Im Zweifel für den Rock
Bis einer weint. Das sagen Eltern ihren Kindern, wenn sie beim Spielen übermütig werden. Und das kann nicht gut gehen, war auch der Gedanke, der sich zu Beginn des Tocotronic-Konzerts am Samstagabend in der Augsburger Kantine aufdrängte. Die vier Herren aus Hamburg und Berlin bespielen auf ihrer kleinen Herbstrunde gerade beinahe jeden Abend eine andere Stadt. Und trotz des stressigen Tourplans schonen sie sich nicht: Wütend, fast rasend haben sie auch den Augsburger Konzertbesuchern ihr gut einstündiges Hochgeschwindigkeits-Set in die Ohren gepresst.
"Schall & Wahn", ihr jüngstes Werk, erschien Anfang des Jahres und bescherte der Gruppe erstmals Platz eins der Albumcharts. Und was sich auf Platte schon andeutete, bestätigt sich live: Es drängt die Herren zu Großem. Das ist schon fast Stadion-Rock, wenn sich Sänger Dirk von Lowtzow mit dem Rücken zum Publikum auf den breiten Gitarrenteppich legt, den er zusammen mit dem zweiten Gitarristen Rick McPhail webt. Das kann nicht gut gehen, denkt man - aber es geht gut für eine ganze Weile und entwickelt im engen Saal sogar einen unheimlichen Sog in Richtung Bühne.
Die Pose funktioniert, weil sie gebrochen ist. Das Sommermärchen ist vorbei, sagt von Lowtzow. Und wenn Deutschland wieder über Ausländer, Islam und Integration diskutiert, passt Tocotronics Kommentar zur unentspannten deutschen Identitätssuche "Aber hier leben, nein danke", heute so gut in die Zeit wie im Erscheinungsjahr 2005. Viele andere ältere Stücke klingen nicht unbedingt so, wie man sie in Erinnerung hatte. "Let there be Rock" zum Beispiel, schneiden die Herren allen melancholischen und hymnischen Speck ab. Den Fans im ausverkauften Saal gefällt der Garage-Sound. So gut, dass sie die Band, die sich nach der zweiten Zugabe schon verabschiedet hatte, nach fast zehn Minuten noch für einen Song auf die Bühne zurückklatschen. Keine Tränen in Augsburg. Aber ewig kann das so nicht gehen.
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