Ein Psychiater wird zum Massenmörder
Valentin Faltlhauser war einer der 20 führenden Ärzte des NS-„Euthanasieprogramms“. In seiner Kaufbeurer Klinik ließ er 2000 Menschen ermorden, darunter auch den Jugendlichen Ernst Lossa aus Augsburg
Was treibt einen humanistischen Reform-Arzt zum „rassehygienischen“ Massenmord an seinen Patienten? Der Psychiater Valentin Faltlhauser (1876-1961) wurde 1929 Direktor der Heil- und Pflegeanstalt Kaufbeuren. Er vertrat zunächst ein neues, gegen die Mainstream-Psychiatrie gerichtetes Konzept der „Offenen Fürsorge“: Kein chronisch kranker Patient sollte mehr lebenslang in einer Anstalt untergebracht sein, sondern möglichst ambulant in seiner Familie behandelt werden. Euthanasie und die Lehren der Eugeniker, „schädliche Erbgutanlagen“ durch Tötung zu eliminieren, lehnte er offen ab. Und doch gründete er in den 30er Jahren eine Ortsgruppe der Deutschen Gesellschaft für Rassenhygiene und engagierte sich ab 1940 im „Reichsausschuss zur wissenschaftlichen Erfassung von erb- und anlagebedingten Leiden“, die die Ermordung behinderter und psychisch kranker Kinder vorbereitete. Zwischen 1939 und 1945 ließ er in der Klinik etwa 2000 für psychisch krank oder behindert erklärte Menschen, darunter 210 Kinder, ermorden. Aus Augsburg wurden 1944 zudem zahlreiche, von den Bombenangriffen der Alliierten Traumatisierte in die Klinik unter der Trägerschaft des heutigen Bezirks Schwaben überwiesen und getötet.
Der Arzt, so vermutet Professor Michael von Cranach, wollte Anerkennung. Von Cranach ist selbst Psychiater und war von 1980 bis 2006 Nachnachfolger des NS-Arztes in der Kaufbeurer Klinik. Auf Einladung eines Veranstalternetzwerkes um den Verein Gegen Vergessen – für Demokratie eröffnete er im Augsburger Rathaus die Ausstellung „In Memoriam“ zum Gedenken an die Opfer des „Euthanasieprogramms“ in Schwaben. In einem Vortrag zeichnet er das Psychogramm des Täters Faltlhauser. Ehrgeizig sei er gewesen, stieß jedoch mit seinen neuen Konzepten in Bürokratie und Ärzteschaft auf Widerstand. Sein Mitarbeiter und Stellvertreter hingegen, der Arzt Herrmann Pfannmüller, zog in seiner NS-Karriere rasch an ihm vorbei. Dieser wurde 1935 Leiter des Gesundheitsamtes Augsburg und legte innerhalb von drei Jahren in Vorbereitung der späteren „rassehygienischen“ Auslese sogenannte Sippentafeln von 20000 Augsburger Familien an. Darunter auch die des von Faltlhauser 1944 in Kaufbeuren ermordeten Jugendlichen Ernst Lossa.
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