, nur die Vitrinen werden von Lichtkegeln erhellt. Im ersten Glaskasten liegt ein blutrotes menschliches Herz, umgeben von Gefäßen. Ein Herzschlag ist zu hören. Laut. Regelmäßig. Pochend. Das Herz ist das Hauptthema der "Körperwelten"-Ausstellung, die seit Samstag in der Schwabenhalle zu sehen ist. Erstmals präsentiert der streitbare Plastinator Gunther von Hagens die neue Schau unter dem Motto "Herzenssache".
Günter Rehm beugt sich nach vorne, ganz dicht heran an das Plastinaten-Paar. Ein männlicher Körper, kniend. Mit einer Hand hält er die Frau fest, die auf seinem Oberschenkel steht, gefährlich weit nach vorne gebeugt. "Akrobatisches Paar mit orthopädischen Operationen" steht auf dem Schild daneben. "Schau, da sieht man richtig die Schrauben", sagt er zu seiner Tochter und zeigt auf den Knöchel der Frau. Drähte, Platten, künstliche Gelenke, die die Orthopädie benutzt, um verletzte Knochen wieder zusammenzufügen.
Lange steht Günther Rehm da, bestaunt die beiden Körper, findet immer wieder Details, die ihn faszinieren. "Der menschliche Körper ist doch der Wahnsinn", sagt der Friedberger. Vor sechs Jahren hat er schon einmal eine "Körperwelten"-Ausstellung in München gesehen, jetzt hat ihm seine Tochter den Besuch geschenkt - und er wollte gleich am ersten Tag her. Gruselig empfindet er die plastinierten Leichen nicht. "Das muss man sich erst mal bewusst machen, dass das Menschen sind."
Rastal (7) sieht das starre Paar mit großen Augen an. Vater Günther Aschl erklärt, was es heißt, wenn man sich den Arm bricht. Erklärt ihr, wo welche Organe sitzen und für was sie zuständig sind. "Sie soll das wissen, wie wir wirklich aussehen", sagt er. Zu jung sei die Siebenjährige dafür nicht.
"Das ist nicht ekelhaft. Es ist doch interessant, was sich unter unserer Haut verbirgt", meint Christian Silberbauer aus Aichach. Zusammen mit drei Freunden begutachtet er den "Schachspieler" - ein plastinierter Körper, der vor einem Schachbrett sitzt, fast so, als würde er angestrengt nachdenken. Erst von hinten offenbart sich, was die Figur vermitteln soll: Gehirn und Rückenmark, das zentrale Nervensystem des Körpers, sind zu sehen.
Die Ausstellung zeigt, wie der Körper funktioniert, wie eng Organe beieinander liegen, welche Muskeln der Mensch bei welcher Bewegung anspannt. Dabei gleicht kein Plastinat dem anderen. Ein Körper ist längs in Scheiben geteilt, ein anderer aufgefächert wie ein Buch. In Glaskästen liegen plastinierte Organe, gesunde neben kranken - Arterienverkalkung, Raucherlunge, eine von Metastasen befallene Leber. Dennoch wirken die Objekte nicht anrüchig oder gruselig.
"Ich kann mir das jetzt besser vorstellen als im Bio-Unterricht", meint Aylen Althammer (12). "Aber die Gefäße waren schon irgendwie eklig", findet ihr Bruder Leon. "Der Denker", die Figur, die das Arteriennetz rund um den Körper zeigt, hat ihm nicht gefallen. Auch die Glaskästen, vor denen sie nun stehen, finden sie unheimlich: Sechs Föten liegen darin ...
Die Diskussion ist geschlossen.