Der einzigartigste Goethe
Der Dichter liebte den Regelbruch und steigerte, was das Zeug hielt. Das gehört erforscht, meint Mathias Mayer
Beinah exzessiv spielte der größte aller deutschen Sprachakrobaten mit dem Superlativ. Vor allem mit solchen, die die Sprachregeln brachen. In einem Brief an Auguste Gräfin zu Stolberg schreibt Goethe 1775: „Gute Nacht, Engel – einzigstes, einzigstes Mädchen und ich kenne ihrer Viele.“ Den Wächtern der Duden-Redaktion treibt das bis heute den Schweiß auf die Stirn. Mathias Mayer, Literaturwissenschaftler der Universität Augsburg, hingegen zitiert genüsslich: „gesetzlichste“, „sehnsüchtigste Gewalt“, „ernsteste Gerechtigkeit“. Den „Faust“ nennt er gar das „Drama der Superlative“. In seinem Vortrag bei der Goethe-Gesellschaft analysiert er diese Formen als eigenständige Sprachfiguren und kritisiert, dass die Germanistik sich unter dem Einfluss der Sozialwissenschaft auf Goethes Verhältnis zu Frauen, Freimaurern, zum Mond, zum Geld, zum Orient und zur Langsamkeit konzentriere, Grundphänomene seiner Sprachbehandlung aber kaum analysiert werden. Dabei spiele der Superlativ auch heute noch in Politik, Marketing und journalistischen Ratgebern eine wichtige Rolle.
Goethes Kritikern ging der Superlativismus schon früh auf die Nerven. Zu schrill, zu laut, manchmal auch zu grotesk sei dieser Stil. Der Literaturwissenschaftler Friedrich Theodor Vischer (1807–1887) nannte Goethes Extravaganzen „Unnatur, Versalzung, Überwürzung, Manier“. Dem Philosophen Nietzsche und den Autoren Victor Klemperer sowie Elias Canetti ging es hingegen weniger um Stilkritik. Sie mahnten, der Dauergebrauch des Superlativs manipuliere, ideologisiere und steigere das Gewaltpotenzial von Sprache. Nietzsche kritisierte zudem: „Dichter, die in Superlative verliebt sind, wollen mehr als sie können.“ Otto von Bismarck befand, jede sprachliche Übertreibung rufe nach Widerspruch.
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